Fußball ist die wichtigste Nebensache der Welt, wird gesagt. Gleichwohl kann er viel Freude bereiten, wenn man sieht, dass die Akteure mit Engagement und Enthusiasmus zu Werke gehen.
So geschehen beim letzten Spiel der Frauen-Nationalelf und der U 17-Mannschaft bei der Weltmeisterschaft in Indonesien. Beiden Mannschaften gemeinsam war, dass sie als Team auftraten. Das war ihr eigentliches Erfolgsgeheimnis.
Dem inzwischen 72-jährigen Interimstrainer Horst Hrubesch gelang es innerhalb kürzester Zeit, aus einer uninspirierten Frauengruppe eine Mannschaft zu formen, die wieder an sich glaubte, an Selbstbewusstsein gewann und darüber dann auch zu ihrer Spielstärke fand. Das war zweifellos das Verdient von Hrubesch, der einen einfachen, schnörkellosen Fußball bevorzugt. Er, ein gelernter Maurer, fand offenbar auch die richtige Ansprache, um die Frauen von seiner Spielauffassung zu überzeugen und entsprechend zu motivieren. Viele der Spielerinnen äußerten sich in diesem Sinne positiv über ihren Trainer.
Horst Hrubesch hat sich auch als Spieler nie in den Vordergrund gedrängt, obwohl er selbst eine beachtliche Karriere als Fußballer hingelegt hat. Ich habe ihn zweimal erlebt. Das erste Mal 1975. Da spielte er noch für Rotweiß Essen und schoss im Weserstadion 3 Tore zum 3:3 gegen Werder Bremen. Das zweite Mal sah ich ihn 1980 in Köln, wo er in der 90. Minute den Siegtreffer zum 3:2 für den HSV schoss.
Geradezu begeistert hat mich das Auftreten der U 17-Nationalmannschaft. Was diese jungen Spieler während des vierwöchigen Turniers geleistet haben, verdient höchste Anerkennung. Auch diese Mannschaft kam über den Teamgeist. Gegen so spielstarke Mannschaften wie Spanien, Argentinien und Frankreich gelang es ihnen, mit Willensstärke, Kampfgeist und dem notwendigen Glück, sich durchzusetzen.
Den Verantwortlichen ist es gelungen, aus den unterschiedlichsten Charakteren und Spielertypen eine Einheit zu formen. Sie haben die Spieler über einen längeren Zeitraum begleitet und geformt, wobei sie vor allem auf deren Persönlichkeit und Charaktereigenschaften wert legten. Von jedem Spieler wurden Dossiers angelegt, die über deren Stärken und Schwächen Auskunft gaben. Die Spieler mussten selbst einschätzen, was sie zum Erfolg der Mannschaft glaubten beitragen zu können. Eine ungewöhnliche Vorgehensweise, die offensichtlich zum Erfolg führte.
Mich hat dies an den legendären argentinischen Trainer César Luis Menotti erinnert. Da die großen Vereine sich seinerzeit weigerten, Spieler für die Nationalmannschaft abzustellen, war er gezwungen, aus damals nahezu unbekannten Spielern eine neue Mannschaft zu formen, mit der er dann Weltmeister wurde. Sein Credo lautete: Beim Fußball spielen wir nicht einzig und allein, um zu gewinnen, sondern um besser zu werden, um Freude zu empfinden, um ein Fest zu erleben, um als Menschen zu wachsen. Menotti war ein politischer Kopf. Bei der Siegerehrung verweigerte er den Vertretern der damaligen Militärjunta den Handschlag. Zur Begründung meinte er: Meine Spieler haben die Diktatur der Taktik und den Terror der Systeme besiegt.
Es dürfte deutlich geworden sein, woran es der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Moment mangelt: es ist bisher nicht gelungen, aus Einzelkönnern ein Team zu bilden.
Es heißt, Kanzler Scholz habe der U 17 zu ihrem Teamgeist gratuliert. Vielleicht sollte er einiges davon auch seiner Regierungsmannschaft angedeihen lassen; deren Zerstrittenheit trägt mehr und mehr zur Politikverdrossenheit bei, die zu einer Gefahr für den Bestand der Demokratie zu werden droht.