Scholz hat Nein gesagt zur Lieferung der Taurus-Raketen an die Ukraine. Hoffentlich bleibt es dabei. Knapp zwei Drittel der Deutschen stimmen dem zu. Das ist angesichts der Dauerberieselung durch die Mainstream-Medien erstaunlich. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges vollzieht sich stets das gleiche politische Szenario: kaum ist ein Waffensystem geliefert, wird das nächste gefordert und stets wird so getan, als sei dieses eine kriegsentscheidend. Man fragt sich, wo das enden soll.
Scholz hat mit seinem Nein die Eskalationsdynamik zunächst einmal durchbrochen. Die Gefahr einer Ausweitung des Krieges ist damit aber noch lange nicht gebannt. Die New York Times enthüllte vor kurzem, dass hohe russische Militärs bereits im Oktober 2022 den Einsatz taktischer Atomwaffen befürworteten, als die Ukraine sich auf dem Vormarsch Richtung Krim befand. Der Nationale Sicherheitsrat der USA nahm dies zum Anlass, einen Notfallplan für den Ernstfall auszuarbeiten. Im Februar 2024 soll es erneut zu derartigen Überlegungen gekommen sein. Anlass war das Gerede über den Einsatz bunkerbrechender Raketen gegen Ziele in Russland und die zunehmenden Forderungen nach dem Einsatz von Nato-Bodentruppen.
In diesen Wochen findet ein großes NATO-Manöver direkt an Russlands Grenzen statt. Es ist durchaus möglich, dass es zu einer unmittelbaren Konfrontation zwischen NATO und Russland kommt; aus Zufall oder auch nicht. Ausgeschlossen ist es jedenfalls nicht und welche Folgen das haben würde, mag man sich gar nicht ausmalen.
Die Medien sind zunehmend auf Krawall gebürstet. ARD, ZDF, Spiegel, Zeit, SZ, FAZ oder Welt scheinen jegliche Beißhemmung verloren zu haben. Täglich wird eine Dosis draufgelegt. Der Papst wird als weltfremd und naiv diskriminiert, weil er Verhandlungen fordert. Vor allem aber schießt man sich auf den Fraktionsvorsitzenden der SPD Mützenich ein, der nach seiner beachtenswerten Bundestagsrede zum Taurus-Einsatz in der FAZ als neuer Chamberlain verteufelt wird. Göring-Eckard von den Grünen bezeichnet ihn gar als eine Gefahr für Deutschland. Das hat mit Berichterstattung nichts mehr zu tun. Es sind bösartige, beleidigende Unterstellungen, mit denen Stimmung gemacht wird. In der Wahrnehmung dieser Leute bedeutet die Forderung, den Krieg einzufrieren, um endlich Verhandlungen zu ermöglichen, Unterwerfung und Kapitulation. Dass ein Waffenstillstand immer die Voraussetzung für Verhandlungen ist, scheint ihnen nicht bekannt zu sein.
Man staunt über die Leichtfertigkeit oder sollte man sagen: die politische Ignoranz, mit der Politiker wie z.B. Kiesewetter, Hofreiter oder Strack-Zimmermann, über die Gefahren eines Atomkrieges hinweg gehen. Sie, die ansonsten Putin alles Böse zutrauen, sprechen ausgerechnet angesichts der mehrfach ausgesprochenen Warnungen Russlands, im Falle einer existentiellen Bedrohung Atomwaffen einzusetzen, von Bluff. Wie pubertierende Jugendliche scheinen sie darin eine Art „Mutprobe“ zu sehen. Wer Bedenken äußert, wird als Schwächling oder Defaitist beschimpft. „Friede“ und „Diplomatie“ sind zu Schimpfworten geworden. Das gängige Narrativ lautet: Die Ukraine muss den Krieg gewinnen! Alles andere liegt jenseits des Vorstellungsvermögens, mag es auch noch so irreal sein.
Ich erinnere mich noch ziemlich genau an die Gefahr eines Atomkrieges zwischen den USA und Russland im Jahr 1962. Ich war 17 Jahre alt, Jugendvertreter und nahm an einem gewerkschaftlichen Treffen teil, als sich die politische Situation dramatisch zuspitzte. Keinem von uns Teilnehmern an der Sitzung war danach zumute, über unsere Angelegenheiten zu diskutieren. Es herrschte eine Art Weltuntergangsstimmung. Wir rechneten mit dem Schlimmsten.
Erst in letzter Minute gelang es damals Robert Kennedy, in einer Art Geheimaktion eine Einigung mit dem damaligen sowjetischen Botschafter Dobrynin zu erreichen: die Russen zogen ihre Raketen aus Kuba ab; die Amerikaner ihre aus der Türkei und Italien. Letzteres wurde in den westlichen Medien weitgehend verschwiegen, um die Amerikaner als Sieger dastehen zu lassen. Einige Zeit später begann die Ära der Entspannungspolitik, die von einigen heute als Fehler dargestellt wird, obwohl sie zur Wiedervereinigung führte. Was wäre denn die Alternative gewesen? Ein Atomkrieg?