Zurecht wird der Kommunikationsstil des Kanzlers Scholz immer wieder kritisiert (zuletzt im Blog von Alfons Pieper, am 16.5.). Da der Ampel-Regierung eine stringente politische Agenda fehlt oder zumindest nicht erkennbar ist (das gilt auch für die SPD), fragt es sich, was da eigentlich „kommuniziert“ werden soll?
Die Probleme der SPD liegen m.E. tiefer. Mindestens folgende Zäsuren fallen mir dazu ein: ein fehlendes Konzept für den „Aufbau Ost“ und zwar von Anfang an. Der Zickzackkurs in der Außenpolitik: Beteiligung am völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Krieg; Absage am Irak-Krieg mitzumachen; „uneingeschränkte Solidarität“ mit den USA in Afghanistan).
Am meisten dürfte allerdings die Agenda-Politik von Schröder zum Glaubwürdigkeitsverlust der SPD beigetragen haben. Während Helmut Schmidt das Lambsdorff-Papier von 1982 noch vehement abgelehnt hat, was zum Bruch der damaligen sozialliberalen Koalition führte, konnte man die „Hartz-Reformen“ durchaus als dessen (zumindest teilweise) Umsetzung verstehen. Neoliberale Denkmuster prägten fortan die Politik. Der Reformbegriff wurde desavouiert. Was sich ab da „Reform“ nannte, war stets verbunden mit einem Rückzug des Staates aus Bereichen der Grundversorgung (Bahn; Post), Teilprivatisierungen der Rente und des Gesundheitswesen; Einsparungen an der Infrastruktur und der Einführung der Schuldenbremse – um nur einige Beispiele zu nennen. Der Preis, den die SPD für diese Politik bezahlte, ist bekannt. Davon wird sie sich kaum je wieder erholen, wenn sie ihre Politik nicht grundlegend ändert.
Mit einer „Personalisierung“ der Probleme ist es mithin nicht getan, denn was würde sich ändern, wenn Scholz etwa durch Pistorius ersetzt würde? Die SPD würde vielleicht zwei oder drei Prozentpunkte dazu gewinnen, aber ein Politikwechsel wäre damit kaum verbunden. Der aber wäre dringend geboten. In der Außen- und Sicherheitspolitik hat Rolf Mützenich Vorschläge unterbreitet; Norbert Walter-Borjans in der Israel-Politik. Zu befürchten ist, dass Ansätze in der Sozialpolitik am Veto der Fünf-Prozent-Partei scheitern und Scholz dem nachgibt. Vielleicht ist einer wie er dem Denken Lindners ja näher als man glaubt?