Mal ein Bekenntnis vorneweg: Bei der Bundestagswahl hatte ich mit der einen Stimme Grün und mit der anderen SPD gewählt. Die Partei, die ich nie und nimmer wählen würde, ist die FDP. Dass aber die kleinste Partei in der neuen Ampel-Koalition Grüne und Genossen zumindest auf wichtigen Feldern zu Hampelmännern degradiert, macht mich sauer. So schiebe ich schon mal Frust und Politik-Verdruss, bevor es in Berlin überhaupt richtig losgeht.
Ein paar Beispiele: Die Grünen hatten im Wahlkampf vollmundig als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung ein Klimaschutzministerium „mit Vetorecht“ verlangt; ein Ministerium also, das die Regierungspolitik auf allen Feldern blockieren könnte, wenn sie klimaschädlich ist. Wird das kommen ? Nein ! Zugegeben: Im Rot-Gelb-Grünen Koalitionspapier ist so viel Umwelt- und Klimaschutz wie nie zuvor in Deutschland. Aber zu behaupten, damit sei die Bundesrepublik auf dem 1,5-Grad-Klimapfad von Paris, muss man als schönfärberische Übertreibung bezeichnen.
Bis 2030 soll der grüne den grauen Strom ersetzen, mit der Kohle soll „idealerweise“ Schluss sein. Wünsch Dir was als politisches Prinzip, denn das Enddatum für die Kohle ist damit nicht verbindlich definiert.
Eine stärkere Anhebung des C02-Preises für Benzin, Diesel, Erdgas wäre nach Expertenmeinung dringend nötig, um die Klimaerwärmung zu drücken. Nur steht das leider nicht im Koalitionsvertrag.
Ein von den Grünen angepeiltes Verbot von Verbrennungsmotoren wurde durch die sehr viel sanftere Zielvorgabe ersetzt, bis 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Autos auf die Straße zu bringen. Ihren Wunsch, endlich auch auf deutschen Autoahnen Tempo 130 als Höchstgeschwindigkeit zuzulassen, hatten SPD und Grüne schon kurz nach der Wahl begraben, weil die FDP es so will, ohne dass sie bis heute einen einzigen vernünftigen Grund für ihre Verweigerung geliefert hat. Plumpes Anbiedern an die Autolobby ist ihr eben wichtiger als die Rettung von Menschenleben und die Reduktion des klimaschädlichen CO2. Und wenn die beiden größeren Parteien dieser FDP dann auch noch für die Zukunft das Verkehrsministerium anvertrauen, möchte man sie fragen: Hatten wir mit Andy Scheuer noch nicht genug ?
Bei aller Vertraulichkeit, die die Ampel-Verhandler bis zum Schluss durchgehalten haben, diese Spekulation sei erlaubt: All die Aufweichungen gehen auf das Konto der FDP. So konnte der FDP-Politiker Lukas Köhler am Ende generös triumphieren, die vereinbarte Klimapolitik der Ampel sei doch eine recht gute Mischung aus ambitionieren Klimazielen „und vernünftiger Durchsetzbarkeit“.
Und dann noch der Kampf gegen Corona. Da soll es einen Krisenstab im Kanzleramt geben, der sich von Experten beraten lässt. Klingt gut, nur sollte man dann auch auf diese Experten hören und sie nicht nach politischer Opportunität ignorieren. Seit Tagen oder Wochen fordern, bitten und betteln die einschlägigen Experten, die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ nicht auslaufen zu lassen. Das beeindruckt die Ampel nicht. Und was ist mit einer allgemeinen Impfpflicht, die ebenfalls immer mehr Virologen und Klinik-Mediziner für unverzichtbar halten, gegen die sich aber wiederum die FDP am stärksten sperrt ? Legalistische Rechthaberei scheint ihr wichtiger als hunderte oder gar tausende Menschenleben, die mit einer Impfpflicht gerettet werden könnten.
Der Münchener Infektiologe Clemens Wendtner spricht im Interview mit der Süddeutschen Zeitung Klartext: „Lockdown und allgemeine Impfpflicht, das sind die effektivsten Maßnahmen, die es gibt. Es war ein großer Fehler der Politik, hier so laut den heiligen Schwur des ‚nie wieder‘ und ‚niemals‘ zu leisten.“ Und der Chefredakteur des online-Dienstes von t-online, Florian Harms, rechnet geradezu wütend mit der Ampel ab: „Wir werden alles tun, um die vierte Corona-Welle zu brechen, beteuert Grünen-Chef Robert Habeck. Stand jetzt ist das eine glatte Lüge.“
Ob Christoph Lütgert wohl in diesem Leben noch verstehen wird, dass Subventionen für Elektroautos de facto den Fossilstrom-Verbrauch fördern – und dem Klima daher gar nichts nützen?