So langsam wird auch der geduldigste Zeitgenosse unzufrieden mit dem, was die Politik in der Corona-Pandemie der Öffentlichkeit bietet. Ja, es ist ein mickriges Schauspiel mit eher mittelmäßigen Darstellern, die sich da zu einem Impf-Gipfel in Berlin getroffen haben. Sie hätten besser das mit den Gipfel sein lassen, denn vom Ergebnis her war es eher ein Gipfelchen. Der Betrachter des Impf-Theaters sitzt vor dem Fernseher und wartet auf ein Ergebnis, das ihm signalisiert: In der oder der Woche wirst Du geimpft. Diese Erwartung wurde von Spahn und Co, ja auch der Bundeskanzlerin geschürt und enttäuscht. Soll der Bürger jetzt wirklich daran glauben, dass im April richtig geimpft wird? Soll er sich darauf verlassen, was Angela Merkel gerade wiederholt hat: dass mit Ende des Sommers jedem Bundesbürger ein Angebot gemacht wird? Ich bin mir inzwischen nicht mehr sicher, dass dieses Versprechen eingelöst werden kann. Zumal es mir zu eng mit dem Termin der Bundestagswahl verknüpft ist. Der Wahlkampf lässt grüßen, auch wenn Frau Merkel nicht mehr zur Wahl steht.
Die Produktionskapazitäten müssen erhöht werden, lese und höre ich. Dass diese Feststellung erst jetzt getroffen worden ist, hat mich überrascht. Für ein 82-Millionen-Volk reicht eine Handvoll Dosen mit Impfstoff nicht. Wer wusste das vorher nicht? Und dass wir fehlende Produktionskapazitäten durch Investitionen in diese Firmen hätten anstossen sollen, liegt doch auf der Hand. Warum hat man das nicht schon vor Monaten mit den Impf-Herstellern besprochen? Ist das Problem nicht erkannt worden? Das wäre ziemlich naiv. Deutschland müsse in der Lage sein, autark zu handeln, also den Impfstoff im Lande selber herstellen können, hat der SPD-Experte Lauterbach gesagt. Spät kommt Ihr, Herr Lauterbach, um Schiller zu zitieren. Man muss ihm zustimmen, auch wenn man zunächst eine europäische Lösung gesucht hat. Aber Deutschland als die führende Apotheke der Welt sollte alles daran setzen, auch diesen Weg zu beschreiten. Die Lieferketten könnten sonst eines Tages zum Problem werden.
Zu fragen ist, warum wir auf Impfstoff aus Russland und China nicht zurückgreifen? Der böse Russe, Putin, der Inbegriff des Teufels, oder was spricht dagegen? Oder Sanktionen? Oder Putins Palast? Müssen wir uns vorher das Plazet aus Washington holen? Warum ist es einem kleinen Land wie Israel gelungen, an soviel Impfstoff zu kommen und damit quasi Millionen Bürgerinnen und Bürger binnen kurzer Zeit zu impfen? Warum kommen Länder wie die USA, Großbritannien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrein wesentlich schneller mit dem Impfen voran als die EU? Hat da jemand in Brüssel gepennt? Die Notlage falsch eingeschätzt? Warum hat die EU nicht frühzeitig mehr Impfstoff besorgt, für alle EU-Mitglieder selbstverständlich. Ich denke nicht an eine eogistische deutsche Alleinversorgung. Frau von der Leyen stellt sich doch sonst gern als Alles-Könnerin dar. Aber wir wissen ja um ihre eingeschränkten Regierungskünste, seit sie das deutsche Verteidigungsministerium geleitet hat. Gibt es einen Experten, der sagen kann, welches militärische Teil aus der von-derLeyen-Zeit funktioniert? Gerade habe ich sie im Fernseh-Interview erlebt, in dem man ihr den leichten Ausweg aus dem Dilemma bot: Es sei alles auf einem guten Weg. Hat sie gesagt. Toll, Frau Präsidentin. Dann ist ja alles gut. Darf man trotzdem nachfragen: Wo ist der Impfstoff, Frau von der Leyen, was sagen die ausgehandelten Verträge über Zusagen von Impfstoff-Lieferungen?
Oder nehmen wir den taffen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der uns täglich auf dem Fernsehschirm erscheint und Erklärungen abgibt. Wie erklärt sich der CDU-Mann mit den großen persönlichen Ambitionen, dass andere Länder schneller am Ball, ich meine am Impfstoff waren und wirksam geimpft haben? Er wirkt mir zu selbstzufrieden, dabei hätte er genügend Gründe, demütig zu sein, weil es nicht voran geht. Herr Spahn trägt als Ressortchef Verantwortung und sollte dies auch in Interviews deutlich machen. Stattdessen redet er daher, als ginge es um Kleinigkeiten. Wenn er sagt, dass wir alle das trügeriche Gefühl gehabt hätten, das Virus im Griff zu haben, so stimmt das mit dem „Wir“ einfach nicht. Der Herr Minister redet sich raus. Mehr noch: Spahn sollte keine Voraussagen mehr darüber treffen, ab wann wer geimpft wird. Denn wenn das nachher nicht eingehalten werden kann, werden die Erwartungen von Millionen Bürgerinnen und Bürgern enttäuscht.
Wie kann es sein, dass ein Land wie Deutschland keinen Impfplan hat, keine Strategie? Haben wir, die wir früher mal dafür weltweit gerühmt wurden, diese Fähigkeit verloren? Es passt doch nichts zusammen zwischen Bund und Ländern, zwischen Berlin und Brüssel. Leer stehende Impfzentren, verzögerte Lieferungen. zu kleine Bestellungen, schwere Lücken beim Impfen der Ältesten. Hat hier jemand noch den Überblick über das Chaos? Da sollten sich die Regierenden nicht täuschen. Noch ist die Zufriedenheit eines großen Teils der Bevölkerung mit der Politik, auch mit dem Umgang mit dieser schweren Krise gegeben, aber die Fragen werden lauter, das Kopfschütteln über die da in Berlin wird deutlicher, das Unverständnis wächst und auch der Zorn mancher Zeitgenossen ist zu vernehmen. Ich hätte mir mehr Führung durch die Kanzlerin gewünscht, die sich über Klagen des Parlaments, weil es gehört werden, weil es mitreden will, oft genug hinwegsetzt, aber dann nicht den Schneid hat, sich in die Belange von Unternehmen einzumischen, die den Impfstoff erfunden hatten und ihn produzieren. Das musste doch einer erfahrenen Politikerin wie ihr oder ihren Beratern frühzeitig klar gewesen sein, dass man mit herkömmlichen Mitteln, sprich Produktions-Methoden das Jahrhundert-Problem(Massen-Impfen in der Pandemie) nicht werde lösen können. Den Führungsanspruch in dieser Pandemie jedenfalls hat Frau Merkel eingebüßt.
Und: Eines hätten wir längst haben müssen: eine Impf-Strategie. Wenn richtig ist, dass das Virus von außen in die Alten-und Pfegeheime getragen wird, hätte man doch als allererste diejenigen impfen müssen, die täglich in diese Heime gehen, weil sie dort zu tun haben: die Ärzte, Krankenschwestern, Pflegekräfte, Küchenpersonal, Reinigungsdienst, Polizisten, Lehrer, Erzieher, Leute vom Ordnungsdienst, von der Feuerwehr, Sanitäter und ähnliche Berufsgruppen. So hat es ein Leser im Bonner „Generalanzeiger“ gefordert und dies so begründet: „Wenn die geimpft sind, dann schützen sie automatisch und effektiv ihre Kontaktpersonen. Eine schnelle Impfung dieser Personen hätte eine große positive Multiplikator-Wirkung zur Folge. An der Uni Frankfurt etwa hat man zuerst die Ärzte und Krankenschwestern geimpft.“
Die Intension sei gewesen, so der Leser, „mit den vorhandenen Impfstoffen und -kapazitäten die größtmögliche Effizienz zu erreichen- auch für die alten Menschen, die man möglichst wirksam schützen muss.“ Der Mann hat doch Recht, oder?
Im Leitartikel der „Süddeutschen Zeitung“ steht: „Die Regierenden riskieren gerade ihr größtes Kapital, das sie noch haben“. Dieses Vertrauen wird verspielt, wenn nicht entsprechend gehandelt wird. Nur übers Impfen führt der Weg zurück in den früheren Alltag, ohne die Beschränkungen, die das Leben erschweren, die manches Geschäft pleite gehen lassen, die jeder Bürger noch einigermaßen geduldigt mitträgt, Aber irgendwann ist diese Geduld zu Ende. Der Bürger verlangt eine Erklärung, wie es weitergehen soll, er verlangt Offenheit und Klarheit von der Politik.
Bildquelle: Wikipedia, Armin Linnartz, CC BY-SA 3.0