Friedrich Merz, der Unions-Kanzlerkandidat, soll am 6. Mai zum Bundeskanzler gewählt werden. Ob bis dahin alles glatt läuft, darf man inzwischen bezweifeln. Nach dem Streit über den Mindestlohn und die Steuersenkungen für kleine und mittlere Einkommen bahnt sich der nächste Knall in der möglichen schwarz-roten Koalition über die Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine an. Nachdem Merz sich entgegen der Haltung des noch amtierenden Kanzlers Olaf Scholz für die Taurus-Lieferung ausgesprochen hatte, widerspricht jetzt auch der Erhard-Eppler-Kreis der Haltung des wahrscheinlichen Kanzlers. In einer Erklärung, die dem Blog-der-Republik vorliegt, begründet der nach dem früheren Entwicklungshilfeminister benannte Kreis sein Nein u.a. damit, Deutschland dürfe nicht zur weiteren Eskalation des Krieges zwischen Russland und der Ukraine beitragen. Ferner müsse alles getan werden, damit die Bundesrepublik nicht zur Kriegspartei werde.
Zuvor hatte sich der amtierende und wohl auch neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius(SPD) skeptisch zu den Forderungen von Friedrich Merz geäußert, in Abstimmung mit europäischen Partnern Taurus-Marschflugkörper an Kiew zu liefern. Pistorius hatte bei einer SPD-Konferenz in Hannover Darstellungen dementiert, er sei schon immer für eine solche Waffenhilfe gewesen. „Ich habe das nie gesagt“, betonte der Minister, der zugleich den Aussagen von Merz widersprach: „Ich kenne keinen europäischen Partner mit einem solchen System. Von daher ist das mit der Abstimmung so eine Sache.“ Merz hatte vor Tagen seine Bereitschaft zur Lieferung von Taurus-Raketen bekräftigt: „Nicht, dass wir selbst in den Krieg eingreifen, sondern dass wir die ukrainische Armee mit solchen Waffen ausrüsten.“ So Merz in der ARD-Sendung „Caren Miosga“. Dagegen hatte Olaf Scholz stets eine solche Lieferung abgelehnt aus der Sorge heraus, dass Deutschland in den Krieg hineingezogen werden könnte. Taurus-Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern könnten die russische Hauptstadt Moskau erreichen.
Anders als Merz hatte sich SPD-Generalsekretär Matthias Miersch geäußert. „Wir waren als Fraktion schon immer dagegen“, erklärte er und wies auf eine entsprechende Beschlusslage hin. Diese Haltung hat jetzt der Erhard-Eppler-Kreis bekräftigt. Das in der SPD einflussreiche Gremium kritisiert die gezielten Angriffe Putins auf die ukrainische Zivilbevölkerung als „ein Kriegsverbrechen“. Jeder weitere Tag des Blutvergießens sei einer zu viel, heißt es in der Erklärung weiter. Der Kreis weist daraufhin, dass Deutschland durch moderne Luftabwehrtechnik zum Schutz der Zivilbevölkerung beitrage. Doch eine zusätzliche Eskalation würde das Leid der ukrainischen Bevölkerung noch weiter erhöhen. Deshalb fordert der Erhard-Eppler-Kreis die künftige Bundesregierung auf, keine Taurus-Systeme in die Ukraine zu liefern. „Eine solche Entscheidung würde nicht nur das Eskalationsrisiko erhöhen, sondern auch den laufenden diplomatischen Bemühungen widersprechen, das Töten rasch zu beenden und ein für die Menschen in der Ukraine tragfähige Lösung zu erreichen. Statt symbolischer Waffenlieferungen muss Deutschland sich konsequent für Deeskalation und Friedensverhandlungen einsetzen- und zwar bevor weitere Leben sinnlos geopfert werden.“
Der Streit um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern fällt mitten in die Abstimmung der SPD-Mitglieder über den zwischen den Führungen von Union und SPD vereinbarten Koalitionsvertrag. Vor allem in der SPD wird dieser Vertrag heftig diskutiert, auch weil die Verhandlungsführer der Partei, sowohl Lars Klingbeil wie Saskia Esken, nicht gerade unumstritten sind. Vor allem auch Klingbeil hat als SPD-Chef die schwerste Wahlniederlage der Sozialdemokraten aller Zeiten zu verantworten. Nicht jeder Genosse fand es passend, dass sich Klingbeil unmittelbar nach der Wahl den Fraktionsvorsitz nahm, kurz nachdem der beliebte Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich seinen Verzicht auf die Führung der Bundestagsfraktion angekündigt hatte. Und jetzt will und soll derselbe Klingbeil aller Voraussicht nach Vizekanzler und Bundesfinanzminister werden und zugleich SPD-Bundesvorsitzender bleiben. Und Saskia Esken, auch keine Wahlgewinnerin- in ihrem Wahlkreis in Baden-Württemberg erreichte sie gerade mal so um die 12 Prozent der Stimmen, macht auch keine Anstalten, den Co-Vorsitz der ältesten deutschen Partei abzugeben.
Dass auch der künftige Bundeskanzler Merz in der Union viel Kritik einstecken muss, weil sich seine Wählerinnen und Wähler von ihm verschaukelt fühlen, schließlich hat er jede Verschuldung vor der Wahl strikt abgelehnt mit dem Hinweis auf die Schuldenbremse, um diese Versprechen kurz nach der Wahl dann einzukassieren. So entstehen Glaubwürdigkeitskrisen, noch bevor der Mann zum Kanzler gewählt worden ist. Das nur der Vollständigkeit halber. Und wenn man dann noch daran erinnert, dass Jens Spahn, einer der führenden Männer der CDU, einen neuen Kurs in de Behandlung der rechtsextremen AfD vorschlägt, indem er dafür plädiert, diese Partei wie eine normale Oppositionspartei zu sehen, kann man verstehen, dass in Berlin nicht wenige anfangen, nervös zu werden. Man erwartet weiter eine klare Mehrheit der SPD zum Koalitionsvertrag, aber die Nein-Stimmen könnten schon mehr als eine Backpfeife werden.
Zur Presseerklärung des Erhard-Eppler-Kreises