Der Mann verbreitet gern gute Laune. So isser der Rheinländer, könnte man sagen. Aber dieser Tage wirkt Armin Laschet fast angeschlagen, getroffen von einer kleinen Anfrage der SPD-Opposition im Düsseldorfer Landtag. Die Sozialdemokraten wollen wissen, was es mit dem Kontakt auf sich hat, den ein Sohn des NRW-Ministerpräsidenten, Joe, dem Vater zum Mode-Konzern Van Laack vermittelt hat. Konkret geht es um ein Geschäft im Wert von 38,5 Millionen Euro. „Schäbig“ nannte Laschet die Anfrage, „unanständig“, sprach von einem Zustand der größten Oppositionsfraktion des Landtags, „zudem immer Diffamieren als Stilmittel dazugehört.“ Der Zuhörer wunderte sich über die Aufgeregtheit des CDU-Regierungschefs. Politische Beobachter fragen sich, warum der Mann, der ganz nach oben will, CDU-Chef und Kanzler werden will, so etwas nicht abkann. Eine kleine Anfrage im Parlament zu beantworten, auch wenn der Sohn da genannt wird, ist Alltag, das muss man beantworten und weiter geht die Fahrt.
Eine Landesregierung muss Rechenschaft ablegen über das, was sie tut. Es geht nicht mit der rustikalen Art des Gesundheitsministers, die eher für die Kneipe gut ist. Sie kann nicht, wie hier geschehen, quasi nach Gutsherrenart Aufräge vergeben, auch wenn man in einer kritischen Lage wegen des Beginns der Corona-Pandemie war und Masken Mangelware. Dass SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty hier nachfragt und Genaueres wissen will, ist seine Aufgabe. Er hätte im anderen Fall seinen Job verfehlt. Opposition muss Regierungen auf die Finger schauen, um Ungereimtheiten aufzudecken. Es geht nicht darum, dass der Sohn von Laschet, ein Modeblogger, der auch für Van Laack arbeitet, seinem Vater einen Kontakt zu dieser Firma besorgt hat. Merkwürdig ist dabei, dass Armin Laschet dann zum Hörer greift und den Unternehmer noch am Sonntagabend anruft. Es fehlte medizinische Schutzkleidung gegen das Virus wie Masken und Kittel, um sich gegen die ansteckende Gefahr zu schützen. Van Laack bot an, die Produktion umzustellen. In der Folge gab es Aufträge durch das Land an Van Laack, die laut Landesregierung korrekt durch das zuständige Gesundheitsministerium geprüft und abgerechnet wurden.
Das ist der eine Teil der Geschichte. Als diese öffentlich wurde, fragte die SPD per parlamentarischer Anfrage, welche Textilunternehmen in NRW noch Aufträge von der Regierung Laschet erhalten hatten. Und die Sozialdemokraten wollten wissen, ob van Laack vielleicht der einzige Profiteur des Geschäfts mit Corona-Schutzkleidung gewesen sei- eventuell wegen der engen Kontakte des Sohnes Joe zu Van Laack. Auch fragte die SPD-Fraktion nach möglichen Provisionen für den Vermittler des Geschäftes. Unanständig, schäbig?
Laschet ging wie ein HB-Männchen an die Decke und plusterte sich auf, als wäre was Schlimmes passiert, Es waren Alltagsfragen, die zu stellen Sache und Aufgabe einer jeden Oppositionspartei ist. Er jedoch sah darin einen Angriff auf seine Person, seine Familie. „Die neue Qualität jetzt ist, dass es über meine Person hinaus geht. Dass es in meine Familie hinein geht, ohne jede Rücksichtnahme“, empörte sich der Christdemokrat. Die Reaktion der SPD folgte prompt, Laschets Verhalten gegenüber der größten Oppositionsfraktion sei „respektlos. Einmal mehr zeigt sich: Er hat sich leider nicht im Griff.“
Thomas Kutschaty hat Recht. Es geht hierbei nicht um eine Privatsache von Armin Laschet. Das Problem wäre, so erläuterte der SPD-Politiker, ein Jurist, „wenn das die einzige Nummer war, die der Ministerpräsident gewählt hat.“ Denn solche Aufträge müssen ausgeschrieben werden, die Interessenten müssen sich bewerben. Aber offenbar habe sich Laschet „für einen Angriff auf unsere Integrität entschieden, um von seinem eigenen Fehlverhalten abzulenken.“ Die SPD werde deshalb weitere Anfragen zu dem Fall an die Landesregierung stellen. Das ist ihr gutes Recht. Man werde verstärkt nach Kontakten Laschets zu anderen Unternehmen suchen, auch will die SPD wissen, warum auf Angebote anderer Firmen seitens der Landesregierung nicht reagiert worden sei. Drei Firmen aus Mönchengladbach, Wuppertal und Dortmund sollen sich im März an die Staatskanzlei oder das Gesundheitsministerium gewandt und Masken- und Schutzkittel-Produktion angeboten haben. Kutschaty: „Es scheinen seriöse Angebote gewesen zu sein, auf die die Landesregieurng nicht geantwortet hat“. Die Firma aus Mönchengladbach habe 80000 Maslen angeboten, ohne eine Antwort erhalten zu haben.
Das Thema wird der Ministerpräsident so schnell nicht los. Die Rolle des Krisenmanagers scheint ihm nicht zu liegen. Je länger der Kampf um den CDU-Vorsitz dauert, den er sich mit Friedrich Merz und Norbert Röttgen liefert, Markus Söder nicht zu erwähnen, der im Hintergrund lauert, ohne bisher eine Bewerbung abgegeben zu haben, umso nervöser reagiert der CDU-Politiker aus Aachen auf Fragen. Erst kürzlich griff er ziemlich daneben, als er von dem härtesten Weihnachten sprach, das die Nachkriegsgenerationen erleben würden. Da schien er die Jahre und Zustände in Deutschland nach 1945 verdängt oder vergessen zu haben, als fast alles am Boden lag, die Menschen ohne Jobs waren, kein Dach über dem Kopf hatten, ohne ausreichende Nahrung waren, im Winter froren. Und gar nicht zu reden von der verlorenen Moral vieler Deutscher durch das Nazi-Regime, dem sie gedient und kaum Widerstand entgegengesetzt hatten. Dann redete er noch von der Spaltung der Gesellschaft, dabei wird die Corona-Politik der Bundesregieurng von der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt.
Am 16. Januar wird die CDU über ihren neuen Vorsitzenden entscheiden. Umfragen in der Partei sehen Laschet hinten, hinter Merz, Röttgen. Aber das muss nicht viel bedeuten, denn es entscheiden ja die 1001 Delegierten aus allen Landesverbänden. NRW stellt den größten Teil der Delegierten, aber darunter dürfen auch Merz-Anhänger sein, weniger Röttgen-Freunde, aber insgeheime Söder-Fans. Niemand wird auf den Ausgang wetten, zumal Laschet keine überzeugende Figur macht in der ganzen Corona-Zeit. Er wackelt halt zwischen Lockerung und Härte. Was wird er machen, wenn er verliert? Bleibt er einfach Ministerpräsident? Es wäre schon eine Blamage, wenn der Vorsitzende der NRW-CDU mit seinem Stammpublikum im Rücken nicht das Rennen um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer machte. Und dann wäre er ja auch aus dem Wettbewerb des Unions-Kanzlerkandidaten ausgeschieden. Nichts wäre es mit der Nachfolge von Angela Merkel, deren Stellvertreter er war, als diese CDU-Chefin war. Damals hielt er sich gern in ihrer Nähe auf, unterstützte sie, aber seit der Zeit hält sich Merkel bedeckt. Sie mischt sich nicht ein. Offiziell.
Laschet, der oft Unterschätzte, heißt es in einem langen und ziemlich positiven Beitrag in der SZ über den Ministerpräsidenten. Dass er die Nachfolge von Hannelore Kraft antrat 2017, verdankte er glücklichen Umständen, vor allem der Tatsache, dass die Amtsinhaberin keine Lust auf Wahlkampf verspürte und der Opposition den Sieg fast kampflos überließ. Kraftilanti hatten die Christdemokraten sie genannt, verspottet als Schulden-Königin. Ja, sie gehen mit ihren Gegnern gern hart um, keine Gnade. Da kann man zurückgehen bis in die Adenauer-Jahre, als dieser seinen Gegner Willy Brandt diffamierte mit „Willy Brandt alias Herbert Frahm“, weil Brandt ein uneheliches Kind war. Aber wehe, der politische Gegner greift die CDU an. Dann ist es „schäbig, unanständig“. Armin Laschet sollte an ein Wort von Gustav Heinemann denken: Wer mit dem Zeigefinger auf jemanden weist, muss bedenken, dass drei Finger derselben Hand auf ihn zurückzeigen.
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