Welch eine Woche liegt hinter uns! In Bremen tritt der populäre Bürgermeister Böhrnsen zurück, weil seine Partei kräftig Stimmen eingebüßt hat. Wer glaubte, dass angesichts einer auf die Hälfte geschrumpften Wahlbeteiligung der wahlberechtigten Bremer Bürger eine intensive Selbstbefragung für die Gründe dieses doppelt schmachvollen Wahlgangs in allen Parteien, aber besonders in der SPD folgen würde, der sah sich wieder einmal getäuscht. Wenn nicht alles täuscht, werden die Bremer Sozialdemokraten sich stattdessen in einer großen Koalition mit der CDU verlieren und ihren Abgang von der nun sechs Jahrzehnte andauernden Regierungsverantwortung in der Hansestadt auf Raten beginnen. Mut- und ideenlos ist die SPD ja nicht nur in Bremen.
Ausnahmsweise mal anders die SPD in Berlin. Dreiste Abwehrreaktionen von Kanzleramt und Union zum Thema NSA schreckten die Öffentlichkeit auf. Erlogen die angebliche Annäherung zwischen den USA und Deutschland, um dem Kanzlerinnenwort Substanz zu geben, Abhören und spionieren „unter Freunden geht gar nicht“ und man sei bei einem „Anti-Spy-Abkommen“ auf gutem Wege. Alles falsch, so sei es nie gewesen, ist aus Washington zu hören. Noch in guter Erinnerung der Auftritt vom damaligen Kanzleramtsminister Pofalla. Die Affäre um den Abhörskandal auch des Kanzlerinnen-Telefons wollte er schnell austreten. Es war offenbar im Wahlkampf jede Lüge recht. Und die Kanzlerin? Sollte sie wirklich nichts gewusst haben? Es scheint, dass die SPD in Berlin wenigstens an diesem Punkt genauso ein Aufklärungsinteresse hat wie die Opposition. Man wird sehen, ob und wie lange sie durchhält.
Und schließlich noch WikyLeaks, das einige tausend geheime Dokumente aus dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages in das Netz stellen konnte. Sofort waren die ertappten Lügner der Union dabei mitzuteilen, dass damit das Staatswohl „gefährdet“ sei. Es ist nicht nur die „Süddeutsche Zeitung“, die dies eine „gefährliche Umwertung“ der Fakten nennt. Die das behaupteten, waren der Verfassungsschutzpräsident, der sich besser um den institutionellen Rassismus in seiner Dienststelle kümmern sollte, und der CDU-Fraktionsvorsitzende. Beide waren offenbar einig, dass weder die monströse Ausspähung der Bürger durch NSA und seiner Helfer im BND das Staatswohl gefährde, noch dessen tatsächliches Ausmaß.
Dass und in welcher unglaublichen Weise die Geheimdienste zu einem Staat im Staat geworden sind, hätte sich bei Edward Snowden bereits ablesen lassen, der längstens die Nominierung für den Friedensnobelpreis verdient hätte. Mal sehen, ob die SPD sich doch noch einmal zum aufrechten Gang entschließen könnte, um ihn als Zeugen vor den Untersuchungsausschuss nach Berlin einzuladen.
Noch einmal nach Bremen. Wäre die Wahlbeteiligung höher gewesen, hätten weder die FDP noch die AfD eine Chance gehabt, in die Bürgerschaft einzuziehen. Die Demokratiemüdigkeit, die sich an der Wahlbeteiligung ablesen lässt, und die Erstarkung der Linken in Bremen böten ausreichend Stoff für nachdenkliche Parteitage, nicht nur der SPD. Sie wird kaum aus dem Getto der gerade noch 25-Prozent Zustimmung heraustreten können, wenn sie sich auch in Bremen in einer großen Koalition verkrümelt.
Immerhin scheint die AfD auf dem Weg der Selbstzerstörung weiter voranzuschreiten, womit der Union ein denkbarer FDP-Ersatz im künftigen Koalitionsgetümmel verloren ginge. Aber da wartet ja auch im Bund immer noch eine, dann voraussichtlich weiter dezimierte SPD, um der dann künftig nicht mehr großen, sondern dann kleineren Koalition mit der CDU/CSU Gestalt zu geben. Oder die Union wird dem Tanker SPD, der den Kurs zu verlieren beginnt, mit Schwarz/Grün den Abschied geben.