„Der neue Hass auf Politiker – warum Angriffe und Hetze zunehmen.“ So heißt es auf dem Titel der aktuellen Ausgabe des „Spiegels“. Damit ist ein drängendes Problem angesprochen. Denn tatsächlich werden immer mehr Menschen attackiert, die sich politisch engagieren – nicht nur in der virtuellen, sondern auch in der realen Welt. Das zeigt sich auch und gerade im Zuge des laufenden Europawahlkampfs. Diese Menschen sind Hass ausgesetzt. Er äußert sich in verschiedenen Formen und geht über verbale Attacken hinaus bis zu körperlichen Übergriffen. Kürzlich erst wurde die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey von einem Mann körperlich angegriffen und dabei an Nacken und Kopf verletzt. Weitere aktuelle Beispiele sind im „Spiegel“-Artikel nachzulesen. Die Politik ringt um Lösungen: Wie umgehen mit diesem Problem? Dabei steht der Bundestagswahlkampf erst noch bevor.
Strafrecht als Problemlöser
Auf der Suche nach Lösungen identifizierten die Polizeiminister der Länder auf einer Konferenz das Strafrecht als Problemlöser. Sie baten Bundesjustizminister Buschmann darum zu prüfen, ob Änderungen im Strafrecht zur Bekämpfung antidemokratischer Gewalt nötig sind. Die Antwort des Bundesjustizministers ließ nicht lange auf sich warten. Aus Berlin hieß es: „Das Strafrecht ist nicht blind.“ Auch körperliche Attacken könnten mit dem geltenden Strafrecht bereits ausreichend geahndet werden.
Mit dieser Auffassung liegt Buschmann richtig. Offensichtlich besteht keine Strafbarkeitslücke, die es den Staatsanwaltschaften verbietet, Taten zu verfolgen, bei denen es sich regelmäßig um Körperverletzungen handelt. Auch die Gesinnung beziehungsweise die Beweggründe des Täters können über § 46 Strafgesetzbuch im Rahmen der Strafzumessung bereits ausreichend berücksichtigt werden. Wie Christian Rath in der „taz“ vermutet, besteht vielmehr die Gefahr, mit der Diskussion um eine Verschärfung des Strafrechts reine Symbolpolitik zu betreiben.
Strafverfolgung statt Symbolpolitik
Wenn man schon im Bereich des Strafrechts ansetzen und Symbolpolitik vermeiden will, sollte der Fokus auf die Strafverfolgung gelegt werden. Es gilt, eine konsequente Strafverfolgung sicherzustellen und so eine klare Botschaft des Rechtsstaats zu senden: Jede Tat wird verfolgt und geahndet – es wird kein Auge zugedrückt. Noch konkreter: Verfahren werden nicht aus Opportunitätsgründen eingestellt, insbesondere nicht wegen Geringfügigkeit nach § 153 Strafprozessordnung.
Passend dazu sollten die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in den Blick genommen werden. Die RiStBV ist zwar eine reine Verwaltungsvorschrift für das Verfahrensrecht, bindet jedoch die Staatsanwaltschaft und soll so für eine bundesweit einheitliche Strafverfolgungspraxis sorgen. Ändert man die RiStBV, ließe sich antidemokratische Gewalt konsequent ahnden. Und das, ganz ohne das materielle Recht zu ändern. Dazu sollte in der RiStBV eine neue Nummer eingefügt werden. Diese stellt klar, dass bei Verfahren wegen Körperverletzung eine Einstellung aus Opportunitätsgründen immer dann ausscheidet, wenn sich die Tat gegen eine Politikerin oder einen Politiker richtet. Einfach und wirksam. Ist das eine praktikable Lösung, nach der händeringend gesucht wird?