Nachdem das Bündnis Sarah Wagenknecht im Januar 2024 gegründet war, gab es allerlei Prognosen. Eine davon lautete, die neue Partei werde massiv Stimmen bei der AfD einkassieren, deren Prozente vielleicht sogar halbieren. Heute wissen wir, AfD und BSW kommen im thüringischen Landtag auf eine Mehrheit von 47 Sitzen (von 88), das BSW hat also zusätzliches Potential bei einer politisch blauäugigen Wählerschaft mobilisiert, die Menschen sind für gebetsmühlenartig vorgetragene Parolen von Friedensdiplomatie gegenüber Putin und Raketen-Abbau in Deutschland empfänglich. Folgen und Fakten reflektieren sie nicht. Dass diese Parteien mit ihren Forderungen letztlich die Totengräber für Freiheit und Demokratie sind, erkennt in Thüringen nur noch eine Minderheit. Man muss sich fragen, ob der Trend an Dynamik gewinnt und sich bald auch in westlichen Bundesländern fortsetzt. Werden wir gar Zeugen einer verhängnisvollen Entwicklung, die an das Schreckensbild von Weimar erinnert? Der chaotische Verlauf der ersten Sitzung des Erfurter Landtags rief durchaus die aggressiven Szenen aus dem Berliner Reichstag der Jahre 1932/33 in Erinnerung. In dieser Situation machen auch noch drei selbst ernannte Weltpolitiker, die Ministerpräsidenten Kretschmer und Woidke und der CDU-Landesvorsitzende Voigt, einen Kratzfuß vor Frau Wagenknecht und ihrem BSW. So werden deren Argumente geradezu hoffähig, statt sich abzugrenzen von einer Partei, die mit populistischen Positionen den Israel- und Judenhass hierzulande befeuert. In der SPD mag sich mancher mit Blick auf den Ukraine-Krieg für die Annäherung begeistern; dass aber Friedrich Merz zu dieser Anbiederung schweigt, ist mehr als betrüblich.
Deutschland ist eine Parteiendemokratie, wie sie Artikel 21 des Grundgesetzes beschreibt. Sie spielen eine zentrale Rolle in unserem politischen System. Dieser Bedeutung entsprechen aber keineswegs die gesetzlichen Vorgaben und Kriterien, die für eine Parteigründung notwendig sind. Das BSW in Brandenburg soll etwa 40 Mitglieder zählen, von einer Repräsentation im sog. „Wahlvolk“ kann da wohl keine Rede sein. Darüber kann auch ein zweistelliges Stimmenergebnis nicht hinwegtäuschen. In keinem einzigen Wahlkreis trat das BSW mit einem Direktkandidaten an. Angesichts solcher Mängel drängt sich die Frage auf, wie künftig Parteigründungen von politischen Agitatoren und Grüppchen verhindert werden können. Parteien ohne ein solides politisches Fundament, das sich u.a. in Mitgliedszahlen ausdrückt, darf es nicht geben. In Brandenburg können gut zwei Millionen Menschen an einer Landtagswahl teilnehmen. Eine Partei, die vom Wahlleiter zugelassen wird, sollte also wenigstens eine Mitgliedschaft von 0,1 Prozent der Wähler haben. Das wären ohnehin nur 2000 Personen, aber nicht 40! Und sie sollte in mindestens der Hälfte der Wahlkreise einen eigenen Direktkandidaten aufstellen müssen. Leider sind die geschmähten „Altparteien“ bisher unfähig zum Konsens, der mit einfachen aber wirksamen Kriterien unsere Demokratie wetterfest macht.
Und geben wir uns bitte keiner Illusion hin, sind wir nicht naiv: Warum sollten AfD und BSW sich in Thüringen nicht irgendwann zu einer Koalition verabreden? 2018 bereits haben in Italien die rechtextreme Lega unter Salvini und die linkspopulistische 5-Sterne Bewegung ein Regierungsbündnis geschlossen. Die folgende politische Entwicklung bis heute, hin zur Wahl von Ministerpräsidentin Georgia Meloni aus einer postfaschistischen Partei sollte uns alarmieren. Gehen auch bei uns die Zeiten einer gefestigten Demokratie zu Ende?