Groß ist das Erschrecken und die Ratlosigkeit über das Anwachsen der AfD in politischen Kreisen der bürgerlichen und linken Parteien und auch bei den Medien. Gerätselt wird über das „Warum“ und die Strategien zur Bekämpfung dieser Partei, die in Teilen faschistisch angehaucht ist und völkischem Wahn das Wort redet. Was ist geschehen, dass diese fast explosionsartige Entwicklung ermöglicht hat?
Corona, Krieg in der Ukraine und die wirtschaftlichen und energiepolitischen Folgen sowie der erneute unkontrollierte Zustrom von Flüchtlingen haben in der Bevölkerung eine enorme Verunsicherung ausgelöst. Politische Schaukämpfe innerhalb der Koalition und mit der Opposition haben den Eindruck der Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit der „Altparteien“ stark beeinträchtigt. Die Politik der ruhigen Hand der Regierung ist zwar durchaus richtig und sachgerecht, wird aber nicht richtig vermittelt.
Ein Blick zurück in die Zeit der Weltwirtschaftskrise in den frühen dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erleichtert die Analyse der Ursachen, für die Bereitschaft radikale Parteien zu wählen.. Die gemäßigten Parteien in der Weimarer Republik hatten mehrheitlich unter dem Druck der Situation und den Verwerfungen nach dem verlorenen Krieg und der enormen Arbeitslosigkeit versagt und alle Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung verloren. Die NSDAP konnte mit einfachen Botschaften, wie heute die AfD, Lösungen für die Misere anbieten. Nur Bruchteile der Wählerschaft hatte Hitlers „mein Kampf“ gelesen und sich deshalb ein realistischen Bild über die Ziele dieser Partei bilden können. Der Weg in das Verhängnis war vorgezeichnet.
Direkte Erinnerungen und Eindrücke der Naziherrschaft und der Verheerungen des 2. Weltkriegs sowie aus der unmittelbaren Nachkriegszeit haben statistisch gesehen nur noch ca. 20 % der jetzigen Bevölkerung in Deutschland. Faschismus in seinen modernen Ausformungen ist folglich für die übergroße Mehrheit ein abstraktes Wesen mit geringem Abschreckungspotential. Dies gilt erst recht für bildungsferne Schichten, die Politik eher aus dem Bauch heraus verstehen. Daraus ergeben sich Ansätze zum Vorgehen gegen die Strategien der AfD. Deren populistische Hetze ist nicht mit gleicher Münze zu bekämpfen. Aufklärung und Erläuterungen über die programmatischen Aussagen der Postfaschisten sowie nüchterne Gegenüberstellung der Politikentwürfe der demokratischen Parteien sind ein Gebot der Stunde. Rückkehr zur rein sachlichen und für die Wählerschaft nachvollziehbaren Auseinandersetzung zwischen Regierung und Oppositionsparteien ein weiteres. Verzicht auf parteipolitische Profilierung innerhalb der Regierungskoalition ist das dritte Gebot. Und nicht zuletzt muss die Regierungsarbeit endlich klarer und verständlicher kommuniziert werden. Letztlich wird der Wert einer erfolgreichen Regierungsarbeit die Kreuze auf dem Wahlzettel bestimmen
Und schließlich: Wer will sich eigentlich wirklich die blonde Großdeutsche Alice Weidel als potentielle Kanzlerin vorstellen?
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