Es gibt alten Wein in neuen Schläuchen, jungen Wein in alten Schläuchen und alten Wein in alten Schläuchen. Spiegel online probiert es heute mit der letzten Variante. Zu lesen ist: „Im Osten Deutschlands verschmolzen Kommunisten und Sozialdemokraten vor genau 75 Jahren zur SED. Die erhoffte Einheit der Linken endete bald im Stalinismus. Aber war es wirklich eine »Zwangsvereinigung«?
War es wirklich eine Zwangsvereinigung? Ja, was dachten sich die „Sozis“ denn dabei, mit den Kommunisten gemeinsame Sache zu machen? Waren die dumm? Waren die naiv? Oder wollten die gar gemeinsame Sache mit Ulbricht und anderen machen? So beginnt mal wieder eine Art Geschichtsrevisionismus auf der linken Seite der deutschen Vergangenheit.
Am besten ist ja in solchen Angelegenheiten auf das zu schauen, was man weiß. In Berlin-Spandau findet man neben dem Juliusturm am Falkenseer Platz eine Gedenktafel, die an den Polizeioffizier Karl Heinrich erinnert. Heinrich stammte aus München, Er wurde 1919 mit 29 Jahren Sozialdemokrat, er stieg in Brandenburg zum Polizeimajor auf, war stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion „Linden“. Er verteidigte den Reichstag, das Parlament gegen jegliche gewalttätige Angriffe, was ihm durch Gauleiter Goebbels den Namen „Knüppel-Heinrich“ einbrachte; eine Bezeichnung, die von den KPD-Leuten Berlins gern übernommen wurde. Der Reichsbanner-Mann Heinrich ging nach 1933 in den Widerstand – das Wort ist gerechtfertigt -, er wurde vom sogenannten „Volksgerichtshof“ zu Zuchthaus im Zuchthaus Brandenburg verurteilt, von dort wurde er ins KZ Aschendorfermoor gebracht, 1942 als Schwerkranker entlassen.
Die sowjetische Militäradministration setzte ihn nach Kriegsende als Chef der Berliner Schutzpolizei ein. Er wurde freilich bereits im September 1945 wieder abgesetzt, nach Diffamierungen, er habe im KZ Kameraden verraten und geschurigelt. Er wurde schließlich im NKWD-Lager Hohenschönhausen festgesetzt, wo er am 3. November 1945 starb, weil ihm überlebenswichtige Medikamente verweigert worden waren. Der Historiker Peter Erler schrieb: “Das NKWD gab als Todesursache lapidar `Paralyse lebenswichtiger Organe an.“ (Peter Erler: Polizeimajor Karl Heinrich. NS-Gegner und Antikommunist. Jaron Verlag 2007). In Berlin wusste die SPD darüber Bescheid, was von denen zu halten war, die eine Einheitspartei anstrebten. Und auch in den alten sozialdemokratischen Regionen Sachsen oder Thüringen und Brandenburg war im Frühjahr 1946 für die meisten „Sozis“ klar: mit denen nicht. Es besteht also kein Grund zu revisionistischen Munkeleien.