Die erste große Liebe im realen Leben eines Mannes meines Alters (69) ist in der Regel ein Playboy- Model, eine Tanzstunden- Partnerin oder die Mischung aus beiden (in der Phantasie) gewesen. In der Politik, für die ich mich früh interessierte, war es eine Partei, die damals, Ende der 60er und dann in den frühen 70ern den verruchten Hauch des „Linken“ in sich barg. Sie hieß SPD, ihr Hoffnungsträger Brandt hatte dreimal, 1961, 1965 und dann erfolgreich 1969 einen Anlauf genommen, Kanzlerin zu werden. (In Vor- Gender- Zeiten nannten wir das noch Kanzler).
Er galt als links, weil er mehr Demokratie wagen wollte und weil er der erste Kandidat für dieses Amt war, der aktiv im Widerstand gegen das verbrecherische Deutschland der Jahre 1933-45 gekämpft hatte. Was ihm im miefigen Adenauer- Deutschland eher als Schande ausgelegt wurde, zumal er ein uneheliches Kind war.Links war er nie, eigentlich eher ein Linkenfresser, aber einer mit mehr Charakter als alles, was ihm in der SPD nachfolgen sollte.
Warum ich auf einmal diese alten Nostalgie- Kamellen raushole? Ich habe lange nicht mehr die SPD gewählt, aber niemand vergisst die erste Liebe seines Lebens. Und dann denke ich mir: Haben sie das wirklich verdient, diese 8,4% in Sachsen- Anhalt, vorher diese 8,2 in Thüringen und 7,7 in Sachsen? Und im Bund? Da macht der Hubertus Heil einen, gemessen an der SPD-Größe innerhalb der GroKo, verdammt guten Job und holt soviel raus, daß man sich wundert. Aber es wird ihnen nicht gedankt, den Rahm hat bisher Merkel abgeschöpft, bald wird es Laschet sein.
Die Ursachen liegen wesentlich tiefer und sind vor Jahrzehnten schon entstanden. Seit dem Abgang Brandts 1987 als Parteivorsitzender hat es so viele Nachfolgerinnen und -folger gegeben, daß selbst ich, und ich bin stolz auf mein gutes Gedächtnis, die alle nicht auf Anhieb auf die Reihe kriege. Und trotzdem wurden sie 1998 wieder Regierungspartei, aber eigentlich eher, weil selbst die treuesten der Getreuen den wabernden Oggersheimer satt hatten. Aber dessen Nachfolger tat auf einmal Dinge, an die Kohl sich niemals getraut hätte. Der erste deutsche Kriegseinsatz seit 1945 anno 1999 in Jugoslawien, der Umbau des Sozialsystems, sinnigerweise benannt nach einem rechtskräftig Verurteilten (Peter Hartz) und ab 2006 die Nachkanzlertätigkeit als gutbezahlter Pipeline- Wächter eines lupenreinen Demokraten.
Aber trotzdem schafften sie es (bis auf 2009-2013) in der neuen CDU- Ära immer wieder an den Fleischtöpfen der Macht mitessen zu dürfen. Aber sie leisteten sich in einer Zeit, in der nicht mehr die Wochenschau regelmäßiges Staatsfernsehen veranstaltet, eine Peinlichkeit nach der anderen an der Spitze, und das beobachtet man inzwischen sehr genau. Gut gemeint war der letzte Versuch, sich oben wieder einen linken Anstrich zu geben, und sicher sind Frau Esken und Herr Borjahns ehrenwert bemüht.Aber das kommt alles so gestelzt rüber und unfreiwillig komisch wie Buster Keaton oder Pat & Patachon.
Und, wenn ich mir schon die Frage stelle, warum Scholz (ein Synonym für Don Quichotte) als Kandidat ins Rennen geht und nicht zusätzlich auch Lindner, dessen Partei dieselben Umfragewerte hat, sagt das eigentlich alles aus, was ein fast 70-jähriger über seine erste große Liebe sagen kann….
Bildquelle: Pixabay, Bild von Momentmal, Pixabay License