Die Geschichte, was mit einem gestürzten Diktator geschehen könne, ist lange her. Fast vergessen. Damals, 1990, fand ein ehemaliger Machthaber namens Erich Honecker zusammen mit seiner Frau Margot ausgerechnet bei einem Mann Unterschlupf, der in seinem Staat nicht viel zu melden hatte, mehr noch, dem das Regime immer wieder gezeigt hatte, wie brutal es mit denen umging, die nicht nach der Pfeife der SED tanzten. Aber der evangelische Pfarrer ist ein wirklicher Christ und für ihn gilt Barmherzigkeit und Vergebung und nicht Rache, obwohl er Gründe hatte, es den Honeckers zu zeigen, hatten doch Erich Honecker, der damals ziemlich Allgewaltige in der DDR und sein System und seine Frau, die unbarmherzige, gnadenlose Bildungsministerin Margot Honecker dafür gesorgt, dass die Kinder des Pfarrers nicht studieren durften. So war das im Unrechtsstaat DDR, was sie immer noch nicht gern hören die früheren SED-Leute, die dann zur PDS mutierten, aus der dann die Linke wurde. Aber es war so, das Recht des Stärkeren, gemeint die SED, die Stasi, die Honeckers, die Mielkes entschieden, was Recht war. Und sie hatten immer Recht, weil sie es sich nahmen und gegen die anderen entschieden, die anderer Meinung waren. Und als ich den Film sah, kamen mir ein anderer Herrscher in den Sinn, einer wie Putin in Moskau, den man zum Teufel wünscht, weil er einen Angriffskrieg angezettelt hat, um das sogenannte Bruderland Ukraine an den Boden zu bomben und alles in Schutt und Asche zu legen. Putin, der sich das alte sowjetische System zurückwünscht, die Weltmacht Sowjetunion, ohne Freiheiten für Jedermann. Und was würde denn Putin machen, wenn man ihn absetzte und er diesen Sturz überlebte? Seine wenigen Freunde sitzen in Nordkorea, Belarus, Eritrea und in Syrien, alles nicht sehr einladend, und wer weiß, ob ihm die Herrscher der erwähnten Staaten die Tür öffnen oder eher vor der Nase zuschlagen würden. Wenn die dann noch leben?! Fände er einen Pfarrer, der ihn aufnehmen würde? Trotz allem ihm Asyl geben würde, ein Zimmer, der mit ihm frühstücken würde? Die übrige Welt ist für Putin versperrt, da ist er ein Geächteter, ein Kriegstreiber, ein Mörder. Ja. Kohl weilte in Warschau Zurück zu Honecker und dem Pfarrer. Wer diesen Film im ZDF sah und die Geschichte damals, vor 32 Jahren, noch im Gedächtnis hat, den Fall der Mauer, den niemand auf dem Schirm hatte. Bundeskanzler Kohl weilte an jenem 9. November 1989 in Warschau, man saß zu Tisch bei den polnischen Gastgebern um Tadeusz Mazowiecki, als es passierte und Kohls Getreuer Eduard Ackermann hatte Mühe, seinen Kanzler vom Tisch ans Telefon zu lotsen, um ihm die Sensation mitzuteilen. Am anderen Ende der Leitung zögerte Helmut Kohl, er war sich nicht sicher, ob die in Bonn nicht irgendwas getrunken hatten. „Herr Bundeskanzler, das Fernsehen überträgt live“, sagte Ackermann. Ich erzähle diese Geschichte, weil sie damals so unvorhergesehen passierte wie jene unglaubliche Randnotiz um die Honeckers 1990, zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung. „Wenn ich Ihnen erzähle, dass ein gestürzter Diktator ausgerechnet beim Geringgeschätztesten seines unterdrückten Volkes um Hilfe bitten muss- Sie würden es für ein schönes Märchen halten. Doch das hat es tatsächlich gegeben.“ So hat es der Schauspieler und in diesem Fall Regisseur des Streifens, Jan Josef Liefers, erzählt und damit seine eigene Faszination zum Ausdruck gebracht. Man muss dazu wissen, dass Liefers, der aus Dresden stammt, ein Mann ist mit Zivilcourage. Damals, am 4. November 1989, nahm er an der Großdemonstration auf dem Alexanderplatz in Ostberlin teil und hielt dort eine Rede. Das war nicht selbstverständlich, nicht ohne Risiko. Der Film fußt auf einer Tatsache. Die Honeckers sind entmachtet, die Siedlung Wandlitz, wo die gesamte Macht-Clique wohnte, war aufgelöst, sie sind obdachlos und finden Unterkunft bei einer evangelischen Pfarrersfamilie im Lobetal nördlich von Berlin. Ausgerechnet. Der Pfarrer muss sich verteidigen gegenüber seinen Kirchenoberen wie gegenüber dem Mob, der mit brennenden Fackeln vor dem Zaun seines Grundstücks steht und brüllt und im Grunde Honecker hängen sehen will. Wie können Sie nur? sind Fragen, die der Pfarrer beantworten muss. Seine Antwort klingt wie aus der Bibel: „Wenn wir Barmherzigkeit predigen, dann müssen wie sie auch leben. Selbst wenn es schwerfällt.“ Die Toten an der Mauer Die Honeckers treten als ruhige Gäste auf, bieder, höflich. Erich Honecker will dem Pfarrer 30 DM Miete bezahlen für das Zimmer, das eines der Pfarrers-Kinder für die Gäste freigemacht hat. Da wird Honig im originalen Langnese-Glas serviert, jeden Morgen gibt es frisch gepressten Zitronensaft für den an Nierenkrebs erkrankten einstigen SED-Generalsekretär. Margot Honecker wird beim Wischen der Treppe gezeigt, bei gemeinsamen Spaziergängen will der Pfarrer von Erich Honecker wissen, ob es denn nichts zu bereuten gebe. Und er erhält später die Antwort: „Jeder macht Fehler, die muss man nicht bereuen, wenn man aus ihnen gelernt hat“, antwortet Margot. „Aber Hunderte Menschen starben allein an den Grenzen“, wirft der Pfarrer ein, worauf sie ungerührt antwortet: „Die hat keiner gezwungen. Jeder wusste, dass Republikflucht strafbar ist.“ Der Pfarrer versucht seinen Gast zu missionieren, bei Tisch wird sogar gebetet. Der Pfarrer redet von Barmherzigkeit, Honecker von Solidarität, der Pfarrer erwähnt die vielen Menschen, die Opfer der Stasi wurden, Honecker reagiert darauf mit dem Satz: „Wer nichts zu verbergen hatte, hatte auch nichts zu befürchten.“ Irgendwann sagt Erich Honecker angesichts der wütenden Menge draußen vor dem Zaun: „Sollen sie mich doch erschießen wie den Ceausescu. Mir ist das egal.“ Zur Geschichte um Erich Honecker gehört noch der Prozeß wegen der Mauertoten 1992. Nach 169 Tagen in Untersuchungshaft wurde das Verfahren gegen den 80jährigen Honecker wegen seines Gesundheitszustandes eingestellt. Noch am selben Tag flog er nach Chile, wo seine Frau ihn erwartete. 1994 starb er dort, Wie im „Spiegel“ zu lesen war, sind die Urnen der Honeckers nicht in Chile beigesetzt, das habe der Enkel Roberto dem Magazin verraten. Erich Honecker habe sich immer eine Beisetzung auf dem Sozialisten-Friedhof in Berlin-Friedrichsfelde gewünscht. Die Eltern von Erich Honecker liegen auf einem Friedhof im saarländischen Neunkirchen, dem Geburtsort von Erich Honecker.
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