Er hat immer schon gern von Tabus geredet, die man brechen müsse, auch schob er gern die Sache mit der Leitkultur ein, die Migranten in Deutschland zu beachten hätten. Friedrich Merz tritt gern als eine Art Oberlehrer auf, auch in der Debatte um die Merkel-Nachfolge in der CDU. So wirkt er auch durch seine Körpersprache. Er ist kein Mann des Volkes. Im Rennen um den CDU-Vorsitz ist der Mann aus dem Sauerland ins Hintertreffen geraten, weil er halt ein gern gesehener Vertreter der Wirtschaft ist. Dabei hat Merz vergessen, dass die Vertreter der Wirtschaft nur eine Gruppe innerhalb der CDU darstellt, nicht einmal die größte, aber, wenn man deren Medien-Aktivitäten betrachtet, sicher die einflussreichste, die mit dem dicken Geld. Klar, sie haben den Zugang zu den Verlagen, zu Funk und Fernsehen, sind gewandt im Auftreten. Aber die CDU ist eine Volkspartei, Herr Merz, und dort spielt das soziale Element eine wichtige Rolle. Wie es übrigens schon Ludwig Erhard getan hatte vor Jahrzehnten. Der legendäre Wirtschaftsminister sprach immer von der sozialen Marktwirtschaft. Das macht den Unterschied zu den Kapitalisten, zu den Marktradikalen, zu den Millionären.
Der Kandidat Merz hat wohl auch weniger eingeschätzt, dass er einige Jahre aus der Politik raus war, dass andere nach vorn gekommen sind in der CDU. Er hatte sich freiwillig zurückgezogen, als Angela Merkel ihren Anspruch auf den Fraktionsvorsitz anmeldete. Nein, noch einmal, Merkel hat ihn nicht weggebissen, wie ihre Kritiker gern einwerfen, Merz hat gekniffen. Das halten ihm einige vor, dass er damals nicht gestanden habe, als es darauf ankam. So etwas macht sich nicht gut.
Wenn die Asyl-Debatte zur Schaunummer wird
Und dann die Sache mit dem Asyl. Da preschte er wider besseres Wissen vor und erklärte, man müsse über das Asylgrundrecht reden, ob es noch in dieser Form Bestand haben könne. Wir bräuchten eine europäische Lösung. Als wenn es das nicht längst geben würde. das deutsche Asylrecht steht dem europäischen nicht im Wege. Einen Tag später musste er zurückrudern, zum Mitschreiben erklärte er, das Grundrecht auf Asyl werde nicht geändert. Was bezweckte er mit dieser Schaunummer? Und es war doch reine Schau, er wollte Eindruck erwecken in der Öffentlichkeit, sich absetzen von den Mitbewerbern, in der Flüchtlingsdebatte punkten. Er glaubte wohl, seinen konservativen Freunden etwas nach dem Mund reden zu müssen. Peinlich für einen Möchtegern-CDU-Vorsitzenden, der auch Kanzler werden möchte. Er hätte besser geschwiegen.
Was man ihm vorwerfen muss, ist die Geschichtsvergessenheit, die sich dahinter verbirgt. Die SZ zitiert Merz aus dem Jahr 2000, als er in einem Interview betonte: „Unsere Generation will sich nicht mehr derart in Haftung für unsere Vergangenheit nehmen lassen“. In der Debatte über das Asylrecht müssten „wir uns von den Erfahrungen des Nationalsozialismus lösen“. Deutschland brauche Zuwanderung von Menschen, die „wir haben wollen“, was voraussetze, „dass wir sagen, wen wir nicht haben wollen.“ Die Bundesrepublik habe dazu wegen der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus nicht den Mut gefunden. Den Mut, Merz die Stirn zu bieten, hatte damals der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel. Er hatte Merzens Äußerungen als „Schlag ins Gesicht der Opfer und Überlebenden des Nazi-Regimes“ bezeichnet.
Die Grünen und das Lebensgefühl der Menschen
Wenn man die Grünen beobachtet, ich habe das im bayerischen Wahlkampf mehrfach getan, begegnen einem zumeist jüngere Zeitgenossen, die einen anlächeln. Sie wollen nicht mehr wie einst eine problembeladene Partei sein, die streitet und streitet, nein, fröhlich geht es zu, man erweckt den Eindruck, als wollte man die Sorgen der anderen weglächeln. Die schweren Themen überlässt man gern den anderen, der SPD, der CDU, selber bedient man lieber ein modernes Lebensgefühl. Spaß soll es machen und das sollen alle sehen. Lifestyle heißt diese Art des Politikstils, der auch ankommt. In Bayern haben es die Grünen auf Platz Zwei geschafft, aber nicht in die Regierung. CSU-Ministerpräsident Markus Söder zog dann doch lieber die Koalition mit den Freien Wählern vor. Vielleicht aus Sorge, die Grünen würden ihm wegen ihrer Unbekümmertheit, ihres lockeren Auftretens die Schau stehlen.
Einer wie Grünen-Chef Habeck gefällt den Medien, er spielt das Spiel auf der Bühne mit. Hartz-IV möchte er am liebsten absetzen, abräumen, eine Grundsicherung ohne das Kontroll-, Sanktions- und Abmahnsystem soll es richten. Habeck weiß, wie schwer die SPD sich mit Hartz IV tut, er weiß, dass die SPD durch die Agenda 2010 von Gerhard Schröder fast gespalten wurde, Zehntausende von Mitgliedern verlor und heute bei 14 Prozent in Umfragen dümpelt. Dagegen stehen die Grünen auf Platz Zwei des Ranking mit 22 Prozent, sie sind auf der Überholspur und werden bald die Union eingeholt haben, wenn es so weitergeht. Grundsicherung, das klingt toll, aber mir fällt spöttisch das Motto “ Freibier für alle“ ein. Was eigentlich sagt der Facharbeiter dazu, der täglich zur Arbeit geht und der dennoch keine Reichtümer erwirtschaftet, sondern zumeist gerade über die Runden kommt, weil zum Beispiel die Mieten exorbitant gestiegen und kaum bezahlbar sind?
Nahles: Ziel ist Recht auf Arbeit
SPD-Chefin Andrea Nahles, in der Partei umstritten wie sonst kaum jemand ihrer Amtsvorgänger, hat Habeck auf dem Arbeitgeber-Tag deswegen rangenommen. „Ich bin die Tochter eines Maurers“, erklärte sie zunächst ihre Herkunft. Sie verwies auf den sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose, kritisierte Sanktionen wegen Lappalien und forderte, zwei Millionen Kinder vom Stigma Hartz IV zu befreien. Und dann kam ihr Frontalangriff auf Habeck, der eine bedingungslose Grundsicherung im Wert von 30 Milliarden Euro vorgeschlagen hatte. Nahles: „Unser Ziel ist das Recht auf Arbeit und nicht das Recht auf bezahltes Nichtstun.“ Wer die Grundsicherung in Anspruch nehme, von dem dürfe man erwarten, dass er sich anstrenge, seine Bedürftigkeit zu überwinden. Und wer Regeln absichtlich verletze, müsse mit Leistungssperren rechnen. Fördern und fordern sei weiterhin das Thema. Da ist sie sich mit der Kanzlerin einig. Und die Wählerinnen und Wähler?
Bleiben wir noch einen Moment bei den Grünen und ihrem Lauf, den sie haben, egal, was sie tun. Da gibt es schon Stimmen auch in den Medien, die Volksparteien sollten mal bei den Grünen schauen, wie die das machten. Was machen die Grünen eigentlich besser? CDU und SPD wird immer wieder vorgeworfen, sie seien, auch weil sie seit Jahr und Tag gemeinsam regierten, kaum mehr unterscheidbar, kaum mehr zu erkennen. Also wofür stehen die Grünen? Ein Leser der SZ nahm den so genannten Grünen Markenkern aufs Korn. Die Grünen hätten in NRW als Regierungspartei die Braunkohle nie infrage gestellt. Da ist was dran. Und heute demonstrieren sie an der Spitze mit gegen entsprechende Vereinbarungen. Bei den Jamaika-Sondierungen, so der Leser weiter, sei die Vermögenssteuer ohne nennenswerten Widerstand fallen gelassen worden. Der Grünen Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ein gewisser Herr Kretschmann, hat sich bisher nicht mit der mächtigen Auto-Industrie in seinem Land angelegt. Oder sind einem irgendwelche Angriffe auf Daimler-Benz wegen des Diesel-Skandals, den man Betrug nennen darf, bekannt? Der Leser greift dann den Grünen Verkehrsminister in Hessen an, der gesagt habe, dass er für die Luftreinhaltung des Landes nichts tun könne, wenn die Leute nun mal per Auto zur Arbeit führen. Eines aber beherrschten die Grünen: „die Füße still halten, Fehler machten die anderen. Und im Gegensatz zur politischen Konkurrenz hätten die Grünen ein „hippes und telegenes Führungsduo.“ Da kann man nicht widersprechen.
Wenn der Zug Verspätung hat
Gestern konnte man über die marode Bahn lesen, dass Türen kaputt seien, dann auch mal die Toilette, auch schon mal die Kaffeemaschine, nur jeder fünfte ICE sei ohne Fehler unterwegs. Und heute fuhr ich mit dem Zug von Bonn nach Köln, mit einem RE . Er sollte um kurz vor 12 Uhr mittags am UN-Campus in Bonn losfahren. Dann die erste Durchsage, der Zug verspäte sich um rund fünf Minuten. Na ja, was sind schon fünf Minuten. Die Zeit verging, kein Zug kam, aber die nächste Durchsage, der Zug verspäte sich, müsse einen anderen Zug vorbeilassen. Schließlich fuhr der Zug mit rund 20 Minuten Verspätung Richtung Domstadt. In Köln Süd hielt er wie immer, blieb aber noch länger stehen. Es kam eine Durchsage, der Zug müsse einen anderen Zug vorbeilassen. Minuten vergingen, es kam die nächste Durchsage, irgendein technisches Problem, das ich vergessen habe. Schließlich kam der Zug in Köln mit 31 Minuten Verspätung an.
Als ich das einem Freund erzählte, wartete der mit einer anderen Geschichte auf. Er war auf dem Weg in den Norden der Republik, hatte Fahrkarten gekauft und Sitzplätze reservieren lassen. Der Zug kam, aber nicht die Wagen mit den reservierten Plätzen. Also nahm der Freund mit Frau in einem anderen Wagen Platz. Der Zug hatte dann eine Verspätung von zwei Stunden, ehe er den Zielort erreichte. Fahr lieber mit der Bahn, hieß früher mal ein Werbespruch.
Und wenn ein Flughafen nicht fertig wird
Aber lassen wir den Spott über die Bahn, reden wir über einen Flughafen, der seit Jahren gebaut, der aber nicht fertig wird. Die Rede ist vom Berlin-Brandenburger-Flughafen, kurz BER genannt. Im Tagesspiegel-Checkpoint schrieb Chefredakteur Lorenz Maroldt von einem Veteranen-Treffen im BER-Ausschuß, geladen seien die alten Kombattanten Hartmut Mehdorn, Ex-Geschäftsführer, Horst Amann, Ex-Technikchef. Und dann lieferte Maroldt die Zitate . „Der BER wird ein Schmuckstück, wir machen jetzt fertig.“ Juni 2013. „Wir werden fertiger und fertiger“. Juni 2014. „Wir schaffen das.“ Januar 2015, kurz drauf trat Mehdorn, der flotte Manager, zurück. Das Zitat schenkte Maroldt schmunzelnd der Kanzlerin … Und dann kam der Klassiker von keinem Geringeren als dem Ober-Berliner und einstigen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit: „Wir stehen kurz vor der Eröffnung“. Das war im Mai 2010. Wenn mein Kalender stimmt, haben wir heute Freitag, den 23. November 2018. Übrigens äußerte gestern ein Schauspieler-den Namen habe ich vergessen-, er genieße die Ruhe am nicht fertigen Flughafen BER.
Bildquelle: Wikipedia, Harald Dettenborn, CC BY 3.0 DE