„Lügenpresse“, so skandieren die „Spaziergänger“ auf den Pegida-Demonstrationen.
„Lügenpresse“ wurde von einer „sprachkritischen Aktion“ 2014 zum „Unwort des Jahres“ benannt.
Es gab Stimmen, die meinten, die Entscheidung, „Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres zu küren, sei Wasser auf die Mühlen der Gegner von kritischen Bürgerrinnen und Bürger, die ihr Vertrauen in die Mainstream-Medien verloren haben.
Ich will mich nicht auf den Streit darüber einlassen, ob mit „Lügenpresse“ eine richtige Wahl für ein Unwort des Jahres getroffen wurde, ich möchte vielmehr zunächst begründen, warum ich das Schlagwort „Lügenpresse“ für problematisch, falsch, ja sogar gefährlich halte.
Problematisch halte ich dieses Schlagwort, weil in dem Vorwurf der „Lügenpresse“ die Behauptung mitschwingt, dass man selbst die Wahrheit kenne und dass es eine bestimmbare Macht gebe, die die Wahrheit zu unterdrücken versucht. Wer eine „Gleichschaltung“ der Leitmedien beklagt, müsste auch sagen können, wer den „Schalter“ bedient.
Zugespitzt schrieb der Blogger und Autor Sascha Lobo vor kurzem „Wer „Lügenpresse“ sagt, meint eigentlich: „Die Medien sind nicht bereit, meine extremistische, kompromisslose, ungemäßigte Welthaltung abzubilden. Weil Extremismus und der autoritäre Ausschluss des Anderen Hand in Hand gehen, zielt der Begriff „Lügenpresse“ auch auf den Pluralismus. Wer „Lügenpresse“ schreit, möchte nicht nur seine Interpretation der Realität auch abgebildet sehen – sondern ausschließlich seine.“ (Blätter für deutsche und internationale Politik, 10`16, S. 59 ff. ( 63))
Vierte Gewalt muss sich Kritik stellen
Die pauschale und undifferenzierte Kritik an „den“ Medien halte ich zudem für falsch, weil damit die notwendige Medienkritik eher verhindert oder behindert wird. Man macht es den etablierten Medien damit zu leicht, berechtigte sachliche Kritik abzuwehren und die dringend notwendige Mediendebatte abzublocken. Gerade auch die „Vierte Gewalt“, als die sich die Medien gerne verstehen, muss sich der öffentlichen Kritik stellen – sie hat, wie ich zeigen werde, auch allen Grund Selbstkritik zu üben.
Gefährlich halte ich dieses Schlagwort deshalb, weil man sich durch diesen pauschalen, historisch vorbelasteten Kampfbegriff in die Nähe einer rechtspopulistischen, jedenfalls intoleranten und anti-aufklärerischen politischen Bewegung begibt. „Lügenpresse“ diente auch schon den Nazis zur pauschalen Diffamierung der angeblich vom „Weltjudentum“ gesteuerten Journaille.
Ich verstehe mich als Medienkritiker und unvoreingenommener Zweifler an der Mainstream-Medienberichterstattung, aber ich bin nicht feindselig den etablierten Medien und schon gar nicht den Journalistinn/en gegenüber, wie es viele derjenigen sind, die auf ihren Umzügen „Lügenpresse“ brüllen und Empörung und Ressentiments gegen die etablierten Medien schüren. Wer sich gegen das Schlagwort der „Lügenpresse“ wendet, will damit unsere Leitmedien ja nicht umgekehrt als „Wahrheitspresse“ verteidigen.
Statt also mit pauschaler Kritik will ich (I.) an Hand einiger weniger Beispiele belegen, wie und wo nicht nur nach meiner Meinung die Medien versagten und ihre „Wächterrolle“ in der Demokratie nicht erfüllten. Und danach (II.) will ich den Versuch machen, nach Gründen für dieses Versagen zu suchen. Schließlich (III.) möchte ich die Frage aufwerfen, ob das Internet, also „Soziale Medien“ und Blogs der Meinungsvielfalt dienen oder sie wieder herstellen können.
Medienversagen
Allein in diesem Jahr gab es zwei historisch zu nennende Ereignisse, bei denen die veröffentlichte Meinung auch und nicht nur in Deutschland ziemlich weit weg von der Wirklichkeit lag: Nämlich bei der Volksabstimmung über den Brexit und bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl.
Die allermeisten deutschen Medien gingen davon aus, dass im Vereinigten Königreich die „Remainer“ eine Mehrheit gewinnen würden. Und entgegen ihrer eigentlichen Aufgabe – nämlich der distanzierten und kritischen Beobachtung der Wirklichkeit – wurde in den meisten hiesigen Medien nicht nur in Kommentaren, sondern auch in der Berichterstattung für den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU geworben. Kaum ein reichweitenstarkes Medium in Deutschland rechnete mit einem „Brexit“.
Ähnlich neben der Realität lag auch die Berichterstattung über den Wahlkampf in den USA. Bei durchaus auch zu lesender Kritik an ihrer Person und ihrer politischen Rolle war die Erwartung nahezu aller deutschen Medien, dass Hillary Clinton den Wettlauf gewinnen würde. Noch bis tief in die Wahlnacht hinein, wurde auf den öffentlich-rechtlichen TV-Sendern für Hillary Clinton geworben, gerade so, als würde sie bei uns im Lande zur Wahl stehen und als müsse Deutschland zur Sicherung seiner Interessen zu ihren Gunsten Partei ergreifen.
Trump wurde nicht ernst genommen
Die gehässigsten, abstrusesten oder bizarrsten Aussagen von Donald Trump wurden von den meisten Medien begierig aufgegriffen, er wurde als unseriös, tölpelhaft, sexistisch, chauvinistisch oder einfach nur als populistisch kritisiert.
Kurz: Die Medien haben ihn zwar beim Wort, aber nicht ernst genommen.
Etwa dass er illegale mexikanische Einwanderer pauschal als „Korrupte, Kriminelle oder Vergewaltiger“ beschimpfte, die er in Busse verfrachten und aus dem Land werfen werde. Oder dass er eine 3000 Kilometer lange Mauer entlang der mexikanischen Grenze bauen lassen werde, die Mexiko zu bezahlen habe. Er kündigte an, die Einreise aller muslimischen Einwanderer zu verbieten und er beleidigte die Eltern eines im Irak gefallenen muslimischen US-Soldaten. Er kritisierte die Entscheidung das Obersten Gerichtshofs, dass die gleichgeschlechtliche Ehe ein Verfassungsrecht sei. Er sprach vom „Betrug“ des Klimawandels, der von den Chinesen betrieben werde, um den US-Firmen ihre Wettbewerbsfähigkeit zu nehmen.
Die meisten Journalisten haben Trump aber schon deshalb angegriffen, weil er massive Medienschelte betrieb. Zitat Trump: „Ich bin nicht mit Hillary Clinton im Wettbewerb, sondern mit den korrupten Kommunikationsmedien“.
Die allermeisten deutschen Medien waren geradezu überrumpelt und schockiert über den Wahlausgang und hatten dafür zunächst keine Erklärung.
Fehleinschätzung der Wahl in USA
Sowohl die Fehleinschätzung bei der Wahl in den Vereinigten Staaten als auch bei der Volksabstimmung über den Brexit sind Belege dafür, dass die Medien bei ihrer wichtigsten Aufgabe versagt haben, nämlich ein realistisches Bild der Wirklichkeit zu zeichnen. Echter Qualitätsjournalismus sollte Distanz halten und sich nicht gemein machen mit einer Sache; auch nicht mit einer guten. So formulierte es einst der Tagesthemen-Moderator Hans Joachim Friedrichs.
Statt sich an der Gesellschaft zu orientieren, politische Themen aus dem Alltag der Menschen zu schöpfen oder soziale Fragen aufzuwerfen, konzentriere sich der politische Journalismus auf das öffentliche Handeln der politischen Prominenz. „Die im Dunkeln sieht man nicht“, heißt es schon in Brechts Dreigroschenoper. Die Grenzen der Gesellschaft seien für viele Redaktionen die Grenzen des eigenen Zeitungspapiers, schreibt Stefan Schulz in seinem vor kurzem erschienen Buch „Redaktionsschluss“ (München 2016, S.103).
„Leipziger Journalismus-Forscher haben 235 Journalisten in Tageszeitungen, Hörfunk, Fernsehen und Online-Redaktionen beobachtet und festgestellt, dass diese pro Tag im Schnitt noch 108 Minuten für sogenannte Überprüfungs- und Erweiterungsrecherchen aufwenden. Für die Kontrolle der Glaubwürdigkeit und Richtigkeit von Quellen bleiben gerade elf Minuten. Raus in die weite, wirkliche Welt kommen sie gar nicht mehr. Der Anteil der Ortstermine und leibhaftigen Begegnungen an der knappen Recherchezeit beläuft sich auf unterirdische 1,4 Prozent. Der deutsche Journalist, so könnte man folgern, ist der Letzte, der mitkriegt, was in Deutschland los ist.“ (zitiert nach Brigitte Baetz )
Ein weiteres Beispiel für Meinungsmache, genauer für die Einseitigkeit der Berichterstattung, ist die Darstellung der Krise in der Ukraine. Für nahezu sämtliche Leitmedien ist Putin geradezu die Inkarnation des Bösen, er ist an allem Schuld. „Stoppt Putin“ titelten die Bild-Zeitung genauso wie der Spiegel. Und das sogar noch mit dem gleichen Bildmotiv, nämlich mit den Bildern der Opfer des Flugzeugabsturzes. Sie kassierten dafür sogar eine Rüge des Presserates.
Einseitig Stimmung gemacht
Ich brauche mich mit der Aussage, hier sei einseitig Stimmung gemacht worden, nicht auf eine eigene Analyse zu stützen, sondern kann einfach nur den in seiner Kritik gewiss zurückhaltenden „Programmbeirat der ARD“ zitieren:
„Der Programmbeirat kam aufgrund seiner Beobachtungen zu dem Schluss, dass die Berichterstattung im Ersten über die Krise in der Ukraine teilweise den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt hat und tendenziell gegen Russland und die russischen Positionen gerichtet war… Berichtet werden müssen hätte über die Faktoren, die ursächlich am Entstehen der Krise beteiligt waren, darunter die Politik von EU, USA und NATO und deren Interessen gegenüber der Ukraine und Russland. Stattdessen wurde die Verantwortung für die Krise fast ausschließlich der Regierung Janukowitsch und Russland, genauer: Putin persönlich, zugeschrieben. Differenzierte Berichterstattung war das nicht. Eine gewisse Einseitigkeit ließ sich manchmal auch in der Wortwahl erkennen, im mehr oder weniger unterschwelligen Transport von Meinung durch Moderatoren und Reporter und in der Auswahl von Berichtsgegenständen, die selbst in der Zusammenschau aller zehn Ukraine-»Brennpunkte« kein einigermaßen umfassendes Bild der Krise ergaben…“
Nebenbei: Das ZDF, allen voran Klaus Kleber im heute-journal, war noch viel einseitiger als die ARD.
Diese Kritik teilte offenbar auch eine Mehrheit des Publikums:
Nach einer Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag des NDR-Magazins „Zapp“ vom Dezember 2014 hatten 63 Prozent der Befragten wenig oder gar kein Vertrauen in die Ukraine-Berichterstattung deutscher Medien. Jeder Fünfte Befragte ging sogar von einer bewussten Fehlinformation durch die Medien aus:
Versagen des Journalismus
Total versagt hat der Journalismus im Hinblick auf ein anderes historisches Ereignis der letzten Jahre, nämlich im Hinblick auf die Finanzkrise. Auch hier kann ich meine Meinung weitgehend auf die Untersuchungen anderer stützen.
So etwa auf das Ergebnis einer empirischen Studie der Otto-Brenner-Stiftung „Wirtschaftsjournalismus in der Krise“.
Der ehemalige Chefredakteur der Frankfurter Rundschau Wolfgang Storz und der Kommunikationswissenschaftler Hans-Jürgen Arlt haben die Berichterstattung von fünf überregionalen Tageszeitungen, von ARD-Aktuell und der Basis-Nachrichtenagentur dpa über 10 Jahre bis zur Finanzkrise aufgearbeitet.
Fazit dieser Studie:
- Die untersuchten sog. „Qualitätsmedien“ hätten bis 2005 die Mindesterwartungen an journalistische Arbeit nicht erfüllt.
- Erst die globale Krise habe den Wirtschaftsjournalismus zur Beschäftigung mit der Finanzentwicklung gezwungen.
- Die wichtigste Nachrichtenagentur, also die Deutsche Pressagentur, habe sich in der Finanzpolitik nur als offizielles Sprachrohr verstanden.
- Der Wirtschafts- und Finanzmarktjournalismus habe die Distanz zu den Subjekten und Objekten seiner Berichterstattung verloren.
- Das journalistische Verhalten von ARD-Aktuell gegenüber der regierenden Politik könne nur als devot bezeichnet werden. Es gäbe dort viel Börse, aber so gut wie keine Volkswirtschaft.
Der altgediente amerikanische Wirtschaftsjournalist Dean Starkman beschreibt in seinem Buch „The Watchdog That Didn`t Bark“, warum auch der amerikanische Wirtschaftsjournalismus in der Subprime- und Bankenkrise mehr mit dem Schwanz gewedelt als gebellt hat.
Bis heute gab es kaum eine selbstkritische Aufarbeitung dieses Versagens, im Gegenteil, die Bankenskandale wurden in eine Staatsschuldenkrise umgedeutet.
Ein ähnliches Versagen der Medien (und natürlich auch der Politik) können wir angesichts der weltweiten Fluchtbewegungen beobachten, die vor allem seit dem vergangenen Jahr auch in Deutschland angekommen sind. Nach Angaben der UNO-Flüchtlingshilfe befinden sich derzeit fast 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Schon vor 10 Jahren wurden weit über 37 Millionen Flüchtlinge gezählt. Jeden Tag machen sich durchschnittlich über 40.000 Menschen auf den Weg- auf der Suche nach Frieden, Sicherheit und einem neuen Leben.
Die Fluchtbewegung aus dem Irak begann schon vor 12 Jahren mit der Bombardierung Bagdads durch die USA und die „Koalition der Willigen“. Diesem Krieg und den nachfolgenden Unruhen sind 3,2 Millionen Menschen innerhalb des Iraks entflohen und 1,5 Millionen in die Nachbarländer.
Über den Bürgerkrieg in Syrien
Der Bürgerkrieg in Syrien dauert nun auch schon fünf Jahre an. Schon 2012 meldete das UNHCR, dass 300.000 Syrer in Flüchtlingslagern in Jordanien, im Libanon, im Irak und in der Türkei leben mussten, bis 2015 wuchs allein die Zahl der aus dem Land geflohenen auf knapp 5 Millionen. Der Regionalkoordinator des UN-Flüchtlingshilfswerks beklagte schon damals, dass man nur ein Drittel des Geldes zur Verfügung habe, das man eigentlich brauchte, um die Geflüchteten mit dem Notdürftigsten zu versorgen.
Es ging kein Warnruf durch die Medien, als über mehrere Jahre hinweg in immer kürzeren Zeitabständen, sei es das UN-Kinderhilfswerk Unicef, sei es das Welternährungsprogramm WFP oder der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der UN-Flüchtlingskommissar oder die Hilfsorganisation Oxfam Alarm darüber schlugen, dass die Lage der Flüchtlinge in den Nachbarländern des Iraks und Syriens sich mehr und mehr verschlimmerte und die grundlegendsten Überlebensbedürfnisse für Millionen Menschen nicht mehr gewährleistet werden konnten. (Die Süddeutsche Zeitung hat die Liste der Anklagen in einem Beitrag vom 24. September letzten Jahres aufgeführt).
Statt vor Ort oder grenznah zu helfen, ist das Gegenteil passiert: Die Mittel für das UN-Flüchtlingshilfswerks und auch der Europäischen Union und der einzelnen Staaten wurden in den letzten Jahren sogar noch gekürzt. Selbst die Bundeskanzlerin musste eingestehen: „Hier haben wir alle miteinander, und ich schließe mich da ein, nicht gesehen, dass die internationalen Programme nicht ausreichend finanziert sind.“
Es gab also genügend Anzeichen, dass angesichts der dramatischen Situation in den Flüchtlingslagern in der Türkei, im Libanon, in Jordanien, in Pakistan sich die Menschen auf den Weg nach Europa machen würden.
Von der „Wächterrolle“ der Medien war nichts zu hören. Die Hofhunde bellten noch nicht einmal.
Vielzahl von Beispielen
Man könnte noch eine Vielzahl von Beispielen herausarbeiten,
– wo sich die Medien blamiert haben: etwa im Umgang mit den NSU-Morden
– wo handwerklich völlig einseitig vorgegangen wird: Denken Sie nur an die völlig unterschiedliche Tonart in den Sommerinterviews etwa mit Angela Merkel und Sarah Wagenknecht,
– wo Berichterstattung inszeniert wurde, etwa mit dem arrangierten Foto der Staatschef nach dem Attentat auf die Journalisten von „Charlie Hebdo“
– wo sogar – wie nicht nur in der Bild-Zeitung sondern auch bei ARD und ZDF – ein regelrechtes Bashing gegen die Griechen betrieben wurde,
– wo – wie etwa bei TTIP – regelrechter Kampagnenjournalismus betrieben wurde. Erinnert sei etwa auch an die öffentliche „Hinrichtung“ von Andrea Ypsilanti, weil sie ein rot-rot-grünes Bündnis anstrebte oder an die Kampagne für die Einführung der Riester-Rente.
– wo sich eine interessengebundene Abhängigkeit von Journalisten nachweisen ließ, indem z.B. Unternehmen redaktionelle Berichterstattung gekauft haben (Fritz Wolf, OBS Arbeitsheft 84).
Einige Gründe für das Versagen
Ohne Zweifel gibt es in den deutschen Medien, in Zeitungen, Zeitschriften und in den öffentlich-rechtlichen Medien des Öfteren sehr informative und aufschlussreiche Beiträge. Aber dieser kritische Journalismus bestimmt nicht das Gesamtbild der deutschen Medienlandschaft. Solche Einzelbeiträge können insbesondere nicht korrigieren, was wir seit Jahren beobachten müssen:
– Zu beklagen ist der Ausfall von früher einmal einigermaßen kritischen Medien, wie etwa der Frankfurter Rundschau oder der Financial Times Deutschland – die einfach eingestellt wurde –, aber auch der Verlust der Wächterrolle, die etwa der „Stern“ zu Henri Nannens oder der „Spiegel“ zu Rudolf Augsteins Zeiten einnahmen.
– Die prägende Kraft von einigen wenigen Medien, an vorderster Front die Bild-Zeitung und nur etwas verdeckter die „Bild-Zeitung“ der sog. Intellektuellen, nämlich der „Spiegel“, die in vielerlei Hinsicht Kampagnenjournalismus, ja sogar – wie z.B. „Bild“ in der Griechenland -Berichterstattung – üble Agitation betreiben.
Neoliberal geprägte Meinungsmache
Alle maßgeblichen Medien einschließlich der öffentlich-rechtlichen Sender sind in die neoliberal geprägte Meinungsmache eingebunden. (Vgl. Uwe Krüger, Mainstream) Die allermeisten Medien hielten z.B. die so genannten Reformen von Gerhard Schröder durchgehend für richtig. Dass die Löhne möglichst niedrig sein sollen, ist in den Kreisen der führenden Medienschaffenden gängige Münze (zumindest solange es nicht um das eigene Einkommen geht).
– Feststellbar ist eine mehrheitliche Orientierung zumindest der Wirtschaftsredaktionen an den Interessen der Wirtschaft und der Arbeitgeber. Es gibt kaum mehr ein auflagenstarkes Organ, das für Interessen der Arbeitnehmerschaft und gar der Arbeitslosen eintritt.
– In den letzten Jahrzehnten haben sich die Verlage und die von ihnen eingesetzten Chefredakteure mit den wirtschaftlich und politisch Mächtigen geradezu verbündet. Ich nenne hier nur das „Kaffeekränzchen“ Liz Mohn, Friede Springer und Angela Merkel, das sog. „Triofeminat“.
– Ja, noch mehr, einzelne Verlagshäuser versuchen erkennbar oder verdeckt die Politik oder einzelne Politiker aktiv vor sich her zu treiben. Besonders gut beobachtbar etwa beim Sturz von Bundespräsident Christian Wulff und der Werbung für seinen Nachfolger Joachim Gauck. Auch Peer Steinbrück wurde als Kanzlerkandidat der SPD zuerst hochgeschrieben und dann fallen gelassen.
– Wie eng deutsche Spitzenjournallisten mit den Eliten unserer Gesellschaft verbunden sind und wie sehr sich diese Verbundenheit auch in Berichterstattung wiederspiegelt, hat der Kommunikationswissenschaftler Uwe Krüger in einer beeindruckenden empirischen Studie belegt. (Uwe Krüger, Meinungsmacht)
Es gebe eine „kognitive Vereinnahmung“ von Journalisten durch die Eliten. Journalisten mit eliten-kompatiblen Werten und Meinungen hätten höhere Chancen, Zugang zu den höchsten Kreisen zu bekommen, und die Einbindung in das Elitenmilieu verstärke dann über die Zeit hinweg die Konformität. Das heißt zugleich auch: Journalisten mit eliten-kompatiblen Meinungen haben bessere Chancen, Karriere zu machen, denn sie können im eigenen Haus und in der Branche mit exklusiven Informationen und hochrangigen Interviewpartnern punkten.
– Gerade was die Außenpolitik und das heißt vor allem was die Unterstützung der amerikanischen Außenpolitik und der NATO anbetrifft, könne man geradezu von „eingebetteten“ Journalisten sprechen.
Einfluss der Think-Tanks
Krüger nennt etwa den Mitherausgeber der ZEIT, Josef Joffe, den Ressortleiter Außenpolitik von der Süddeutschen, Stefan Kornelius, Klaus-Dieter Frankenberger, verantwortlicher Redakteur Außenpolitik bei der FAZ oder den Chefkorrespondenten von Springers Welt, Michael Stürmer, sie alle seien Mitglieder oder hätten sogar Funktionen bei Think-Tanks wie der Atlantik-Brücke, dem Aspen Institute, der Münchner Sicherheitskonferenz, der Trilateralen Kommission, der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und wie diese Plattformen zur Verbreitung sog. „Westlicher Werte“ und transatlantischer Interessen auch alle heißen mögen
– Der Einfluss der sog. „Transatlantiker“ reicht unmittelbar bis zum Bundespräsidenten. Die Rede von Joachim Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz, in der dieser die militärische Option sozusagen zum Attribut der „Normalität“ Deutschlands erklärte oder auch dessen Rede auf der polnischen Westerplatte zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, entstammen der Feder von Thomas Kleine-Brockhoff, dem früheren „Senior Director for Strategy“ des German Marshall Fund und ehemaligen ZEIT-Redakteurs, der an dem Papier „Neue Macht. Neue Verantwortung“ mitgearbeitet hat, das auch Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen bei ihren analogen Reden über neue internationale Verantwortung Deutschlands inspiriert hat.
– Seit Jahren lässt sich eine Konzentration im Medienbereich beobachten. Für den Stichtag 31. Dezember 2013 hat das Formatt-Institut folgende Konzentrationsentwicklung festgestellt:
- 59,3 Prozent der verkauften Auflage der deutschen (multimedial aufgestellten) Zeitungskonzerne werden von zehn Mediengruppen herausgegeben. Dazu gehören – der Größe nach sortiert – der Springer-Verlag, die Südwestdeutsche Medienholding (Stuttgarter Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Rheinpfalz, Südwestpresse Ulm u.a.); die Funke Mediengruppe (früher WAZ), die Mediengruppe Madsack (Hannoversche Allgemeine Zeitung, Leipziger Volkszeitung, Märkische Allgemeine, Lübecker Nachrichten u.a.), die Mediengruppe DuMont Schauberg (Kölner Stadtanzeiger, Berliner Zeitung, Hamburger Morgenpost, Mitteldeutsche Zeitung u.a.), die Verlagsgruppe Ippen (Münchner Merkur, Hessisch-Niedersächsische Allgemeine), die Verlagsgruppe Augsburger Allgemeine, die Mediengruppe Rheinische Post aus Düsseldorf, die SPD-Medienholding DDVG und die Verlagsgruppe Frankfurter Allgemeine Zeitung.(Bericht zur Medienkonzentration 2015 lfm)
Nur noch monopolartige Strukturen
Nicht zu vergessen, der größte Oligopolist der veröffentlichten Meinung in Deutschland, die Bertelsmann AG, die Gruner + Jahr u.a. „Stern“, „Brigitte“, „Gala“, „GEO“, „Eltern“ etc. beherrscht, sondern auch mit einer Sperrminorität auch direkten Einfluss auf den „Spiegel“ hat – ergänzt um die Meinungsmacht der weltgrößten Buchverlagsgruppe Penguin Random House.
– In den meisten Regionen Deutschlands gibt es nur noch monopolartige Strukturen, oft auch im Verbund Printmedium und Hörfunk sowie Fernsehen. (Siehe z.B. in Köln: Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau, Express, Radio Köln, Center TV, sie alle gehören der Mediengruppe DuMont oder sind von diesem Verlag beeinflusst). Ein vergleichbares Monopol hat die Funke-Gruppe – ehemals WAZ – im Ruhrgebiet. Hinzu kommt die informelle Zusammenarbeit der großen Medienunternehmen.
– Die Kehrseite dieser Konzentration nach außen ist eine scharfe Rationalisierung nach innen.
– Der Verlust an Vielfalt ist am wenigsten den Journalisten anzulasten. Zahllose Stellen sind weggespart worden. Im Oktober 2014 waren über 5.000 Journalistinnen und Journalisten bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitslos gemeldet. Die Zahl der Arbeitssuchenden wuchs auf 9.700.
– Immer schlechter bezahlte und gestresstere Journalisten stehen unter dem Druck von immer besser ausgestatteten Kommunikationsabteilungen der Wirtschaft und von Lobbyisten. 30.000 bis 50.000 PR-Mitarbeitern stehen hierzulande rund 48.000 hauptberufliche Journalisten gegenüber. Während die Zahl derjenigen, die vom Journalismus überhaupt noch leben können, zurückgeht, steigt die Zahl der PR-Beschäftigten .
20.000 Lobbyisten in Brüssel
In Brüssel gibt es schätzungsweise etwa 20.000 Lobbyisten. Fachleute schätzen die Zahl professioneller Lobbyisten allein in Berlin auf 5000, Tendenz steigend. In den 70er-Jahren waren es in Bonn gerade mal 600.
– 80 % der Zeitungsinhalte beruhen auf Ideen und Initiativen von PR-Agenturen, 62% von den Regierungen (Stefan Schulz, a.a.O. S. 214).
– Bei sinkendem Einkommen seine Unabhängigkeit zu behalten, ist nicht leicht. Zumal in der PR-Wirtschaft wesentlich höhere Honorare gezahlt werden. Nicht wenige freie Journalisten stocken deswegen ihr Einkommen mit Aufträgen aus der Werbung auf.
– Die schlechte Bezahlung von jungen Journalisten macht inzwischen sogar der Politik Sorgen. In einem von allen Parteien getragenen Antrag im Hessischen Landtag wird festgestellt, dass 27 der 33 hessischen Tageszeitungsverlage aus dem Flächentarifvertrag ausgestiegen sind.
– Die Sorge um den Arbeitsplatzverlust zwingt zur Anpassung an die Tendenz der Verlage und die Vorgaben der Redaktionsleitungen.
– Es wird – auch aufgrund von Arbeitsverdichtung – nur noch nachgeschrieben, was die anderen schreiben. So greift der – wie ihn schon Tucholsky nannte – „Papageienjournalismus“ immer mehr um sich.
– Die vom Fernsehen ausgehende Personalisierung und damit Boulevardisierung von Politik und das in den Bildmedien gepflegte „Kurz und Klein“ der Berichterstattung setzt sich immer mehr durch. Das Aktuelle gewinnt immer mehr Überhand vor dem Wichtigen. Die Betrachtungsweisen werden damit immer oberflächlicher. Es gibt immer mehr Einheitsbrei und damit für die Leser/innen immer weniger Grund sich überhaupt eine Zeitung zu kaufen.
Immer dieselben Ökonomen befragt
– Wenn man nur auf die Mainstream-Medien schaute, könnte man den Eindruck gewinnen, dass es in Deutschland nur ein paar Dutzend Ökonomen mit Reputation gäbe. Es werden immer dieselben gefragt und zitiert. Noch schlimmer: sie gehören alle der weitgehend gleichen ökonomischen Glaubenslehre an, die man unter dem Begriff „neoliberal“ zusammenfassen könnte.
– Hinzu kommt das “Agenda-Setting“ durch die zahlreichen Think-Tanks, angefangen von der Bertelsmann Stiftung, über die Stiftung Marktwirtschaft oder dem Kronberger Kreis oder dem Steuerzahlerinstitut, aber auch durch eine Vielzahl interessen- oder ideologiegeleiteter „wissenschaftlicher“ Institute, vom Institut der Deutschen Wirtschaft, dessen Direktor, Michael Hüther auf allen Hochzeiten tanzt, über das Hamburgische Welt-Wirtschaftsarchiv, das von der Deutsche-Post-Stiftung grundfinanzierte Institut für die Zukunft der Arbeit (IZA), dem ehemals vom „klügsten Professor“ (laut Bild-Zeitung) geleiteten ifo-Institut von, Hans-Werner Sinn.Wir sind umzingelt von solchen Think-Tanks, die reflexartig ihre Geschütze in Stellung bringen, wenn die Interessen ihrer Auftraggeber oder ihre neoliberalen Glaubenssätze in Frage gestellt werden.
– Auf dem Feld der Bildung hat die Bertelsmann Stiftung und deren Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ein dichtes Netzwerk finanzstarker Unterstützer: Da ist der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, der Aktionsrat Bildung der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., das Institut der deutschen Wirtschaft oder die McKinsey&Company, um nur einige zu nennen.
– Wirtschaftsjournalistinnen und -journalisten haben offenbar vergessen oder haben nie darüber nachgedacht, dass die Wirtschaftswissenschaft keine „harte“ Wissenschaft sondern eine Gesellschaftswissenschaft ist, mit zahllosen Schulen und kontroversen Lehrmeinungen. Dass ökonomische Studien einem Erkenntnis leitenden Interesse, ja sogar einem unmittelbaren Interessensbezug auf einen Auftraggeber unterliegen können, scheint in Vergessenheit geraten zu sein.
– Die Zeitungsverlage sind dabei, sich selbst zu strangulieren. Je kleiner die Auflage, je geringer die Werbeeinnahmen, desto kleiner die Redaktionen desto weniger tiefschürfend ist die Berichterstattung, desto geringer die journalistische Qualität und im Ergebnis, desto größer der Verlust an Glaubwürdigkeit und damit wieder der Verlust an verkaufter Auflage.
Vertrauensverlust der etablierten Medien
Laut dem „Trust Barometer 2015“ sank das Vertrauen in die traditionellen Medien binnen eines Jahres seit 2014, in dem sich diese insbesondere mit einer Berichterstattung zu Russland, Ukraine, Griechenland und mit Flüchtlingen beschäftigten um 11 Prozent. (Zitiert nach Stefan Schulz, a.a.O., S. 169)
Weltweit haben 2015 Internet-Suchmaschinen (mit 64 %) zum ersten Mal die traditionellen Medien (mit 62%) als glaubwürdige Quelle abgelöst (Schulz, ebd. S. 157)
Abgesehen von einem anderen Mediennutzungsverhalten spiegelt sich dieser Vertrauensverlust auch in der Zahlungsbereitschaft des Publikums und damit in einem deutlichen Rückgang der verkauften Auflagen der Tageszeitungen wieder. Hatten im Jahre 1991 die Tageszeitungen noch eine tägliche Auflage von über 27 Millionen Exemplare, so lag sie 2016 nur noch bei über 15 Millionen. Die Auflage hat sich also nahezu halbiert. Die Auflage das Flaggschiffes des sog. Qualitätsjournalismus, der FAZ sank in den letzten 5 Jahren am stärksten, nämlich von rund 460.000 im Jahr 2011 auf heute rund 260.000 Stück.
Niedergang der Printmedien
Katastrophenmeldungen über den Niedergang der etablierten Printmedien relativieren sich allerdings, wenn man berücksichtigt, dass FAZ, SZ, Bild oder Zeit & Co etwa ein 10-fach größeres Publikum als über den Zeitungs-Abonnentenkreis über ihre Online-Angebote erreichen. (Was aber nicht viel über die Leseintensität aussagt.)
Fernsehen und Radio sind zwar, was die Nutzungsdauer angeht, nach wie vor die elektronischen Leitmedien.
(Mit einer Nutzungsdauer von 208 Minuten pro Tag (Personen ab 14 Jahre; nur 144 Minuten wenn man die Jüngeren von 14 bis 29 Jahre nimmt), vor allem Radio (173 Minuten, ab 14 Jahre; 137 Minuten der 14-29-Jährigen, siehe: ARD/ZDF Langzeitstudie Massenkommunikation)
Vor allem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genießen mit über 70% die höchste Glaubwürdigkeit unter allen anderen Medien, auch gegenüber dem Internet mit nur 30%. Es besteht jedoch eine riesige Kluft zwischen der bewerteten Glaubwürdigkeit und dem Nutzerverhalten. Und dieses Nutzerverhalten ist gerade für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein gewaltiges Problem: Die Mehrheit der Fernsehzuschauer ist nämlich älter als 65 Jahre. Im Hinblick auf die Angebote von ARD und ZDF spricht man geradezu von einem „Generationsabriss“ (Bernd Holznagel ).
Insbesondere in der Altersklasse der 14-bis 29-Jährigen lässt sich eine zunehmende Präferenz für die Mediennutzung per Internet feststellen. Die Schere der Internet-Nutzung bei den unter 30-Jährigen im Verhältnis zu den Älteren geht immer weiter auf.
Meinungsvielfalt durch das Internet?
Die Kernfrage für die Zukunft ist also, kann das Internet die „Vermachtung“ der veröffentlichten Meinung in den etablierten Medien aufbrechen?
Das Internet böte die historisch erstmalige Möglichkeit, dass nahezu jedermann nicht nur seine Meinungsfreiheit, sondern auch das Grundrecht der Pressefreiheit wahrnehmen könnte – also das unzensierte Veröffentlichen von Informationen und Meinungen .Dank des weltweiten Netzes wäre technisch und finanziell die Pressefreiheit nicht länger nur „zweihundert reichen Leuten“ vorbehalten, wie der Publizist Paul Sethe schon 1965 in einem Leserbrief an den Spiegel schrieb.
Jeder, der sich einen Computer und einen Internetanschluss leisten kann, wäre in der Lage – sei es über „Jedermann-Netzwerke“, die sog. „Sozialen Medien“ (also Facebook, Twitter etc.), sei es mit ein bisschen Einarbeitung unter einer eigenen Domain ein Blog (Weblog, eine Zusammensetzung aus „World Wide Web“ und Logbook.) zu betreiben – und sich mit seiner Meinung an die Öffentlichkeit zu wenden. 76% der Deutschen sind inzwischen Internetnutzer.
Die Radiotheorie Bert Brechts, wonach aus dem Rundfunk als einem Distributionsapparat, der sendet, ein Kommunikationsapparat werden könnte, der empfängt und sendet, könnte Praxis werden. Das Internet hätte das Potential, das Publikum selbst zur „Fünften Gewalt“ (Bernhard Pörksen) zu machen.
Doch wie sieht die Wirklichkeit der Internetkommunikation aus?
Seit den etwa zwanzig Jahren seiner zunehmenden Nutzung zeigte das Internet ein doppeltes Gesicht:
Bis vor wenigen Jahren verband sich damit die Hoffnung auf mehr Kommunikationsfreiheit, gepaart mit der Chance, gegen die von finanzstarken und von ökonomisch Mächtigen beherrschten Massenmedien eine basisdemokratische Jedermanns-Kommunikation aufbauen zu können.
Spätestens seit den Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden im Jahre 2013 galt das Internet jedoch nicht mehr nur als freiheitliches, widerständiges Gegenmedium, sondern auch als Überwachungsmittel für eine umfassende Kontrolle der elektronischen Kommunikation, sowohl durch private Hard- und Software-Oligopolisten als auch durch staatliche Geheimdienste. Die repressive Seite des Mediums kam zum Vorschein.
Und wie die Massenmedien allgemein geriet nun auch die Internetkommunikation selbst unter den Verdacht, der politischen oder interessengebundenen Beeinflussung oder gar als Propagandainstrument zu dienen.
Beitrag zur Meinungsvielfalt
Ohne Zweifel leisten z.B. eine Vielzahl von Blogs einen beachtlichen Beitrag zur Meinungsvielfalt.
Auf der anderen Seite kann man durch die sozialen Medien und mittels der Blogs aber auch eine Tendenz zur Aufspaltung der Öffentlichkeit beobachten, indem sie den diskursiven und pluralen öffentlichen Meinungsaustausch in eine Vielzahl von voneinander abgeschlossenen „persönlichen Öffentlichkeiten“ oder in „Gegenöffentlichkeiten“ auseinanderdividiert. Es gibt die berechtigte Sorge, dass im Internet Vertreter unterschiedlicher Meinung nicht mehr aufeinanderstoßen, weil sich homogene Gruppen von Gleichgesinnten, Deutungsgemeinschaften oder Subkulturen bilden, die sich untereinander oder von der sog. Mehrheitsgesellschaft abkapseln. Man spricht von einem „Echo-Kammer-Effekt“.
Mit dem Begriff virtuelle „Echo-Kammer“ wird beschrieben, dass Informationen, Ideen oder Meinungen innerhalb eines geschlossenen Systems verstärkt und abweichende oder konkurrierende Sichtweisen eher unterbunden werden oder zumindest unterrepräsentiert sind, ja sogar bekämpft werden.
Der „Echo-Kammer“-Effekt ist allerdings nur insoweit der neuen Kommunikationstechnik geschuldet als das Internet einer Vielzahl von Absendern eine Plattform bietet, viel entscheidender für dieses Phänomen ist die menschliche Psyche und darüber hinaus der Algorithmus der Suchmaschinen und der Internet-Dienste.
Die Menschen neigen bekanntermaßen dazu, sich eine Umgebung zu wählen, in der sie sich in ihren Ansichten, ihren Gewohnheiten und Vorlieben akzeptiert und bestätigt fühlen. Das gilt für den Freundeskreis, den man sich auswählt, genauso wie für die Auswahl der Medien die man konsumiert. Man nimmt im Allgemeinen solche Informationen selektiv wahr, die dem eigenen Denkmuster entsprechen. Auch Argumente, die die eigene Position stützen, werden eher aufgenommen als solche, die sie in Frage stellen.
Das psychologische Phänomen der selektiven Wahrnehmung galt natürlich auch schon vor dem Internetzeitalter.
Neu ist daran nur, dass inzwischen eine Vielzahl von Informationsquellen hinzugekommen ist. Der „Stammtisch“ – einstmals auf wenige anwesende Zecher begrenzt – kann sich im Netz wie eine Epidemie „viral“ und mit Lichtgeschwindigkeit verbreiten. Die „Schweigespirale“, wonach Menschen sich mit ihrer Meinung eher zurückhalten, wenn diese einem vorherrschenden Meinungsklima widerspricht, wird in der technischen Distanz des Internets durchbrochen. „Im Vergleich zum Dorftratsch verstärkt sich im Internet die asymmetrische Kommunikation“ meint die Medienpädagogin Sabine Schiffer.
Umzingelt von Freunden
Die Sozialen Medien machen „Freundschaftsangebote“ und man kann „Likes“, also den Gefällt-mir-button anklicken. So wird das Gefühl stimuliert, von Freunden oder Gleichgesinnten umgeben zu sein. Inhaltliche Auseinandersetzungen finden auf Facebook oder Twitter (OBS-Studie: Twitter-Euphorie unbegründet –und mehr Mythos als Realität) kaum statt. Über das „liken“ „sharen“ oder „retweeten“, entstand kein virtueller Raum öffentlicher Beratschlagung.
(Das haben Kristina Beer und Saskia Richter von der Arbeitsgruppe „Politik und Internet“ der Universität Hildesheim in einer Untersuchung festgestellt Überschätzte Debattenkultur: Soziale Medien in Protestbewegungen).
Inzwischen kann man „Likes“ sogar kaufen. Im amerikanischen Wahlkampf sollen sog. „Social Bots“ eingesetzt worden sein. Das sind von Computern erzeugte künstliche Identitäten (Robots), die in Netzwerken wie Twitter oder Facebook massenhafte Zustimmung oder Ablehnung von politischen Meinungen vortäuschen.
Soziale Netzwerke gehen inzwischen über die private Beziehungspflege weit hinaus, sie bestimmen die gesellschaftliche Kommunikation mit. In der Smartphone-Gesellschaft informieren sich immer mehr Menschen über Twitter, Facebook oder andere Jedermanns-Netzwerke. (Facebook hatte 2013 knapp 40 Mio. Besucher LfM-Materialien 31 Marcel Machill, Markus Beiler, Uwe Krüger, Das neue Gesicht der Öffentlichkeit, S. 17)
Die Grenzen zwischen privater und öffentlicher Kommunikation verschwinden
Für viele – vor allem Jüngere, also die sog. „digital natives“ – sind Timeline, Newsfeed oder Messenger App, d.h. die eingehenden Tweets und Botschaften der zentrale, oft sogar der einzige Anlaufpunkt für Nachrichten nicht nur innerhalb von Freundeskreisen, sondern auch für Neuigkeiten aus aller Welt. Sogar für professionelle Journalisten sind die sozialen Netzwerke zu einem Recherchetool geworden (LfM-Materialien 31, a.a.O. S.29).
Kaum jemand ist sich jedoch darüber im Klaren, dass diese Nachrichten, sei es aufgrund der Empfehlungen von Freunden oder vor allem aufgrund von Sortier- und Suchalgorithmen gesteuert werden, die den Usern das zeigen, was sie ohnehin denken – egal was tatsächlich in der Welt vor sich geht.
Von den Internet-Dienst-Anbietern wird nachverfolgt (z.B. über die Suchhistorie im Netz oder durch das Klickverhalten), welche Netzinhalte für den Benutzer wichtig sind oder häufig gesucht werden. Daraus wird berechnet und vorausgesagt und dem Benutzer angeboten, welche Informationen für ihn interessant sein könnten, weil sie mit seinem bisherigen Such- und Nutzungsverhalten übereinstimmen.
Diese Such-, Filter- oder Empfehlungs-Algorithmen („Trending Topics“) der Online-Vermittler (also etwa der Suchmaschinen aber auch Facebooks Newsfeed) gelten bislang als Betriebsgeheimnisse. Die amerikanische Mathematikerin Cathy O`Neil, die lange über Algorithmen geforscht hat, schreibt: „Soziale Medien zeigen ihren Usern Inhalte an, die diese mögen – also verstärken sich die immer gleichen Ansichten.“ (Siehe auch Cathy O`Neil in der taz vom 8.11.2016, S. 7)
Der Internetaktivist Eli Pariser (The Filter Bubble: What The Internet IS Hiding From You, New York 2011) beschrieb schon 2011 den Effekt, dass die Internetnutzer bei der Suche im Internet vor allem „Freunden“ folgen und durch die verborgenen Algorithmen der Suchmaschinen „Follower“ bestimmter Netzinhalte werden, als „Filterblase“.
(Der Experte für Psychometrie an der Stanford Universität Michal Kosinski meint zwar, dass in „Filter Bubbles“ zu leben, „unser natürlicher Zustand“ und nicht schuld von Facebook sei. Aber dass heute sehr genaue Aussagen über jemand getroffen werden können, wenn man mit Hilfe von Algorithmen die Datenspuren im Internet verfolgt, ist erwiesen)
Möglichst viele Follower
Es lässt sich beobachten, dass viele Absender einer Botschaft das Aufmerksamkeitsbedürfnis möglichst vieler „Freunde“ anzusprechen und sich an deren Erwartungshaltung abzuarbeiten versuchen und so im eigenen Netzwerk um möglichst viel Zustimmung werben. Insgeheim ist es eine persönliche Bestätigung, möglichst viele „Follower“ zu haben und man ist stolz darauf, bei Facebook eine große Zahl „erhobener Daumen“ zu sammeln oder viele Empfehlungen bei Google+1 zu erhalten.
Zusammen mit dem psychologischen Phänomen der selektiven Wahrnehmung besteht eine erhöhte Gefahr, dass die Internetuser immer seltener mit anderen Sichtweisen als der eigenen (vielfach im Netz gesuchten) Sichtweise konfrontiert werden. Von Debatten-Kultur kann im Netz allzu häufig nicht die Rede sein.
Der Einfluss von undurchschaubaren Algorithmen für die Trefferlisten der Suchmaschinen und die Auswahl der Botschaften in den Internetdienste sind zu neuen Gatekeepern für öffentlichkeitsrelevante Informationen geworden, sie ersetzen geradezu die redaktionelle Denkarbeit. Facebook sortiere tiefgreifend und blende 4/5 der Inhalte aus und vermittle eine eigene Realität, schreibt Stefan Schulz (a.a.O S. 44).
In den letzten 10 Jahren seien neue Massenmedien entstanden, die zwar keine Redaktionen mehr hätten, aber mittels ihrer Produktmanager, ihrer Softwareentwickler und mit Inhalten, die algorithmisch von anderen übernommen werden, eine eigene Öffentlichkeit schafften. (Stefan Schulz a.a.O. S. 251).
Unmerklich wird manipuliert
Eine Öffentlichkeit, die – anders als im Ideal der Piratenpartei – eben keine „liquid democracy“ schafft, sondern mit ihrer „Eingrenzungslogik“ (Andreas Zielcke) im Gegenteil große Gefahren für den demokratischen Meinungsbildungsprozess mit sich bringt. Man braucht nicht, wie die Internetkritikerin Yvonne Hofstetter gleich das „Ende der Demokratie“ an die Wand malen, aber dass Big Data unser Verhalten und unsere Absichten analysieren kann und uns damit auch unmerklich manipulieren kann, ist nicht von der Hand zu weisen.
Das Internet befördert die Entstehung politischer Parallelwelten und negativer Abgrenzung. „Damit ändert sich der demokratische Prozess und das, was wir unter Öffentlichkeit verstehen – sie fragmentiert und schafft sich ab“. (Cathy O`Neil a.a.O.) An die Stelle politischer Auseinandersetzung tritt die Selbstbestätigung von Gleichgesinnten. Die Folge kann eine Polarisierung sein, Gruppen können in eine Art selbstverstärkenden Meinungsstrudel geraten. Im Netz lässt sich die Stimmung leicht aufheizen und der Filterblasen-Effekt fördert die Spaltung der Communities. Das Netz fördert Gesinnungsgemeinschaften. Eine Wir-gegen-die-Haltung kann entstehen, die sogar Hass sähen und einen Nährboden für Radikalisierung bilden kann.
Das mag zumindest zum Teil erklären, wie aus jungen Männern über das Internet binnen weniger Monate hasserfüllte Gotteskrieger werden können. Und das ist auch eine mögliche Erklärung dafür, dass sich in „Sozialen Medien“ und „Blogs“ eine große Zahl rechtsextremer Aktivisten breit gemacht haben. Jugendschutz.net dokumentierte 2014 über 1.400 rechtslastiger Sites. Verstärkt durch die Fluchtbewegungen des letzten Jahres ist eine nicht mehr überschaubare Zahl „sozialer Medien“ zu asozialen Medien verkommen. Das Internet wurde geradezu zu einem Sammelpunkt für fremdenfeindliche Hetze. Hinter der digitalen Tarnkappe, oft im Schutz der Anonymität werden die Grenzen der strafrechtlich noch zulässigen Meinungsäußerungen massenhaft überschritten und menschenverachtende Meinungen verbreitet, ohne dass die Betreiber der Dienste (bisher) etwas wirkungsvolles dagegen unternehmen.
Mehr politisch motivierte Kriminalität
Auch die Zahl der erfassten Straftaten der politisch motivierten Kriminalität im Internet steigt dramatisch. „Nirgendwo sonst kann in so hoher Zahl offen fremdenfeindliche, antisemitische und islamfeindliche Hetze gefunden werden“ wie im Internet heißt es im Verfassungsschutzbericht 2014 (S.42).
Die im Herbst 2015 eingesetzte „Task Force gegen Hassinhalte im Internet“ konnte bislang nur wenig ausrichten. Wenn auch Facobook von der Bertelsmann-Tochter Arvato mit mehreren hundert „Content-Moderatoren“ nach gemeldeten Gewaltvideos, Kinderpornos und Hasskommentaren durchsuchen und monatlich 100.000 Hass-Botschaften löschen lässt, so werden damit nicht einmal die Hälfte der nach selbst gesetzten Regeln zu löschenden Posts tatsächlich gelöscht. Bei YouTube waren es nur noch zehn Prozent und bei Twitter gerade einmal ein Prozent.
(Siehe zu den katastrophalen Arbeitsbedingungen und den psychischen Belastungen der Mitarbeiter beim Berliner Facebook-Löschzentrum Hannes Grassegger, Till Krause im Süddeutsche Zeitung Magazin Nr. 50 v.16.12.2016, S. 14 ff).
Bei Pegida-Demonstrationen haben sich bisher im Höchstfall zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend sog. „Spaziergänger“ versammelt, die Pegida-Seite auf Facebook hat aktuell jedoch über 200.000 „Likes“. Nimmt man realistischer Weise an, dass diese Seite von vielen Besuchern mit „Freunden“ geteilt wird, so kommt man leicht auf eine halbe Million Menschen, die von dieser rechtspopulistischen (Vgl. dazu die Auswertung auf der offiziellen Facebook-Seite von Pegida im Auftrag der Süddeutschen Zeitung . Die Site der AfD hat mit über 300.000 Followern mehr als die SPD (120.000) und die CDU (130.000) zusammen. In Frankreich habe Marine Le Pen die zehnfache Zahl an Followern gegenüber François Hollande (Andreas Zielcke, Süddeutsche Zeitung).
Rechte verstehen Social Medial besser
Nicht ganz zu unrecht schreibt Sascha Lobo: spätestens mit Trump müsse man zugeben: „Egal wie plump oder menschenfeindlich es wirkt oder ist – die Rechten haben sehr viel besser verstanden, wie Social Media funktioniert. Und das ist die fatalste Wirkung der sozialen Medien auf Wahlen.“ Trump mag in seinem Wahlkampf viele Übertreibungen und sogar glatte Lügen eingesetzt haben, aber eine seiner Aussagen, sollte man wirklich ernst nehmen. Seinen Erfolg verdanke er Facebook und Twitter, mehr noch :
„Ich glaube, dass soziale Medien mehr Macht haben als Werbegelder“.
Trump hatte im Verlauf seiner Kampagne über 28 Millionen „Supporters“ auf unterschiedlichen Plattformen
Ob der Einsatz der Datenanalysefirma „Cambridge Analytica“, die auf der Basis von im Netz erhobenen Daten personalisierte Werbung anbietet, sich für Trump tatsächlich bezahlt machte oder ob hinter den Aufsehen erregenden Schlagzeilen nur Eigenwerbung der britischen Firmenmanager steht, wird sich erst noch erweisen müssen.
Ob russische Hacker oder von Russland gesteuerte „Trolls“ oder „Fake-News“ Einfluss auf das Wahlergebnis zugunsten von Trump hatten und ob Putin Trump tatsächlich geholfen hat, wie die FAZ (vom 11.12. 2016 unter Bezugnahme auf Berichte amerikanischer Zeitungen raunte (Siehe Washington Post ), wird man erst beurteilen können, wenn genauere Angaben über das „Wie“ solcher angeblichen Cyberkampagnen öffentlich werden. Derzeit liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei den gegenseitigen Beschuldigungen eher um Ablenkungsmanöver oder Angstmache der jeweiligen Geheimdienste handelt.
Aufnahmebereitschaft für demagogische Parolen
Man liegt aber sicherlich mit der Vermutung nicht ganz falsch, dass Trumps Wahlkampfstil in den sozialen Medien ein besonders geeignetes Kommunikationsmittel gefunden hat. Die Aufnahmebereitschaft für demagogische Parolen scheint groß zu sein. Es galt wohl das Prinzip: „Egal ob Trump die Wahrheit sagt, Hauptsache er hat recht!“ (Siehe die Karikatur von Jan Rieckhoff in der Süddeutschen Zeitung vom 16. 12. 2016, S. 13)
Empörung, Ressentiments, Schwarz-Weiß-Malereien, Beschimpfungen, ja auch Pöbeleien finden in den sozialen Medien nicht nur eine ideale Plattform, sondern ziehen auch Follower an. Das konnte man auch im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf beobachten. Die Rechtspopulisten in Europa wissen offenbar ziemlich gut, wie man die Wähleransprache mithilfe von Meinungsrobotern aufblähen, Fans und Likes künstlich vermehren, Reichweite kaufen, Beiträge bewerben, Zielgruppen umwerben kann.
Das, was eine demokratische Kultur ausmacht, nämlich eine an Tatsachen orientierte öffentliche Diskussion, der offene und täuschungsfreie Austausch rationaler Argumente, das abgewogene Urteil, die Verbreitung einer möglichst großen Vielfalt von Meinungen und deren öffentlicher Austausch (also der verständigungsorientierte Diskurs) zur Förderung von vernunftgeleitetem Denken und (politischem) Handeln in der Gesellschaft, all das ist mit den 140 Zeichen eines Tweets unmöglich oder findet über einen Web-Chat höchst selten statt.
Wie sehr die klassischen Medien geradezu an die Wand gedrängt werden können, das zeigt uns erneut Donald Trump dieser Tage. Er kann die Journalisten beschimpfen und ihnen ihre Hilflosigkeit demonstrieren, indem er ganz selten Pressekonferenzen einberuft oder Interviews gibt, sondern sich im Wesentlichen über Twitter oder über YouTube-Videos – dem „Trump Transition Video“ – ohne einen „journalistischen Filter“ an die Öffentlichkeit wendet. Und mangels Alternativen, werden diese Botschaften auch von den etablierten Medien aufgegriffen.
Was also als mündiger und kritischer Bürger tun?
Viele Fragen der Mediennutzung und des Einflusses der digitalen und der analogen Medien sind ungeklärt und bedürften dringend der wissenschaftlichen Analyse. (Siehe dazu LfM a.a.O. S. 58ff.)
Ich sehe in der öffentlichen und schon gar in der politischen Debatte – sofern das Thema Medienkritik überhaupt aufgegriffen wird – bestenfalls unzureichende Teilantworten. Verbote sind im Hinblick auf den Schutz der Meinungsfreiheit bedenklich, wenn sie überhaupt etwas ausrichten können. Der „hölzerne Handschuh“ (Heribert Prantl) des nationalen Strafrechts wird angesichts der anonymen Accounts und der überall in der Welt angesiedelten Server kaum zugreifen können.
Die Kernfrage ist, wie kann man „Fairness und Verantwortlichkeit ins das Zeitalter der Daten bringen“ (Cathy O`Neil a.a.O.)
Die Wirklichkeit des öffentlichen Meinungsbildungsprozessen mit seiner Vermachtung bei den etablierten Medien, aber vor allem auch mit den meist in den USA angesiedelten, aber weltweit umspannenden Internet-Oligopolen, wird man auf absehbare Zeit politisch und wirtschaftlich nicht rasch ändern können.
Jeder und jede einzelne kann zunächst einmal nur selbst sein Mediennutzungsverhalten prüfen, die Strukturen und Mechanismen, die hinter den von einem selbst genutzten Medien herrschen reflektieren und die Informationsquellen kritisch bewerten.
Dabei scheint mir unverzichtbar, mit anderen Menschen möglichst auch in einem organisatorischen Rahmen, über politische Themen also einer Partei, einer Gewerkschaft oder einer sonstigen Gemeinschaft im Gespräch und im Austausch über die Gesellschaft und die Welt in der wir leben, zu bleiben.
Wenn man nicht mehr darauf vertrauen könnte, dass sich Menschen von Tatsachen, von vernünftigen Argumenten, von offenen Worten überzeugen ließen, dann müsste man um die Demokratie als Herrschaftsform ernsthaft bangen.
Bildquelle: pixaby, user geralt, CC0 Public Domain
Das ist das Beste, was ich über die Krise unserer Grundlage für Demokratie und politische Weiterentwicklung bisher gelesen habe. Großartig zusammengefasst, sachlich, fundiert und auf den Punkt gebracht. Sehr gern würde ich an einem Projekt mitarbeiten, das hier konstruktiv ansetzt, um Menschen mit ihren Filterblasen zusammenzubringen und in eine intelligente Debatte zu bringen! Und wenn möglich, im Rhein/Ruhr Gebiet 😉 Journalisten, Wissenschaftler, Humanisten aller Couleur… Die Bundestagswahl steht vor der Tür. Es gibt viel zu tun, um dem Neoliberalismus, dem Nationalismus und Rassismus etwas Freundliches und Intelligentes entgegenzusetzen. Sonst wenden sich die Humanisten einfach nur ab und überlassen den Skrupellosen die Zukunft.
eine gleichschaltung findet nicht statt; man könne schließlich keinen schalter benennen.
das meinen sie wirklich so?
dann waren die informationen der sagenhaften „die anstalt“ zu genau DEM thema sozusagen fakenews??
also wirklich herr lieb….
„Als Beruf ist Politik für Herzlose und Unverantwortliche, Religion für Arme im Geiste und Heuchler wie geschaffen.“ Arthur Schnitzler
Schöne Grüsse aus der Ausstellung „Politik und Religion“
http://www.freidenker-galerie.de
Sie schreiben: „Jeder und jede einzelne kann … reflektieren und … kritisch bewerten.“
Wenn ich die Thesen von Mausfeld http://www.uni-kiel.de/psychologie/mausfeld/pubs/Mausfeld_Warum%20schweigen%20die%20Laemmer_Demokratie,%20Psychologie%20und%20Techniken%20des%20Meinungs-%20und%20Empoerungsmanagements.pdf
ernst nehme, ist dies eine Selbstüberschätzung.
In der Konsequenz führt dies dazu, dass ich mir verlässliche Informationen nur durch eigene Erfahrungen und selber nachschauen verschaffen kann.
„Wer eine „Gleichschaltung“ der Leitmedien beklagt, müsste auch sagen können, wer den „Schalter“ bedient.“
Ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht. Kurz nach dem 11. September 2001 habe ich eine befreundete Journalistin befragt. Sie antwortete mir, dass Journalisten eine Art freiwillige Selbstzensur betreiben, um ihren Job zu behalten. Das führen Sie ja später in Ihrem Artikel selber aus. Da gibt es also nicht die eine Person(engruppe), die „einen Schalter umlegt“. Noam Chomsky hatte das vor vielen Jahren schon herausgearbeitet.
Davon abgesehen halte ich auch nichts von dem Begriff „Lügenpresse“, der ist einfach viel zu pauschal.
Und vielen Dank für den ausführlichen & differenzierten Artikel, der die ganze Problematik des Journalismus im 21. Jahrhundert zeigt!
Es bräuchte dringend Medienkompetenztrainings von der Pike auf. Ich habe z.B. noch in der Schule gelernt, dass man bei Nachrichten immer mindestens eine 2. unabhängige Quelle suchen soll, je mehr desto besser. Betonung liegt auf „unabhängig“.
Übrigens, nicht nur WirtschaftsjournalistInnen halten Wirtschaftswissenschaft für eine „harte“ Wissenschaft, das tun die Wirtschaftswissenschaftler selber auch. In Leipzig z.B., wo ich mal ein Wirtschaftsstudium angefangen hatte, hätte ich einen Bachelor of Science (!) verliehen bekommen.