Noch geht es den Rentnern in der Regel gut. Wer 45 Jahre ohne Unterbrechung – etwa durch Arbeitslosigkeit – gearbeitet, durchschnittlich verdient und Rentenversicherungsbeiträge gezahlt hat, erhält die sogenannte Eckrente – rund 47,7 % seines letzten Nettolohns. Das sind ca. 1.200 Euro pro Monat, von denen jedoch noch Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Steuern abgehen. Wer jedoch heute 54 Jahre alt ist und im Jahre 2029 – dann mit 67! – in Rente gehen wird, kann nur noch mit 44,7 % seines letzten Nettolohns als Alterseinkommen rechnen. Beim Eintritt ins Rentenalter nach dem Jahre 2030 muss mit noch geringeren Bezügen gerechnet werden. Nur knapp jeder dritte Deutsche hält seine eigene Altersvorsorge für ausreichend; 69 % fürchten dagegen, ihren Lebensstandard im Alter verringern zu müssen.
Rentner zum Sozialamt?
Grund genug für viele in Politik und Gesellschaft Alarm zu schlagen – wie zum Beispiel gerade der Verdi-Chef Frank Bsirske, der warnte, dass “millionenfach Altersarmut droht“. In der Tat ist es höchste Zeit zu handeln, damit nicht Arbeitnehmer, die heute um die 50 oder jünger sind, in ihrem dritten Lebensabschnitt gar in die Sozialhilfe abrutschen. Denn die bis dahin erworbenen Rentenansprüche, die Lohn für die Lebensleistung sein sollen, könnten kaum noch für’s normale Leben ausreichen. Besonders bitter droht es für viele zu werden, die keine 45 Beitragsjahre erreichen, die erst spät im Beruf Fuß gefasst haben, die viele Jahre arbeitslos waren, die sich immer wieder einmal mit Mini-Jobs über Wasser halten mussten, die aus der Bahn geworfen wurden und eine unterbrochene Erwerbsbiografie aufweisen.
Rentenerhöhung 2016: + 4 %
Rund 266 Mrd. Euro wurden im vergangenen Jahr an die Rentner bezahlt; 79 Mrd. Euro davon mussten aus dem Bundeshaushalt, also aus Steuern, dafür aufgebracht werden. Denn die Beitragseinnahmen reichten für die Rentenversicherung nicht aus. Der Beitragssatz, den Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte aufbringen, liegt derzeit bei 18,7 %; geplant ist, dass er ab 2021 auf 19,3 % steigen soll. Das derzeitige Vermögen der Rentenversicherung beläuft sich auf deutlich über 30 Mrd. Euro. Der Beschäftigungsrekord mit mehr sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern sorgt für hohe Einnahmen. Und die positive Lohnentwicklung der Aktiven beschert den 20,5 Millionen Rentnern ab Juli 2016 eine Erhöhung ihrer Einkommen um über 4 %!
Steigende Rentner-Zahl
Kurzfristig scheint an der Rentenfront alles in Butter zu sein. Doch mittel- und langfristig sieht es düster aus. Allein das von der Großen Koalition jüngst beschlossene Paket mit der Verbesserung bei der Mütterrente und der Möglichkeit, nach 45 Beitragsjahren schon mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente zu gehen, belasten die Rentenkasse jährlich mit zusätzlichen 9 Mrd. Euro.
Sicher ist, dass die Zahl der Rentner in Zukunft weiter steigen und sich die Rentenbezugsdauer erhöhen wird; die mittlere Lebenserwartung von Männern beträgt inzwischen fast 80, die der Frauen bereits 84 Jahre.
Alle Fakten sprechen dafür, möglichst bald die Weichen in der Rentenversicherung so zu stellen, dass “die Rente sicher bleibt“ – wie es einst Norbert Blüm der Nation verhieß. Vor allem gilt es, das Vertrauen der heutigen Beitragszahler in das System zu bewahren und die Altersarmut, die droht, wenn nichts geschieht, abzuwenden.
Renteneintrittsalter weiter erhöhen?
Ein wichtiger Schritt ist, das Renteneintrittsalter bis 2029 peu à peu auf 67 Jahre zu erhöhen. Noch mehr Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in möglichst gut bezahlte Positionen zu bringen, das hilft auf der Einnahmenseite bei den Beiträgen zur Rentenversicherung und bei der Stabilisierung des Rentenniveaus. Langfristig könnte auch eine weitere flexible Erhöhung des Renteneintrittsalters helfen, denn viele ältere Beschäftigte sind durchaus bereit noch länger zu arbeiten – oft jedoch nicht mehr im Vollzeit-Job. Allerdings gilt es zu bedenken, dass es in manchen Berufen nicht wenigen Arbeitnehmern schwer fällt, in höherem Alter noch zu schaffen; wer etwa am Bau oder im Akkord in Fabriken, in Kliniken und in der Pflege im Schichtdienst oder in anderen kräftezehrenden Jobs über Jahrzehnte arbeitet, sehnt nicht selten den Regel-Eintritt in die Rente herbei, wenn er bis dahin überhaupt durchhalten kann.
Private Altersvorsorge fördern
Richtig ist auch, bei der Altersversorgung finanziell möglichst nicht nur auf die Rente zu setzen. Für viele Arbeitnehmer gibt es bereits die betriebliche Altersversorgung, die zumeist nicht allzu üppig ist, aber doch ein willkommenes Zusatzeinkommen darstellt. Nach wie vor zu gering ist jedoch die eigene private Altersvorsorge. Mit der Einführung der Riester-Rente sollte zwar die zukünftige Absenkung des Rentenniveaus ausgeglichen werden, doch sie ist nur “ein Tropfen auf den heißen Stein“ und wird es auch in den nächsten Jahrzehnten bleiben.
“Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“, diese uralte Empfehlung gilt heute mehr denn je für die Generation, die in einigen Jahrzehnten in Rente gehen wird. Allerdings ist für solche frühzeitige Vorsorge die Sparfähigkeit die wichtigste Voraussetzung. Bei vielen Millionen Fabrikarbeitern, Verkäuferinnen, Pflegerinnen, Handwerksgesellen und anderen, die schon 20 % ihres nicht hohen Einkommens für Sozialversicherungsbeiträge und zum Teil auch für die Lohnsteuer zahlen müssen, reichen die Nettobezüge kaum oder gar nicht für die private Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Um diesen Beschäftigten bessere Perspektiven für ihr Rentenalter zu erschließen, müssten sie zum einen mehr Netto vom Bruttolohn zur Verfügung haben und zusätzlich kräftigere Sparprämien als Zuschüsse vom Staat erhalten, die jedenfalls deutlich höher als bei der Riester-Rente sein sollten. Wenn die Politik von heute auf die älteren Generationen von morgen schaut und die private Vorsorge fördert, wird es in zwanzig oder dreißig Jahren weniger Altersarmut geben – und damit weniger Staatshilfe für die Grundsicherung.
Höhere Steuern für Rentensicherung
Jährlich werden inzwischen in Deutschland rund 200 Mrd. Euro vererbt, Tendenz: steigend. Doch die Erbmasse ist sehr unterschiedlich verteilt. Der wesentlich höhere Teil wird in zumeist einkommensstarken und vermögenden Kreisen vererbt. Eine höhere Erbschaftsteuer, weniger Ausnahmen und Begünstigungstatbestände könnten zu wesentlich mehr “Verteilungsgerechtigkeit“ und größere Einnahmen für den Fiskus beitragen, die für die Förderung der finanziellen Vorsorgemöglichkeiten für Bezieher unterer wie mittlerer Einkommen investiert würden, ohne dass reiche Erben letztlich wirklich ärmer würden. Ohnehin wird auch die gesetzliche Rentenversicherung in den nächsten Jahrzehnten höhere staatliche Zuschüsse benötigen, um selbst das sinkende Rentenniveau noch zu garantieren. Die Verstärkung aller Möglichkeiten der privaten Vorsorge in Arbeitnehmerhand kann jedoch einen langfristig positiven Beitrag dazu leisten, dass die Altersarmut in Deutschland nicht größere Teile der Bevölkerung als gegenwärtig treffen wird. Es wäre fatal, wenn die Schere von Einkommen und Vermögen im Land der Sozialen Marktwirtschaft in denn nächsten Jahrzehnten noch weiter aufgehen und zu einer Gesellschaft der “have und have nots“ führen würde. Genug Alarm-Signale gibt es heute schon!
Bildquelle: Wikipedia, pincerno; aus fhh1.hamburg.de: Die Zeiten ändern sich … Hamburg 1899 , gemeinfrei