Das unsägliche Massaker der Hamas und anderer Extremistengruppen vom 7. Oktober 2023 hat auch bei den nicht unmittelbar betroffenen Bürgern und Bürgerinnen in Israel einen traumatischen Schock, eine tiefgehende Verletzung bewirkt. Nach den Schrecken der Vergangenheit war und ist ihre Hoffnung, im jüdischen Staat eine sichere Heimstatt gefunden zu haben. Im Bewusstsein der historischen Verantwortung unseres Volkes sowie aufgrund elementarer humanitärer Überzeugungen verurteilen wir den Terroranschlag vom 7. Oktober auf das Schärfste und fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung aller israelischen Geiseln sowie ein Ende von fortgesetztem Beschuss ziviler Ziele in Israel durch die Hamas bzw. die Kassam Brigaden.
Zugleich stellen wir fest: Israels Recht auf Selbstverteidigung beinhaltet kein Recht darauf, völkerrechtliche Normen zu missachten und die Zivilbevölkerung in Gaza einer kollektiven Bestrafung auszusetzen. Mehr als sechs Monate nach den Anschlägen, denen 1140 Menschen zum Opfer gefallen sind, hat die israelische Militärkampagne bisher 34.000 Opfer auf palästinensischer Seite gefordert, davon 14.000 Kinder, so die unabhängigen Expertinnen und Experten des UN Menschenrechtsrates. Die israelische Armee hat sämtliche Universitäten in Gaza und über 80 Prozent aller Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen zerstört oder schwer beschädigt. 1,7 Millionen Menschen sind vertrieben, der größte Teil ihrer Wohnhäuser ist zerstört. In keinem bewaffneten Konflikt der jüngeren Geschichte sind so viele Journalisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen getötet worden wie durch das israelische Militär in Gaza. Die fortgesetzten Bombardements und die Beschränkungen für die Zufuhr von Hilfsgütern haben außerdem inzwischen zum Ausbruch einer Hungersnot geführt, 70 Prozent der Bevölkerung in Gaza leiden laut UN unter „katastrophalem Hunger“.
Das Vorgehen der von einer rechtsgerichteten Regierung angeleiteten Armee Israels verstößt gegen das humanitäre Völkerrecht sowie gegen die Resolution 2728 des UN-Sicherheitsrats und den Beschluss der UN-Generalversammlung vom 12. Dezember 2023, die beide einen Waffenstillstand fordern. Die zahlreichen zivilen Opfer und die Zerstörung der zivilen Infrastruktur in Gaza verletzen systematisch die auch von Israel unterzeichneten Genfer Konventionen einschließlich ihrer Zusatzprotokolle, die eine kollektive Bestrafung einer Bevölkerung verbieten. Der Schutz von Zivilisten genießt demzufolge Vorrang vor militärischen Zielen. Erforderlich sind ein sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand sowie die unbeschränkte Zufuhr von Hilfsgütern! Wir fordern die deutsche Bundesregierung dazu auf, sich aktiv für diese Ziele und die Durchsetzung der UN-Resolutionen einzusetzen.
Die besondere Verantwortung Deutschlands angesichts seiner Geschichte liegt nicht allein im Schutz Israels, sondern auch in der Verteidigung des Völkerrechts und der universell gültigen Menschenrechte. Die Bundesregierung darf hier nicht mit zweierlei Maß messen. Die palästinensische Bevölkerung hat ein Recht auf Schutz und Sicherheit.
Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist militärisch nicht zu lösen. Weitere Bombardierungen schaffen nur neue Traumata und neue Gewalt. Auch Israels Sicherheit wird durch dieses Vorgehen nicht gestärkt, sondern geschwächt, das Risiko einer regionalen Eskalation mit katastrophalen Folgen für die ganze Welt nimmt zu. Gerade weil die besondere Verantwortung Deutschlands angesichts seiner mörderischen Geschichte im Schutz Israels liegt, sind wir verpflichtet alles zu vermeiden, was die Sicherheit seiner Bürger weiter gefährdet. Ein sofortiger und dauerhafter Waffenstillstand ist die unverzichtbare Voraussetzung, um konkrete Schritte für eine dringend notwendige politische Lösung des Konflikts in die Wege zu leiten.
Wenn ein säkularer, binationaler Staat aufgrund der langjährigen Verfeindung nicht möglich ist, darf einem künftigen eigenständigen palästinensischen Staat nicht jede Existenzmöglichkeit genommen werden, wie es mit der andauernden israelischen Siedlungspolitik im besetzten Westjordanland und der Bombardierung Gazas geschieht. Ohne einen historischen Kompromiss, der die Interessen und Empfindungen beider Seiten gleichrangig berücksichtigt, wird es keinen Frieden in der Region geben.
Bildquelle: gloucester2gaza, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons
Es ist kein Konflikt zwischen „Israel und Palästina“, wie die Verfasser und Verfasserinnen aus dem Willy-Brandt-Kreis schreiben. Es ist ein Konflikt zwischen Israeli und Palästinenser-Gruppen. Die Formulierung im Text impliziert, dass Israel nicht Teil Palästinas ( einer geografischen Bezeichnung) sei.
Richtig!