Wenn es um die Wahlerfolge der AfD geht, sprechen wir viel zu viel über die Fehler der Politik – und noch viel zu wenig über die Menschen, die die Rechtsextremisten wählen.
Seit der Europawahl am Sonntag wird in allen Medien hoch und runter diskutiert, welche falschen Entscheidungen die Ampel-Koalition in Berlin getroffen habe, die die Menschen – vor allem in Ostdeutschland – so massenhaft der AfD zugetrieben haben.
Diese Debatte geht in die falsche Richtung, sie gibt den Wählern der Faschisten eine Art Legitimation, weil sie impliziert, dass diese für ihre Entscheidung schon gute und rationale Gründe hätten.
Um es klar zu sagen: Ich bin kein Fan der Ampel-Koalition. Sie hat viele Fehler gemacht – und es gibt gute Gründe, es ihr an der Wahlurne heimzuzahlen. Es gibt dafür demokratische Alternativen auf der linken und auf der rechten Seite. Wer glaubt, SPD, Grüne und FDP könnten es nicht, der kann ja die Linke wählen – oder die seit den Zeiten von Kanzlerin Angela Merkel deutlich konservativer gewordene Union von Friedrich Merz und Markus Söder. Dass auch Merz und Söder vielen Wählern Bauchschmerzen verursachen – geschenkt. Sie gehören zum demokratischen Spektrum, eine von ihnen geführte Regierung wäre damit eine echte Alternative zur Ampel-Koalition.
Was nicht geht: rechtsextrem zu wählen. Der CDU-Mann Hendrik Wüst hat die AfD völlig zu Recht als „Nazi“-Partei bezeichnet – und am Europa-Wahlabend nannte SPD-Chef Lars Klingbeil die anwesende AfD-Vorsitzende Alice Weidel vor laufender Kamera laut und deutlich als „Nazi“. Auf deren gespielt empörte Nachfrage: „Sie haben mich und die Partei gerade als Nazis bezeichnet?“, antwortete Klingbeil kurz und knapp „Ja!“.
Wüst und Klingbeil haben Recht. Wer immer AfD-Vertreter aus Quoten-Gier oder angeblicher „Ausgewogenheit“ ins Fernsehstudio einlädt, muss sich klar sein: Er hat Nazis an Bord. Da muss nichts mehr entlarvt und aufgedeckt werden – die Partei steht offen zu ihren menschenverachtenden Zielen. Und man muss es deren Vertreterinnen und Vertretern offen ins Gesicht sagen: Ihr seid Nazis!
Um jetzt noch nun einen Schritt weiter zu gehen: Wer diese Partei wählt, wählt ganz bewusst Rechtsextremisten. Nicht Werte- oder Rechtskonservative, nein Nazis! Wer diese Leute wählt, setzt sich damit völlig zu Recht dem Vorwurf aus, selbst ein Nazi zu sein. Ich kann das Gerede von angeblichen Protestwählern nicht mehr hören. Viele der Menschen stimmen ja nicht für die AfD, obwohl sie rechtsextrem ist, sondern weil sie es ist. Je weiter die AfD nach rechts gerückt ist, je menschenverachtender ihre Parolen geworden sind, desto mehr Wähler folgen ihr. Diese Wähler sind Nazis – und sie sind auch noch stolz darauf.
Wie sollen wir mit diesen AfD-Wählern umgehen? Wer kann von einem Demokraten verlangen, mit einem Nazi auf Augenhöhe zu debattieren? Gedanken-Austausch? Bitte nicht! Ich jedenfalls diskutiere nicht mit Rassisten, Antisemiten, Menschenfeinden – weder mit Nazis noch mit Islamisten. (Bei Letzteren tut und erwartet das übrigens auch niemand – völlig zu Recht! Warum dann bei Nazis?) Das einzige, was AfD-Politiker und -Wähler von mir zu erwarten haben, ist Wut, Ekel und vor allem tiefe Verachtung. Noch viel deutlicher und lauter als bislang werde ich sie meine Verachtung und meinen Widerspruch spüren lassen, wo immer ich ihnen begegne – in der Straßenbahn, beim Einkaufen – und falls nötig auch im Bekanntenkreis. In klarer Ansprache, ohne zu diskutieren. Wie es Wüst und Klingbeil getan haben. Niemand soll auf feiges Schweigen oder heimliche Zustimmung hoffen können, wenn er stolz seine Menschenverachtung herum posaunt.
Ein tiefer Riss geht durch die Gesellschaft. Dieser Riss ist zurzeit unüberwindlich. Kompromisse, Verständnis, gar Anbiederung darf es von demokratischer Seite nicht geben. „Ein bisschen Nazi“ – das geht nicht.
Wir müssen unsere Werte offensiv verteidigen: Auf der einen Seite gibt es die Mehrheit der Anständigen. Auf der anderen Seite leider viel zu viele Unanständige. Wir sollten die Scheu, die Scham und die Beißhemmung verlieren, diese auch so zu nennen: Die AfD-Politiker und – ja – auch deren Wähler.
Und wie passen die vielen Sechzehn – Achtzehnwähler in dieses Urteilsschema?
Es gibt keine Altersgrenzen, weder nach oben noch nach unten. Jeder ist ein Nazi, der die AfD wählt! Das rechtsexteme Gedankengut ist alterunabhängig.
Die Frage ist eher, woher kommt bei jungen Wahlberechtigten diese schlimme Gesinnung? – Was ist die Ursache?