Es ist historisch einzigartig in der Geschichte der Bundesrepublik, dass die katholischen Bischöfe sich klar und unmissverständlich gegen die AfD und andere politische Rechtsaußen positionieren. Früher hatte die Kirche eher verdeckt für die Politik der Christdemokratischen/Christsozialen Union geworben, in Hirtenbriefen schon mal gegen ein Schulprojekt der SPD-geführten NRW-Landesregierung -die Koop-Schule- gewettert und die Regierung Rau ein entsprechendes Volksbegehren verloren. Aber so wie dieses Mal hatten die Gläubigen-und auch die Nichtgläubigen- ihre katholische Kirche noch nie vernommen, wie die Bischöfe es jetzt auf ihrer Frühjahrsvollversammlung in Augsburg getan hatten. Sie halten die AfD für Christen nicht wählbar, weil diese Partei „unvereinbar mit dem christlichen Menschenbild“ sei. So hatte es im übrigen auch der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Württemberg, Ernst-Wilhelm Gohl, gesagt, so hatten es Kirchenvertreter aus den ostdeutschen Ländern gefordert aus Sorge nicht nur um unser Seelenheil, sondern die Menschenwürde, die Nächstenliebe, unsere Demokratie.
Die AfD, die man in Teilen faschistisch nennen darf, so ihren thüringischen Führer Höcke, von deren Landesverbänden nach dem Urteil des jeweiligen Verfassungsschutzes einige als gesichert rechtsextremistisch einzustufen sind, steht ohne den Segen der Kirchen da, mehr noch: eine solche knallharte Abgrenzung der Kirchen zu einer bestimmten Politik einer Partei hat es noch nie in Deutschland gegeben. Und das ist gut so. Die Kirchen wollen sich nicht noch einmal nachsagen lassen, sie hätten geschwiegen angesichts der heraufziehenden Gefahren für das Land und die Menschen. Damals, unter den Nazis, als ihre Priester und Pfarrer, wenn diese den Mund auftaten gegen die menschenverachtende Politik der Nazis, die Ermordung von Millionen Juden kritisierten, in den Konzentrationslagern landeten, und die moralische Instanz Kirche dazu nichts sagte.
Man muss heute zeitlich ein wenig zurückblicken, um die ganze Geschichte des christlichen Widerstandes gegen die AfD und ihre menschenverachtende Politik zu erfassen. Schon im Vorfeld der Landtagswahl in Bayern im letzten Herbst hatte der Pfarrer der oberfränkischen Gemeinde Kulmbach, Hans Roppelt, öffentlich erklärt: Er könne „als christlicher Pfarrer die AfD nicht wählen.“ Im Gemeindeblatt begründete der Geistliche in einem Beitrag sein Nein zur AfD: Sie sei eine Partei, die „nicht die gleiche Würde aller Menschen dieser Erde achtet“ und „nicht den Grundsätzen der christlichen Nächstenliebe folgt.“ Roppelt appellierte zudem direkt an die Gemeindemitglieder: „Prüfen Sie Ihr Gewissen, wenn Sie am 8. Oktober zur Landtagswahl gehen.“
In Schwarzafrika missionieren
Die AfD reagierte prompt. Sie verteilte Flyer nach den Gottesdiensten in der Gemeinde, sie drängte und bedrängte die Menschen, diese Papiere anzunehmen und heftete sie an die Windschutzscheiben der Autos. In dem Flyer forderten die AfD-Politiker den Pfarrer auf, er solle doch lieber in „Schwarzafrika missionieren“ gehen oder selbst Flüchtlinge aufnehmen. Was die AfD-Politiker wohl nicht wussten: Hans Roppelt hat längst ukrainische Flüchtlinge in seinem Pfarrhaus aufgenommen. Darauf reagierten die Vertreter der rechtsextremen Partei, diese Flüchtlinge meinten sie gar nicht. Im übrigen, behaupteten sie, sei die AfD die einzige Partei, die das christliche Menschenbild mit Vater, Mutter und Kind vertrete. Roppelt hat, wie er sagte, „eine Masse an Zuschriften bekommen von Leuten, die sich bei mir bedankt haben.“
Zurück zur Erklärung der katholischen Bischöfe. Sie appellieren ausdrücklich auch an die Nicht-Christen in der Gesellschaft, „die politischen Angebote von Rechtsaußen abzulehnen und zurückzuweisen“. Wer in einer „freiheitlich-demokratischen Gesellschaft leben will, kann in diesem Gedankengut keine Heimat finden.“ Und weiter: Wer Parteien wähle, die mindestens in Teilen vom Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextremistisch“ eingeschätzt würden, stelle sich gegen die Grundwerte menschlichen Zusammenlebens und der Demokratie. Die Kirchenführer verurteilten glasklar jede Tendenz von „völkischem Nationalismus“. Dieser sei unvereinbar mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild. Besonders in der AfD herrsche „nach mehreren Radikalisierungsschüben“ inzwischen eine „völkisch-nationalistische Gesinnung“ vor. Auch dieser Teil des Beschlusses der Bischöfe stieß in der Vollversammlung auf keinen Widerstand.
Die Erklärung enthält zudem eine Unvereinbarkeitsklausel. Wer rechtsextreme Parolen verbreite, insbesondere zu Rassismus und Antisemitismus, könne in der Kirche weder haupt- noch ehrenamtlich tätig sein. „Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein und sind auch nicht wählbar.“
Gott schuf den Menschen zu seinem Bild. In jedem Menschen spiegelt sich Gott selbst wieder. Das sind Kernsätze des Christentums, darin zeigt sich die christliche Nächstenliebe und das Prinzip der unantastbaren Menschenwürde. Rechtsradikale aber leugneten diese gleiche Würde des Menschen oder relativierten sie oder erklärten sie für das politische Handeln als irrelevant. Die Bischöfe erklären zugleich ihre Gesprächsbereitschaft gegenüber AfD-Sympathisanten, bleiben aber im Kern unmissverständlich und vor allem einig. Das ist wichtig für die Debatten, die innerhalb der Kirchen passieren werden. Denn es gibt AfD-Mitglieder und AfD-Anhänger, die zugleich Mitglieder der katholischen Kirche sind. Was auch für die evangelische Kirche zutrifft. Und da muss man gewappnet sein für den Diskurs mit Pfarr-Gemeinderäten, mit Leuten aus den Kirchenchören.
Fundamentaler Unterschied
Ausdrücklich betonte der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, dass er die Beteiligung von Bischöfen an den Großdemonstrationen gegen Rechtsextremismus begrüße. Völkische Parteien wollten Ab- und Ausgrenzung und das Solidaritätsprinzip je nach Herkunft der Menschen eingrenzen. „Es geht hier nicht um einzelne politische Differenzen, es geht hier um einen fundamentalen Unterschied im Verständnis der Gesellschaft.“ Und das alles wollte der Oberhirte ausdrücklich mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland im Herbst verstanden haben.
Als Christinnen und Christen, so hat es der oben schon erwähnte Landesbischof der Evangelischen Landeskirche ij Württemberg, Ernst-Wilhelm Gohl formuliert, „glauben wir, dass jeder Mensch Gottes Geschöpf und Ebenbild ist. Er hat eine gottgeschenkte Menschenwürde, die unantastbar ist.“ Mit Blick auf die vor Wochen bekannt gewordenen Deportations-Ideen rechtsextremer Gruppen- die nannten ihre finsteren Gedanken Remigration- betonte der evangelische Würdenträger: Wer die „Menschenwürde derart mit Füßen“ trete, wie es die AfD tue, sei für Christinnen und Christen nicht wählbar. Gohl rief zugleich Christinnen und Christen auf, sich „dem Ungeist mutig entgegenzustellen“, der sich in solchen Deportationsideen ausdrücke, wie es die Recherche von „Correctiv“ offengelegt habe. Gohls Artikel erscheint in der Jubiläumsausgabe des Gesprächskreis-Magazins „Evangelium und Kirche.Informationen“. Dieser Gesprächskreis ist einer von vier Diskussions-Runden der württembergischen Landessynode. Er wurde 1934 als „Evangelische Bekenntnisgemeinschaft in Württemberg“ gegründet und feiert in diesem Jahr sein 90jähriges Jubiläum. Die Mitglieder dieser Bekenntnisgemeinschaft widersprachen während des Dritten Reiches der Ideologie des Nationalsozialismus.
Die katholische Kirche plant mit dieser Erklärung, unüberhörbar und nachhaltig, auf ihre 20 Millionen Gläubigen einzuwirken im Sinne der demokratischen Institutionen. Als nächster Schritt, so lese ich im Berliner „Tagesspiegel“, sei ein demonstrativer Schulterschluss mit der Evangelischen Kirche möglich. Die Katholiken setzen ferner darauf, dass Wirtschaft und Sozialverbände sich ebenso gegen die AfD positionieren, so wie das einzelne Firmen , darunter VW und Evonik, bereits getan haben.