Ja, es ist richtig: Deutschland hat in den letzten Jahren vor vielen Problemen gestanden. Von Corona bis zur Energieversorgung, von Bildungsdefiziten – präsentiert in der jüngsten Pisa-Studie – bis hin zur maroden Infrastruktur reichen sie. Das chinesische Schriftzeichen Krise steht zum einen für Niedergang, zum anderen jedoch für Chance. Ohne Zweifel sind die Herausforderungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sehr groß. Doch können wir es gemeinsam schaffen, die Krisen zu bewältigen und Chancen daraus zu generieren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben unsere Großeltern und Eltern nicht den Weg an die Klagemauer gesucht, sondern mit Mut zur Zukunft vereint angepackt. Kurze Zeit hat es gebraucht, da sprach die Welt von einem deutschen Wirtschaftswunder. Die Wiedervereinigung unseres geteilten Landes sind wir mit großem Engagement angegangen: Über 2 Billionen Euro wurden in die ehemalige DDR transferiert, um Ostdeutschland aus der Krise des Sozialismus zu bringen. Die Lebensbedingungen in Ost- und Westdeutschland sind inzwischen weitgehend gleich. Selbst die Renten wurden jüngst angepasst. Die Pandemie konnten wir dank des großen Einsatzes unserer Ärzte und Krankenschwestern viel besser meistern als die meisten anderen Länder. Als der russische Diktator Putin kein Gas mehr lieferte, haben wir Energie gespart und Ersatzlieferungen aus anderen Ländern organisiert. Flankiert wurden diese Schritte durch energiepolitische Maßnahmen. Sogar die Explosion der Preise ist inzwischen fast völlig überstanden: Die Inflation bewegt sich wieder in Richtung von 2 bis 3 Prozent.
Mit der Beschwörung von Krisen und dem lauten Krisengerede werden wir die Zukunft nicht meistern können. Eher wird damit der Niedergang beflügelt und die Stimmung im Volke vermiest. Davon profitiert die rechtsradikale AfD, die nun wahrlich keine echte Alternative für Deutschland anbietet. Was Weidel, Chrupalla oder Gauland in die Welt hinausposaunen, klingt zwar zum Teil populistisch, ist jedoch billige Bauernfängerei. Mit dem Revival eines nationalsozialistischen Kurses würde Deutschland bald in der Welt isoliert dastehen. Wirtschaftlich und politisch wären die Folgen katastrophal. Die AfD-Verbeugung vor dem Kriegstreiber Putin würde möglicherweise neue Gaslieferungen bringen, doch der Verzicht auf unseren Außenhandel mit den EU-Staaten und anderen Staaten der Welt würde viele Millionen Arbeitsplätze in Deutschland vernichten. Mit dem Austritt aus der NATO würden wir unsere äußere Sicherheit aufgeben und Putin einladen, nicht nur den blutigen Angriffskrieg gegen die Ukraine fortzusetzen, sondern auch Polen und die baltischen Staaten über kurz oder lang ins Visier zu nehmen. Denn sein Ziel ist die Wiederherstellung der früheren Sowjetunion, zu der er möglicherweise auch die ehemalige DDR zählt. Selbst das Problem der Migration lässt sich nicht mit der üblen Hetze der AfD lösen. Sie hat kein Konzept für eine Strategie, um die große Zuwanderung in die EU, vor allem nach Deutschland, zu stoppen. Die Umfragen in den ostdeutschen Ländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wonach bei den Wahlen in diesem Jahr die AfD 30 Prozent und mehr erreichen könnte, schrecken bereits internationale Investoren ab. Um diese Regionen wirtschaftlich weiter voranzubringen, sollten indessen Unternehmen, die dorthin Kapital bringen, neue Arbeitsplätze schaffen und die Steuereinnahmen der Länder und Kommunen stärken, mit offenen Armen begrüßt werden.
Norbert Winkeljohann, der Aufsichtsratsvorsitzende der Bayer AG und AR-Mitglied der Deutsche Bank AG, hat gerade in diesen Tagen in einem Interview im Handelsblatt aufgerufen, dass die Führungskräfte der deutschen Wirtschaft sich mit den Inhalten der AfD auseinandersetzen müssen. Denn es gehe auch um Aufklärung über die radikalen Positionen der Partei. Gegen den Antisemitismus müssten sehr viele Unternehmen klar Stellung beziehen. Es gilt – für die wichtigsten Wirtschaftsvertreter – so Winkeljohann – sich generell mehr einzumischen und wir sollten uns nicht gerade in die Krise hineinreden.
Bildquelle: Wikipedia, Weeping Angel, Creative-Commons-Lizenz CC0 1.0, Verzicht auf das Copyright
Sehr geehrter Herr Ost,
in vielen Dingen in Ihrem Artikel kann ich Ihnen zustimmen, aber nicht in der einseitigen Verteufelung Putins, der sicher ein übler Diktator ist. Das Gas hat aber nicht er abgestellt, sondern die deutsche Regierung auf der Suche nach Alternativen. Das Frackinggas aus USA und Lieferungen aus autoritären arabischen Ländern sind sicher nicht die besten Lösungen. Northstream 2 wurde offenbar von der Ukraine und wahrscheinlich USA zerstört und nicht von Putin.
Ich glaube auch nicht, dass die Lebensbedingungen in Ost- und Westdeutschland so ausgeglichen sind. Sonst wäre die AfD nicht gerade in den ostdeutschen Bundesländern so stark. Hätte sich diese Regierung und genauso die vorangegangenen, um Armut, Ungleichheit und Bildung gekümmert, wäre möglicherweise die AfD nie so stark geworden.
Karin Steller