Riesa muss eine ganz besondere Kleinstadt sein, die ganz exklusive Luft haben muss. Denn was beim AfD-Parteitag diskutiert und beschlossen wurde, kann nur unter halluzinogenen Bedingungen zustande gekommen sein.
Zunächst einmal wählt der Parteitag einstimmig Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin – ein Ergebnis, das nicht einmal Erich Honecker gefallen hätte. Dann hält Weidel eine Rede, bei der auch dem letzten Unionler, der mit einem CDU/AfD-Bündnis geliebäugelt hat, die Spucke wegbleiben dürfte. Der Parteitag beschließt rechtsextreme Inhalte am laufenden Band. Vieles davon ist weder mit dem Grundgesetz noch mit internationalen Verträgen oder der deutschen Gesetzgebung vereinbar. Für Weidel ist das kein Problem – sie beschreibt die Republik aus der Perspektive: „Wenn wir am Ruder sind.“
Waren die Aussagen im Gespräch mit Elon Musk bereits grotesk und durch keine wissenschaftliche Expertise belegt, ist ihre Rede ein einziges Aneinanderreihen von Horrorszenarien. Die Teilnehmer der demokratischen Gegendemonstrationen bezeichnet Weidel als „rotlackierte Nazis“. Der Begriff „Remigration“ wird offiziell ins Parteiprogramm aufgenommen. Weidel will aus dem europäischen Asylsystem aussteigen, alle Grenzen schließen, die „Windkrafträder der Schande niederreißen“, neue Atomkraftwerke bauen und Kohlekraftwerke länger betreiben. Die komplette Klimaschutzpolitik soll beendet werden. Natürlich will sie alle Genderstudies-Lehrstühle streichen und die Professoren entlassen.
Die Rede hatte etwas von Sportpalast, als Weidel gegen den „queerwoken Wahn“ hetzte und für sich beanspruchte, dass nur die AfD Kindern und Jugendlichen wieder „Bildung“ beibringen könne. Inkonsequenzen gab es natürlich auch: Während sie bei Verbrennungsmotoren Technologieoffenheit fordert, gilt das bei der Energiegewinnung offenbar nicht mehr.
Dass der Begriff „Remigration“ nun im Wahlprogramm steht – ein Jahr nach der geheimen Potsdamer Konferenz – ist eine Neonazi-Phantasie, die nun offizieller Teil der AfD-Programmatik ist. Die Ausländerfeindlichkeit der Partei manifestiert sich aber auch in weiteren Beschlüssen. Laut der Nachrichtenagentur AFP wurde gestrichen, dass anerkannte Asylsuchende nach zehn Jahren ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhalten sollen. Ebenfalls gestrichen wurde die Aussage, dass die AfD die Aufnahme europäischer Arbeitskräfte begrüßt.
Nach wie vor will die AfD aus der EU und dem Euro austreten. Stattdessen soll die Wehrpflicht wieder eingeführt werden – ein Punkt, der für Tino Chrupalla eine Niederlage darstellt, da er mit Blick auf den Osten fürchtet, dass dies dort Wählerstimmen kosten könnte.
Zu guter Letzt wurde beschlossen, dass sich die Partei eine neue Jugendorganisation zulegt – die als gesichert rechtsextrem bewertete „Junge Alternative“ (JA) hat ausgedient. Das blieb nicht ohne kritische Resonanz. Die JA Schleswig-Holstein postete auf X: „Die Boomer haben der Jugend den Dolch in den Rücken gerammt, aber wir wanken nur und fallen nicht.“ Später veröffentlichten sie noch eine Drohung gegen Vorstandsmitglieder: „Rechts-woken Irrlichtern wie Hohloch, Gottschalk oder Lambrou, die hoffen, dass die neue JA harmloser, ruhiger und weniger aktiv sein wird, empfehlen wir, Schleswig-Holstein auch nach der Neugründung der JA besser zu meiden, denn das wird nicht passieren.“
Bis April soll die neue Organisation entstanden sein – genug Zeit für das Bundesinnenministerium, endlich die rechtsradikale Truppe zu verbieten.
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