Der AfD und ihren Politikern keine Bühne bieten. Damit sie nicht salonfähig werden. Nicht auf Augenhöhe mit Demokraten reden können, es darf nicht normal sein, dass diese radikalen Rechten auf dem Bildschirm erscheinen wie Jedermann. Sie sind demokratisch gewählt, das ja, aber sie sind keine demokratische Partei. Die AfD will die Europäische Union zerstören, eine Erfolgsgeschichte kaputt machen, von der auch Millionen Deutsche profitieren. Sie will die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verändern, die Meinungs- und Pressefreiheit könnte danach anders aussehen. Man denke an Polen, wo die Regierung Kaczynsky zum Glück die Wahlen verloren hat und das Rat wieder in Richtung Demokratie gedreht wird. Oder man denke an Ungarn. Unabhängige Justiz und Meinungs- wie Pressefreiheit sind hohe Güter, wenn sie verloren sind, spüren wir es täglich.
Der 1. Mai ist der Kampftag des DGB, aber die Gewerkschaften kämpfen ohne die AfD. Man will sie nicht dabei haben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund steht für Zusammenhalt, Gemeinsinn, für Demokratie, nicht für Hass und Antisemitismus, nicht für Fremdenfeindlichkeit. Führende Unternehmer wie Evonik-Chef Kullmann haben klare Kante gezogen, sehen eine Gefahr für die deutsche Wirtschaft, für den Export, käme die AfD an die Macht. Auch der Fleisch-Riese aus Ostwestfalen, Clemens Tönnies, ist auf Distanz zu den Rechten gegangen. Andere sind ihm und Kullmann gefolgt, warnen und mahnen die Wählerinnen und Wähler, die ja auch ihre Kunden sind, ihre Arbeitskräfte.
FC Bundestag ohne AfD-Kicker
Andere wollen die Rechtsradikalen nicht mal aufnehmen in ihre Mannschaft, die für den FC Bundestag kickt. Klare Kante ist angesagt, wenn es um eine Partei geht, die einen Mann wie Björn Höcke in ihren Reihen hat, den man laut Gericht einen Faschisten nennen darf, eine Partei, deren Landesverbände mindestens in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt nach den Erkenntnissen der Verfassungsschützer als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden, eine Partei, die in Zusammenhang gebracht wird mit Deportationsplänen für in Deutschland lebende Menschen mit Migrationshintergrund. Bei einem Treffen in einem Hotel in Potsdam wurde das diskutiert, das Recherche-Netzwerk Correctiv hat darüber berichtet.
Der Blog-der-Republik hat vor Monaten einen Aufruf veröffentlicht. Im Mittelpunkt steht das Grundgesetz, das am 23. Mai seinen 75. Geburtstag feiert. Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es in Artikel 1. Es heißt bewusst die Würde des Menschen und nicht die Würde des Deutschen. Gemeint sind alle Menschen jedweder Herkunft, Hautfarbe, Religion. Wir wenden uns gegen Ausländerfeindlichkeit, gegen den Hass, wie er verbreitet wird von der AfD. Viele Bürgerinnen und Bürger haben den Aufruf unterschrieben. Wir stehen für Meinungs- und Pressefreiheit, für das, was diese Bundesrepublik ausmacht, wir stehen für ein buntes Deutschland, mit Gewerkschaften, für Mitbestimmung.
Nazis raus. So der Titel einer Geschichte von SZ-Redakteur Nils Minkmar auf der Medien-Seite der „Süddeutschen Zeitung“ Ende April. „Wieso laden ARD, ZDF und Podcasts noch Leute wie Höcke, Chrupalla und Krah ein?“ fragt der Autor der Story und schiebt als weitere Frage eine Antwort nach: „Weil das demokratisch ist?“ Nazis raus ist der Text „zu einem großen Irrtum in den deutschen Medien der Gegenwart“. Findet Minkmar. Und er hat Recht. Journalisten haben Verantwortung für das, was sie schreiben und worüber.
Ich erinnere mich an Debatten in den 70er Jahren, als es darum ging, wie wir es hielten mit Berichten über kommunistische Parteien. Die KPD war verboten, also schufen die Kommunisten die DKP, der Größe nach eher eine Sekte, die aber vertreten war in zwei Stadträten, in Bottrop und in Hattingen. Es ist müßig darüber zu schreiben, warum das so war. Es war so. Und folglich war die Frage, wie man als Journalist mit denen umgeht. Man darf nicht vergessen, es gab damals auch einen Radikalenerlass, den Willy Brandt später als Fehler bezeichnet hat. Aber der Erlass war da und sorgte für manche Schnüffelei, Lehrer verloren ihre Jobs. Misstrauen wurde gesät, wer lange Haare trug und einen Bart, wurde schon mal schief angeschaut. Ein Linker? Oder gar ein Kommunist? Aber wie gesagt, DKP, MSB Spartakus, die SDAJ spielten keine Rolle in der Gesellschaft und schon gar nicht in der Politik. In West-Berlin gab es einen kommunistischen Ableger der SED, die SEW, finanziert von Ostberlin, Hauptstadt der DDR und Hauptsitz der dortigen SED. Das war mehr Folklore, wie es auch im Text der SZ heißt, wenngleich Studentinnen und Studenten in den 60er Jahren sich darüber die Köpfe heiß redeten. Das war in Berlin nicht anders als in München. Die Amerikaner mit ihrem Vietnam-Krieg, der Schah von Persien und seine Prügel-Truppen lieferten uns die geistige Munition. Im Westen entstand die radikale RAF, eine kriminelle Vereinigung, auf deren Konto einige Morde gingen. Es war der Kalte Krieg, die Mauer trennte den Osten vom Westen.
Sorge für Weimarer Verhältnissen
Darüber wurde berichtet, nicht alles aber war auch beliebt. Die Sorge vor Weimarer Verhältnissen ging bei älteren Zeitgenossen um, wir belächelten das, heute verstehe ich es besser. Dabei gab es damals, Mitte der 70er Jahre nur die Parteien CDU, CSU, die SPD und die FDP. Kleinere Parteichen traten bei Landtags- und Bundestagswahlen an, sie scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde. Der Vorsitzende der DKP hieß damals Herbert Mies. Der Mann trat so gut wie nie auf, in den Medien spielte er keine Rolle. Der damalige Chefredakteur der IGBE-Gewerkschafts-Zeitung „Einheit“, der Sozialdemokrat, Bürgermeister von Datteln und auch SPD-Bundestagsabgeordnete Horst Niggemeier war ein strammer Anti-Kommunist. Wenn in seiner Zeitschrift über Mies geschrieben wurde, setzte er in Klammern stets den Zusatz dahinter: „Die DDR ist unser Vorbild.“ Ein Zitat des DKP-Chefs.
Ich wundere mich, warum die öffentlich-rechtlichen Sender den Leuten der AfD die Bühne bieten. Sie werden es nie erreichen, dass dort die Wahrheit ans Licht kommt, nie werden die AfD-Vertreter die Fragen so beantworten, wie es im Interview gewünscht wird. Eher geben sie ihre Partei-Parolen von sich, damit ihre Sympathisanten sie hören und immer wieder hören und daran glauben. Sie wollen den Eindruck erzielen, auf Augenhöhe mit den Demokraten, den Parteichefs von CDU, CSU, der SPD, den Grünen und der FDP wahrgenommen zu werden. Ob sie lügen, wie das Minkmar beschreibt, indem er von dem einem Lügner Hitler auf den anderen Lügner Putin überleitet, „dem unbestrittenen Superstar der radikalen Rechten“, lass ich mal dahingestellt. Es stimmt, dass Putin den Bundeskanzler angelogen hat, den französischen Präsidenten, „es gehört zu seiner Aura von Macht. Einer, der gar keine Wahrheit braucht, der auf Kommunikation pfeift, weil ihm Machtmittel zur Verfügung stehen, die ihm mehr bringen als die kommunikative Suche nach Lösungen und Kompromiss.“ Putins „Programm und Medium“ sei die „Lüge“, stellt Minkmar fest „und so halten es auch alle anderen rechtsradikalen Formationen“. Sie spitzten zu, wechselten ihre Themen, stifteten Verzweiflung, gäben sich im Notfall ahnungslos und präsentierten sich dem Zuschauer als Retter. So konnte man den AfD-Spitzenkandidaten für die Europa-Wahl, Krah, gestern wahrnehmen. Sehr her, Freunde, die anderen Parteien haben alles kaputt gemacht, heruntergewirtschaftet, die Schulen, die Straßen, haben euer Geld zum Fenster rausgeworfen.
Chrupalla der Ahnungslose
Und weil das so ist, frage ich mich, warum die Sender der AfD den Bildschirm bieten, frage ich mich, warum Caren Miosga den AfD-Chef Tino Chrupalla in ihre Sendung einlud. Nichts erreichte sie, Chrupalla gab den Ahnungslosen, plädierte für seine in Misskredit geratenen Leute für die Unschuldsvermutung. Vorwürfe müssten ausgeräumt werden. Und so weiter. Es klang gut bis sehr brav, dass sie vorher im „Spiegel“-Gespräch betont hatte, sie halte „nichts“ von dem Vorwurf, „Talkshows böten solchen Parteien eine Bühne, die sie größer mache..“ Vor Jahren habe ich erlebt, wie der „Erfinder“ der „Hart, aber fair-Sendung“, Frank Plasberg, Guido Reil die Bühne gab, damit der sich über die SPD im Ruhrgebiet auslassen konnte, weil er die verlassen hatte und zur AfD gewechselt war. Das Migrations-Problem war die Ursache für den Krach Reils mit der damaligen NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft(SPD). Bei dem Interview war Plasberg der Stichwortgeber, Reil konnte seinem Ärger so richtig Luft verschaffen. Dem Moderator schien es gefallen zu haben.
Zurück ins Jahr 2024. Wir stehen kurz vor der Europa-Wahl. Und da erleben wir einen CSU-Politiker Manfred Weber, der der italienischen Faschistin Meloni fast schöne Augen macht, möchte ich das formulieren, sodass man glauben könnte, der würde natürlich in Brüssel und Straßburg mit den Faschisten gern Geschäfte machen, wenn es ihm und seiner parteipolitischen Community dienlich ist. Die Sache mit der Brandbauer gilt immer nur für den politischen Gegner. Dabei sind die Wahrheiten, die man mit der AfD verbindet, längst bekannt. Oder hat man das vergessen mit den Deportationsplänen? Sprechen Sie doch mal mit Deutschen mit Migrationsgeschichte, die werden ihre Sorgen äußern. Was soll aus biodeutschen Landstrichen im Osten werden? Minkmar zitiert entsprechende Befürchtungen aus dem Mund von Konzernlenkern wie Mittelständlern, tapferen Kommunalpolitikern. Was soll werden, wenn wir nur Urdeutsche hier haben werden? Leer wird es werden in Dörfern, in Betrieben. Ja, haben wir denn nach 75 Jahren alles verdrängt? Macht es niemanden nachdenklich, wenn Menschen, die sich betroffen fühlen vom Vormarsch der AfD und deren Plänen, auf gepackten Koffern sitzen? Mir wäre es lieber, diejenigen würden gehen, die andere herausdrängen wollen aus diesem Land. Demokraten sind erwünscht.
Fernsehen, schreibt Minkmar, sei ein Forum aber immer auch ein Schaufenster. „Was hier geboten wird, ist, wenn es nicht explizit ausgeschlossen wird, zur Nachahmung empfohlen. Darum sollte man …Vertreterinnen und Vertreter extremer Parteien nicht in Gesprächssendungen einladen. Ihr Mandat als Parlamentarier berechtigt sie dazu, in Landtagen und im Bundestag zu reden. Zu mehr nicht.“
Weltoffenes Lokal
Am Ende seiner lesenswerten Geschichte beschreibt der SZ-Autor, wie die AfD-Politiker Weidel, Gauland und Co 2019 einen Abend für die AfD-Fraktionsspitze im Berliner Restaurant „Bocca di Bacco“ reservieren wollten. Der Wirt des beliebten italienischen Lokals sagte den AfD-Repräsentanten ab. Man sei ein weltoffenes Lokal mit Angestellten und Gästen aus vielen Ländern. Und wörtlich: „Politiker und deren Angestellte, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion, politischer Einstellung oder Hautfarbe diskriminieren und diskreditieren, möchten wir nicht bedienen.“ Hausrecht? Schiefer Vergleich, fragt der Autor. „Nein. Auch TV-Sender und Talkshow-Produzenten, die mit geringem Aufwand jeden Abend gute Quoten erzeugen, können ihr Gewissen befragen und dann ihr Hausrecht gebrauchen.“ Übrigens werde ich beim nächsten Berlin-Besuch mal wieder ins Bocca di Bacco gehen.
„Es gibt kein Recht darauf, in einer Talkshow zu sitzen“. Betont Minkmar. Auch nicht für Parlamentarier. Die Sender und ihre Macher, die Journalisten und Programmchefs, müssen bedenken, dass erst der Auftritt in seriösen Sendern und Programmen Rechtsradikale salonfähig macht, sie aufwertet, sie auf Augenhöhe hebt mit den Demokraten, als wäre es das Normale der Welt. „Scheinbar vertrauenswürdig.“ Schreibt Minkmar.
Den Feinden der Verfassung muss man nicht die Hand reichen. Einer der großen Väter des Grundgesetzes, der Sozialdemokrat Carlo Schmid, forderte schon damals: Keine Toleranz gegenüber der Intoleranz.
Bildquelle: Wikipedia, Weeping Angel, Creative-Commons-Lizenz „CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright“