Nach der Amtseinführung Trumps, seiner imperialen Thronrede und seinen ersten zerstörerischen Amtshandlungen gab es zwischen den demokratischen Parteien weitgehend Einigkeit, dass eine Stärkung Europas eine oder die entscheidende Antwort des freiheitlichen Westens sein müsse. Friedrich Merz war einer der ersten Politiker, der dies kundtat.
Doch wenige Tage später war es der gleiche Politiker, der genau das Gegenteil unternahm: in seiner Brandrede nach dem Attentat von Aschaffenburg mit seinen fünf Punkten zur Verschärfung der Migrationspolitik stellt er sich nicht nur gegen das Asylrecht des Grundgesetzes. Er wendet sich deutlich gegen das EU-Recht, wenn er dauerhafte Grenzkontrollen einführen und einen „faktischen Aufnahmestopp“ einführen will.
Bewusst ignoriert Merz, dass die EU sich 2024 mühselig auf eine neue Asylpolitik geeinigt hatte. Eine Folge – die Zahl der irregulären Einreisen in die EU ist im Vergleich zu 2023 um 38 Prozent gesunken. In Deutschland wurden 2024 rund 29 Prozent weniger Asylanträge gestellt. Das neue EU-Asylrecht soll zudem vollständig erst ab Juni 2026 in allen 27 EU-Staaten greifen, damit soll die Zahl der Neuankömmlinge nochmals gesenkt, Verfahren beschleunigt und an die Außengrenzen verlagert werden. Das ist gültiges Recht, auch in Deutschland.
Es kann zu Recht darüber gestritten werden, welche Veränderungen notwendig sind, damit das Risiko von Attentaten wie in Aschaffenburg, Magdeburg, Solingen und Mannheim verringert wird, z. B. über die Organisation und Kommunikation der zuständigen Behörden oder wie die Gesellschaft sich besser vor offensichtlich psychisch kranken Menschen gleich welcher Herkunft schützen kann. Mit dem Asyl- und Flüchtlingsrecht haben diese Attentate aber wenig zu tun.
Warum also diese Brandrede von Merz, die ganz im Stil von Trump daher kommt („würde als Kanzler ab dem ersten Tag Zurückweisungen an allen Grenzen anordnen“)? Ist das „nur“ dem Wahlkampf geschuldet?
Die Union ist seit einiger Zeit auf Abwegen, weg von der „Merkel-CDU“, hin zu rechtspopulistischen Positionen. Wer noch über die Aussage von J. Klöckner gestaunt haben mag, nach der eine Wahl der AfD unnötig sei, weil die CDU doch schon die gleiche Politik betreiben würde, wird sich nach den jüngsten Einlassungen von Merz und Co. nicht mehr wundern können. Klöckner hatte ihren Satz schnell gelöscht. Aber vorher hatte der Generalsekretär der CDU, Carsten Linnemann, diesen Tweet gelikt. Und dieser enge Vertrauter von Merz äußerte am 24. Januar 2025: “Das Nazi-Bashing gegen die (AfD) und das Brandmauergerede müssen aufhören.“
Genau danach handelt jetzt sein Vorsitzender. Er öffnet die Tür für ein faktisches Zusammenwirken mit der AfD, wenn er zu seinen EU-feindlichen und grundgesetzwidrigen Anträgen im Deutschen Bundestag sagt: „Wer diesen Anträgen zustimmen will, der soll zustimmen.“ Die AfD applaudiert und freut sich, dass jetzt die Brandmauer gefallen sei.
Gleich mit welchen taktischen Manövern die Unionsspitze in den nächsten Tagen agieren wird, ob sie das Vorgehen zur Abstimmung ihrer Anträge aufrecht erhält, relativiert oder zurücknimmt – Friedrich Merz betreibt das Geschäft der Rechtspopulisten. Für wen ist die Union jetzt noch wählbar?