Er war die graue Eminenz, Ratgeber und Berater von Kanzler und Partei- und Fraktionschefs der CDU, er war der Verkäufer und Erklärer, der Vermittler der Kohlschen Politik, d e r Kommunikator im Bonner Regierungsviertel, er hat nie einen Journalisten übers Ohr gehauen, wenngleich er sicher nicht immer alles gesagt hat, was er wusste. Und er wusste viel, sehr viel, der Dr. Eduard Ackermann. Am 10. Februar ist er im Alter von 86 Jahren in einem Pflegeheim in Bonn gestorben. Bonn nimmt Abschied von seinem wohl letzten geheimen Rat im besten Sinne, von einer Persönlichkeit, die nie Feinde hatte und der viele über Parteigrenzen hinweg Respekt und Hochachtung zollten.
Ja, er war wirklich eine Institution in der alten Bundeshauptstadt, der treue Eduard, den wir Journalisten auch Ackervater nannten, nicht um uns über ihn lustig zu machen, sondern als Ausdruck unserer Wertschätzung. Von ihm konnte man viel lernen und manches erfahren, er interpretierte die Politik seines Kanzlers, dem er jahrelang gedient hatte, aber er tat das nie ideologisch, sondern in einer Art, die die Vorgehensweise des Bundeskanzlers verständlich machen sollte. Dabei ließ er uns noch genügend Spielraum für eigene Gedanken.
Der Mann, der mit seiner Frau Johanna ein Leben lang verheitatet war und mit ihr zusammen einen Sohn hat, kannte einfach die Politik. Von früh bis spät informierte er sich über Radio, Zeitungen, Fernsehen, er war dabei, wenn in der Früh die Lage im Kanzleramt erörtert wurde. Er musste, neben dem jeweiligen Regierungssprecher, diese nicht ganz einfache Aufgabe Tag für Tag übernehmen. Denn Helmut Kohl war nicht gerade begeistert, wenn man ihm schlechte Nachrichten über seine Regierung oder Auszüge aus Kommentaren der FAZ vorlas, in denen Kohl schlechte Noten erhielt. Dann konnte es passieren, dass der Kanzler aus der Haut fuhr und den Überbringer der negativen Botschaft in die Schranken wies.
Blitzableiter Kohls
Ackermann war der Blitzableiter, wenn Kohl seine schlechte Laune Journalisten spüren ließ, mit denen er nicht immer gut konnte. In seiner Beurteilung der medialen Zunft glich er zuweilen seinem Amtsvorgänger Helmut Schmidt, der die Bonner Journalisten schon mal als Wegelagerer titulierte. Aber immer dann, wenn es schwierig wurde, war der getreue Eduard zur Stelle und beruhigte so manche negative Stimmung bei Mitgliedern der Bundespresskonferenz. Rudi Strauch, der langjährige Vorsitzende der Bundespresskonferenz und einstige Büroleiter der Hannoverschen Allgemeinen, brachte die Rolle Ackermanns mal auf den Punkt: „Was für Goethe Eckermann, war für Kohl der Ackermann.“
Kohl zu beraten, das war nicht immer einfach, zumal wenn der Amtsinhaber mal wieder alles besser wusste als seine Umgebung. Dann folgte er seinen Ratgebern nicht. Und wenn es schief ging… Na ja, man kennt das aus anderen Zusammenhängen. Der Erfolg hat nur einen Vater, den Chef. Aber Ackermann hat das nie betont, nie hat er seinen Chef bloßgestellt oder Andeutungen gemacht, dass er sich etwa geärgert habe. Nein, er war der loyale Mitarbeiter von Helmut Kohl, dem er von früh bis spät diente. Eher hätte er Fehler auf seine eigene Kappe genommen, als sie dem Chef rüberzuschieben.
Bescheiden und loyal
Bescheiden war der Mann, der sich immer im Hintergrund aufhielt, aber darauf achtete, dass der Chef im Mittelpunkt stand und dabei eine gute Figur machte. Ackermann profitierte von seinem Wissen über all die Jahrzehnte, von seiner Erfahrung, die er machen durfte, als er früh, Ende der 50er Jahre von „Papa“ Heinrich Krone nach Bonn geholt wurde, dem Fraktionschef der Union. Ackermann wurde nach einem Jahr dessen Pressesprecher. Von Krone lernte der Mann, der selber Geschichte studierte hatte, den praktischen Umgang mit der deutschen Geschichte, die Lehre daraus. Krones bittere Erfahrungen in der Weimarer Zeit, als die Demokraten sich gegenseitig das Leben schwer machten und die Nazis am Ende die Macht übernahmen, wurden von Eduard Ackermann- wenn man so will- aufgesogen. Die Demokratie ging Krone, dem einstigen Zentrums-Mann, über alles und das war bei seinem Schüler und Sprecher ähnlich. Und die Lehre, dass es in der Demokratie politische Gegner gibt, aber keine Feinde.
Eine eigene Karriere als Abgeordneter hat er als junger Mann mal kurz überlegt, den Gedanken aber schnell verworfen. Sein Handicap war, dass er von Geburt einen schweren Augenfehler hatte. Netzhautoperationen konnten ihm nicht helfen. Ackermann musste stets eine Brille mit ziemlich dicken Gläsern tragen, in späteren Jahren konnte er nur noch mit einer Linse lesen. Aber er hatte ein phänomenales Gedächtnis bis ins hohe Alter, er war das lebende Lexikon der Politik.
Ackermann war nah dran an den politischen Entscheidern der Zeit, an Konrad Adenauer, an Heinrich von Brentano, an Krone, aber auch an Ludwig Erhard, Kurt-Georg Kiesinger, Rainer Barzel, Karl Carstens. Dass er so gut konnte mit Barzel, wird Kohl nicht so geschmeckt haben, aber Ackermann überzeugte mit seiner über alle Zweifel erhabenen Loyalität und seinem Einsatz und wurde Kohls Mann. Kohl profitierte von der Bodenhaftung seines Mitarbeiters im Rang eines Ministerialdirektors, dem Arroganz fremd war und der vielmehr durch Gradlinigkeit und Ehrlichkeit bestach.
Mittler zwischen Politik und Medien
Der Mittler zwischen Politik und Medien hatte es nicht immer leicht, was man ihm aber nicht ansah. Und was er auch nie aussprach. Bis heute hält sich die Geschichte, dass Ackermann und Kohls damaliger Regierungssprecher Friedhelm Ost verantwortlich dafür gewesen seien, dass in einem Interview der US-Zeitschrift „newsweek“ der von Helmut Kohl gezogene Vergleich zwischen Gorbatschow und Goebbels erschien, was für eine kurze Zeit zu atmosphärischen Störungen zwischen Bonn und Moskau führte. Zweifel an dieser Version sind erlaubt. Denn ein solches Interview wird vor Drucklegung immer als Fahnenabzug vorgelegt, es muss autorisiert werden, ehe es in einer Zeitschrift oder Zeitung erscheint. Ackermann hat sich dazu nie geäußert.
Und wie war das eigentlich mit dem Bekanntwerden der Spendenaffäre, in die Helmut Kohl verwickelt war, was er aber stets abgestritten hatte? Seine politischen Freunde und Mitarbeiter hatten Kohl stets in Schutz genommen gegen entsprechende Attacken. Aber eines Abends hörte man Kohl in der ZDF-Sendung „Was nun Herr Kohl“ mit Klaus Bresser. Und siehe da, Kohl räumte gewisse Dinge ein. Seine Mitstreiter sahen plötzlich alt aus, weil sie sich geleimt fühlen mussten von ihrem einstigen Chef. Ob er enttäuscht war, dass Kohl ihn, den getreuen Eduard, nicht eingeweiht hatte? Kein Wort dazu von Ackermann, niemals.
Vor über 20 Jahren rühmte die einstige Zeit-Reporterin Nina Grunenberg in einem Porträt über Ackermann in der angesehenen Hamburger Wochenzeitung dessen Loyalität und Bescheidenheit und fügte noch hinzu: „Finde so einen noch mal!“ Und es passt ins Bild dieses Mannes, dass er auf die Frage, was er sich denn in seiner Grabrede erhoffe, geantwortet hat: „Dass ich stets meine Pflicht getan habe.“ Da wird ihm niemand widersprechen.
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