Es ist vorbei mit der Ruhe und der weißblauen Beschaulichkeit in der CSU. Die Bundestagswahl hat die Partei, die in ihrer Vergangenheit fast immer nur absolute Mehrheiten kannte, mächtig durchgeschüttelt. 38,8 Prozent, das ist viel zu wenig für eine CSU, der ein journalistischer Feingeist wie Herbert Riehl-Heyse(Süddeutsche Zeitung) einst das leicht ironisch gemeinte Lob schrieb, sie habe das schöne Bayern erst erfunden. Man ist sauer auf Angela Merkel, man ist mehr als verärgert über Horst Seehofer, den CSU-Parteichef und bayerischen Ministerpräsidenten.
Ein CSU-Kenner beschreibt die Lage trefflich so: „Es gärt in der CSU. Die Seehofer-Zeit ist zu Ende.“ Der versuche sich nur noch mit Brachialgewalt an der Macht zu klammern und sollte doch wissen, dass die Übergänge in der CSU nie planmäßig gewesen seien. Seehofer selbst sei schließlich dabei gewesen, als man Edmund Stoiber in die Wüste geschickt habe. Die Zeit, die der CSU-Experte beschreibt, ist zehn Jahre her. 2007 trat der einst als übermächtig geltende Stoiber von beiden Ämtern zurück, seine Erben Erwin Huber und Günther Beckstein konnten sich nicht lange freuen, ein Jahr später war ihre Zeit vorbei, weil die CSU bei der Landtagswahl nicht den gewünschten Erfolg erzielt hatte. Nachfolger wurde Horst Seehofer und zwar als Parteichef und bayerischer Ministerpräsident.
Seehofer spürt seit dem Sonntagabend eine wachsende Stimmung gegen sich und er wehrt sich lauthals gegen Rücktrittsforderungen, wie sie aus einigen Orts- und Kreisverbänden gestellt wurden, er wehrt sich in der Landtagsfraktion vehement gegen den Stil, der der CSU nur schaden werde. Ausgerechnet er, der damals vom Sturz der Altvorderen profitierte und der wegen seiner Unberechenbarkeit nicht umsonst den wenig schmückenden Spitznamen trägt: Drehhofer, weil er sich eben oft genug so schnell dreht und seine Meinung ändert, dass selbst seine Freunde nicht immer wussten, wo der Chef gerade steht.
Als Stoiber beide Ämter verlor
Dass er am am heutigen Mittwoch starken Beifall bekommen hat von der Fraktion für seine kämpferische Rede, wird er nicht überbewerten. Das Blatt kann sich schnell wieder wenden und aus Beifall können Pfiffe und Intrigen gegen ihn werden. „Er wird wissen, dass er sich auf niemanden verlassen kann“, so der CSU-Kenner, der sie alle erlebt hat an der Spitze der Partei, von Strauß über Streibl, Stoiber, Waigel bis hin zu Seehofer. Das Intrigantentum sei in der CSU weit verbreitet. Seehofer müsse doch nur mal die Geschichte von Stoiber in Kreuth nachlesen. Noch am 17. Januar 2007 hatte der damalige CSU-Landtagsfraktionchef Joachim Herrmann betont, die CSU-Abgeordneten stünden hinter Stoiber. Ein gefährliches Bild, denn wer hinter einem steht, kann einem schnell in die Beine treten oder woanders hin. Und schon einen Tag später wurde in Kreuth kolportiert, Stoiber werde den Weg freimachen für Huber und Beckstein. Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident verließ den Tagungsort Kreuth, um am nächsten Tag in München seinen Rücktritt von allen Ämtern zu erklären. So schnell kann es gehen.
Seehofers mahnende Worte, die CSU sei an einem Scheideweg, werden ihm kaum helfen. Der Identitätsverlust der CSU durch die schweren Wahlverluste sei enorm, die Verunsicherung innerhalb der Partei mit Händen zu greifen, der Nimbus der CSU habe heftige Kratzer abbekommen, so der CSU-Kenner. Überraschend sei das Ergebnis aber nicht für alle gewesen. Wer mit offenen Augen durchs Land gefahren sei, habe kaum Plakate oder Infostände gesehen. Die mangelnde Präsenz sei wohl einer überheblichen Faulheit geschuldet, man habe sich zu sicher gefühlt, vielleicht kein Wunder bei der schwachen parteipolitischen Konkurrenz. Leider habe man dabei die AfD vergessen.
Merkels Verhalten eine Unverschämtheit
Jamaika? Möglich sei das schon, schätzt der CSU-Kenner die Lage in Berlin ein. Schon aus machttaktischen Gründen und der Liebe zu Ämtern würden die Bundestagsabgeordneten eine solche Koalition nicht so schnell scheitern lassen. Die von Seehofer so laut geforderte Obergrenze werde nicht das Problem sein, auf sie könne man aus Gründen der Staatsräson verzichten. Schließlich müsse ja eine Regierung gebildet werden, die eben nur mit der CDU, der CSU, der FDP und den Grünen möglich sei. Die Kanzlerin dürfe aber nicht glauben, dass man einfach zur Tagesordnung übergehen könne. Ihr Auftreten und das Ignorieren eigener Fehler sei in den Augen vieler Politiker in der CSU und der CDU schon „eine Unverschämtheit“. Überhaupt sei man mit dem Debattenstil von Merkel sehr unzufrieden. Helmut Kohl habe Diskussionen über die Lage und Fehler bei Wahlkämpfen zugelassen, Merkel verdränge das einfach. Dabei seien gerade jetzt Auseinandersetzungen nötig, wie es weitergehen solle. Die Quittung habe Volker Kader bekommen. Er sei im Grunde der Blitzableiter für Merkel gewesen und deshalb nur 77 Prozent der Stimmen für seine Wiederwahl als Fraktionschef der Union erhalten.
Seehofer will die Diskussionen über die Lage, über die Wahl, über das Personal und damit auch -gewollt oder ungewollt- über seine Nachfolge erst auf dem Parteitag im November in Nürnberg führen. Ob er Söder verhindern kann? Der sei sicher inhaltlich der beste Mann der CSU, mache einen sehr guten Job als Landesfinanzminister, sein Mut, sich auch inhaltlichen Kontroversen zu stellen, sei bekannt, Aber der Nürnberger sei in einigen Kreisen der CSU auch unbeliebt. Man halte ihn für arrogant und teils unseriös, dazu habe er selber auch ein Stück weit beigetragen, indem er einen ehemaligen Bild-Journalisten zu einem Pressechef gemacht habe. Ob die CSU einen vor Jahren gestürzten Karl-Theodor von und zu Guttenberg auf den Thron hebe, sei mindestens fraglich. Man ist ratlos in der einst so starken und von sich überzeugten CSU. Vieles ist möglich nach der Riesen-Klatsche bei der Bundestagswahl.
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