Die SPD wirkt in diesem Wahlkampf wieder mal viel zu verzagt und ängstlich. Der politische Gegner, auch wenn man mit ihm zusammen regiert, sitzt auf der anderen Seite der Arena. Mit ihm muss man sich über den richtigen Weg streiten, darüber, wie man Ziele erreichen kann. Der Gegner sitzt nicht in den eigenen Reihen. Beispiel: Gerhard Schröder oder früher, lang ist es her, Helmut Schmidt. Man nehme nur mal die Agenda 2010, immerhin eine Reformpolitik, um die uns die halbe Welt beneidet, auch wenn sie reformbedürftig ist. Die parteiinternen Gegner diskutierten und verwarfen diese Politik des damaligen Kanzlers, als sei sie Teufels Werk. War sie aber nicht und ist sie nicht. Schröder selbst hat im Nachgang betont, dass er nicht Moses sei und die Agenda nicht die zehn Gebote. Heißt: Also reformiert die Agenda im Lichte der Entwicklung, ergänzt und korrigiert sie da, wo es nötig erscheint. Aber was taten die zahlreichen Agenda-Gegner? Sie stimmten in die totale Ablehnung der Reform ein und gingen der Linken von Oskar Lafontaine auf den Leim.
Jeder Vergleich hinkt. Aber ich erinnere mich noch sehr gut an die Zeit des Kanzlers Helmut Schmidt, als er Ende der 70er Jahre den Nato-Doppelbeschluss forderte, weite Teile der SPD ihn aber kategorisch ablehnten. Aber gerade dieser Sicherheitsbeschluss von Schmidt wurde von seinem Amtsnachfolger Helmut Kohl übernommen, er war ein Kern der Sicherheitspolitik des Westens gegenüber dem Warschauer Pakt. Das Ende ist bekannt. Heute urteilen Historiker, dieser Nato-Doppelbeschluss habe mitgeholfen, den Kalten Krieg zu beenden. Die SPD drohte diese Politik fast zu zerreißen. Als der Hamburger in einem konstruktiven Misstrauensvotum, ausgelöst von der Union und der FDP, gestürzt wurde und sich später auf einem Parteitag der SPD in Köln stellte, bekam er für seine Außen- und Sicherheitspolitik gerade noch 14 Ja-Stimmen(von 400 Stimmen), der Rest der SPD lehnte Schmidts Politik ab. Darunter auch Willy Brandt und Hans-Jochen Vogel. Die Partei-Linke nannte Schmidt einen „nützlichen Idioten“ des US-amerikanischen Angriffskriegs. Schon vergessen? Oder nehmen wir die Äußerungen Oskar Lafontaines vom Juli 1982. Die Tugenden von Schmidt -Pflichtgefühlt, Berechenbarkeit, Machbarkeit, Standhaftigkeit- tat der Saarländer als Sekundärtugenden ab, mit denen man auch ein KZ leiten könne.
Es dauerte Jahre, bis die SPD erkannte, welch bedeutender Kanzler aus ihren Reihen dieses Land regiert hatte. Es dauerte Jahre, bis man Schmidt die Ehre zu teil werden ließ, die ihm zustand. Björn Engholm war lange Zeit einer der wenigen aus der Enkel-Schar der Partei, die Helmut Schmidt Respekt und Anerkennung zollten. Und als Gerhard Schröder Bundeskanzler wurde, bat er Schmidt des öfteren um Rat. Der tat ihm den Gefallen und besuchte ihn fast regelmäßig im Kanzleramt und tauschte sich mit dem Amtsinhaber über die Politik aus.
Genscher mahnte Westen: Putin die Hand reichen
Heute muss sich Schröder der Kritik aus Parteikreisen erwehren, Schröder erlebt, wie selbst der Kanzlerkandidat Martin Schulz und andere auf Distanz zu ihm gehen, weil Schröder vom Aufsichtsrat von Rosneft ein Angebot erhalten hat. Rosneft sei Putins Ölmacht, wird argumentiert, die Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim werden ins Spiel gebracht, Schröders Überlegungen werden als falsch bezeichnet. Warum eigentlich? Die Europäische Union braucht Russland und Putin ist der Präsident. Mit den Sanktionen erreichen wir gar nichts, wir schädigen die deutsche Wirtschaft, die in Russland gutes Geld verdient. Und es war und bleibt ein Fehler, Putin nicht mehr zu den Gipfeln der Mächtigen der Welt einzuladen. Wir müssen mit Putin reden, wenn wir was erreichen wollen. Und dazu kann gerade einer wie Schröder Hilfe leisten. Schröder ist mit Putin befreundet. Ja, und? Oder glaubt jemand, der Altkanzler würde für ein paar Euro- ja ich weiß, dass es mehr sind- seine Identität verzocken?
Gerade Angela Merkel und andere führende Köpfe in der EU sollten darüber nachdenken, welchen Fehler sie damals gemacht haben, als sie mit der Ukraine sprachen, aber Putin außen vorließen. Sie alle sollten bedenken, wie das damals war, als Gorbatschow die Panzer in den Kasernen ließ, die Mauer in Berlin fiel und die Deutschen ihre Einheit bekamen. Sie sollten bedenken, welche Versprechen des Westens es damals gegenüber Russland gab: keinen Fußbreit werde der Westen, werde die Nato sich nach Osten auf das ehemalige Gebiet des Warschauer Paktes ausbreiten. Aber durch eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato würde der Westen seine Grenze nach Osten um 1000 Kilometer verlegen und es eine gemeinsame Grenze mit Russland geben. Schon vergessen? Die Schwarzmeerflotte Russlands wäre eingeschlossen gewesen. Es war übrigens der langjährige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher, der an diese mündlichen Zusagen des Westens erinnert und den Westen wenige Monate vor seinem Tod aufgefordert hatte, auf Putin zuzugehen und ihm die Hand zu reichen.
Schulz ist kleinlich und hasenfüßig
Schröders Rolle bei Rosneft könnte für Deutschland von großem Nutzen sein, er könnte die deutsch-russischen Beziehungen verbessern helfen, wovon auch die EU profitieren würde. Ich verstehe die kleinliche, ja hasenfüßige Haltung von Martin Schulz und anderen führenden Sozialdemokraten nicht. Indem die SPD Schröder kritisiert, hilft sie ihren Gegnern im Wahlkampf, die sich die Hände reiben, weil all dies dem Kanzlerkandidaten Schulz nicht hilft, sondern ihn noch mehr in die Defensive treibt.
Das macht die Union anders. Beispiel: Theodor zu Guttenberg. Der Baron aus Franken musste damals als Verteidigungsminister gehen, weil die Wissenschaft ihm nachwies, dass er seine Doktorarbeit nicht eigenhändig geschrieben hatte. Der Professor, der die Arbeit des einstigen Verteidigungsministers im Nachgang beurteilen musste, kam zu dem Ergebnis: „Wir sind einem Betrüger aufgesessen.“ Derselbe Guttenberg, der sich nach diesem Absturz und der Blamage in die USA zurückzog, wird von CSU-Chef, dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, seit längerem fast hofiert, doch in die Politik zurückzukehren. Als was auch immer. Kann sein, dass Seehofer den Guttenberg auch nur dazu benutzen will, den weiteren Aufstieg des bayerischen Finanzministers Söder zu verhindern. Aber Seehofer tut so, als sei nichts gewesen, als sei es ganz normal, wenn Guttenberg wieder einstiege in die Politik. Und damit nicht genug: die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gerade betont, wie es sie freue, dass Theodor zu Guttenberg wieder Wahlkampf mache für die Union.
Wahlkampf geht anders. Mit Mut und Mumm.
Bildquelle: Wikipedia, User Mettmann, CC BY 3.0