Seit der Zeit, als die ersten Gastarbeiter nach Deutschland kamen, haben sich die hiesigen Essgewohnheiten fundamental verändert. Mit dem Einzug der Zuwanderer haben auch deren Landesküchen bei uns Einzug gehalten. Vor allem die italienisch-spanische und die türkische Küche gehören in vielen deutschen Haushalten zum alltäglichen Standard.
Vergessen wird dabei häufig, dass „Mutters Kochtopf“ stets als eine Orientierungshilfe in der Fremde dient. Insofern kommt der Ernährung eine bedeutende identitätsstiftende oder auch abgrenzende Rolle im Rahmen von Migrationsprozessen zu. Kulinarische Gewohnheiten und Ethnizität stehen also in einem engen soziologischen Zusammenhang. Der Zunahme von ‚ethnic food‘ und „ethnischen Restaurants“ durch interkulturelle Kontakte steht vielfach das Beharren beim ‚Eigenen‘, bei der gewohnten (regionalen) Kost gegenüber, die oft mit hohem Symbolwert aufgeladen wird; häufiger noch ist die nachhaltige Adaptation des Fremden an den eigenen Geschmack. Dies bedeutet, dass sich Migranten an ihren angestammten Essgewohnheiten oft festklammern – seien diese in ernährungswissenschaftlicher Hinsicht nun „gesund“ oder auch nicht.
Veränderte Lebenswelten
Doch andere Umweltbedingungen, ein neuartiges Warenangebot wie auch der finanzielle Rahmen zwingen die Menschen parallel auch dazu, ihre Essgewohnheiten in der Fremde zumindest bis zu einem gewissen Grad zu modifizieren. Und weil viele migrantische Familien bereits in ihren Heimatländern eher den ländlichen und/oder sozial benachteiligten Schichten angehört haben, ist der Zugang zum Erlernen der Sprache meist genauso erschwert. Der öffentliche Informationsfluss hinsichtlich gesundheitsspezifischer Ernährungsthemen findet deshalb oft genug keinen Durchlass.
Wer geschulten Blickes durch unsere Großstadtparks schlendert, der kann besonders am Rande von Spielplätzen unschwer erkennen, worum es geht: Die Picknick-Decken von großen Migrantenfamilien sind meist gespickt mit Süßigkeiten. Hinzu kommen leckere Pide und andere Weißmehlprodukte. Zum Trinken gibt es für die Kleinen meist Eistee oder ebenso zuckerhaltige Limonaden. Das hat fatale Folgen: Viele Migrantenkinder sind schon im Kleinkindalter zu dick.
Nicht nur die Studie URMEL-ICE des Ulmer Universitätsklinikums, sondern auch die Ausarbeitungen von zahlreichen Gesundheitsämtern belegen, dass rund 24 Prozent der Migrantenkinder zu viel Gewicht auf die Waage bringen; etwa sieben Prozent leiden an Adipositas. Von den Grundschülern ohne Migrationshintergrund betrifft dieses Problem nur 13 Prozent. Innerhalb der Gruppen verteilen sich die Übergewichts-Fallzahlen gleichmäßig auf die beiden Geschlechter. Doch bei der Fettleibigkeit gibt es einen Unterschied: Bei den Heranwachsenden ohne Migrationshintergrund sind mehr Mädchen als Jungen betroffen, bei den Migrantenkindern verhält es sich umgekehrt. Übergewicht führt schon in der Jugend und dann in zunehmendem Alter zu manchen chronischen Krankheiten – vor allem zu Diabetes.
Vorbeugen ist allemal besser als heilen!
Dies betrifft auch die zahlreichen Präventionsbemühungen von Krankenkassen und anderen Institutionen wie etwa der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Bzga) in Köln, die ebenfalls versucht, betroffenen Eltern mit Info-Materialien zum Themenkreis „Sport und Ernährung im Kindesalter“ zu helfen. Doch die zumeist schlechten deutschen Sprachkenntnisse sorgen für Verständnisprobleme, die nur überwunden werden können, wenn den Bedürfnissen der Zielgruppe noch besser Rechnung getragen wird. Will heißen, dass etwa Broschüren in einfachen Worten und mit großen Schaubildern gehalten sein sollten oder aber Aufklärungsarbeit (u.a. Workshops und Seminare) für spezielle ethnische Kommunitys in den jeweiligen Muttersprachen stattfinden sollte. Derartige Info-Veranstaltungen sind immer dann besonders effektiv, wenn sie mit übergreifenden Aktivitäten verknüpft werden. Angefangen bei Elternabenden können solche Angebote auch Kochkurse oder Sportfeste mit einschließen. In Quartieren mit einem höheren Ausländeranteil sollten ohnehin mehr Sport- und Spielangebote für die ganze Familie angeboten werden.
Interkulturelle Kommunikation in der Präventionsarbeit
Migranten sind in den Ausbildungsberufen wie Diätassistent, Lebensmitteltechniker oder Kaufmann im Gesundheitswesen bislang kaum vertreten. Das Fundament für die Veränderung von Essgewohnheiten und dauerhafte Teilnahme an Gymnastikkurse ist insbesondere die kulturspezifische Kommunikation.
In den dafür wichtigen Berufszweigen sollten die Experten neben dem theoretischen, methodischen und sachinhaltlichen Rüstzeug, die kulturell verschiedenen Sinnhorizonte Kassenmitglieder interpretieren und vor allem auch selbst interkulturell kompetent handeln.
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