Fast ein Viertel der gut 80 Millionen Menschen, die in Deutschland leben, wohnen und arbeiten, hat einen Migrationshintergrund. Im letzten Jahr ist die Zahl um über 8 % auf 18,6 Millionen gestiegen; schon in den 5 Jahren zuvor gab es eine Zunahme. Knapp 50 % der Migranten sind Ausländer. Mehr als 50 % haben inzwischen einen deutschen Pass, sind also deutsche Staatsbürger mit allen Rechten und Pflichten.
Freizügigkeit in der EU
Noch vor einigen Jahren wurde in unserer Republik gegen Multikulti polemisiert. Der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber warnte vor einer „Durchrassung“ Deutschlands, der NRW-Politiker Jürgen Rüttgers gab die Parole „lieber Kinder als Inder“ aus. Doch das ist alles Schnee von gestern. Deutschland ist heute bunter und vielfältiger, vor allem auch weltoffener als jemals zuvor. Nur von der AfD, Pegida und sogenannten Identitären sind immer wieder dumpfe nationalistische Töne zu vernehmen.
Die überwiegende Mehrheit der „Ur-Deutschen“ lehnt solche bornierte Engstirnigkeit und jeden Chauvinismus ab. Insbesondere die jüngere Generation bekennt sich als Europäer, schätzt die Vorteile eines offenen Kontinents, die Freizügigkeit ohne Grenzen – sei es beim Studieren, Arbeitsplatz oder Reisen. Aus europäischen Ländern sind die meisten Migranten nach Deutschland gekommen.
Flüchtlinge aus Afrika und Asien
Allerdings stammen inzwischen 2,3 Millionen Migranten aus afrikanischen und arabischen Staaten; diese Gruppe ist seit 2011 um über 50 % gestiegen. Dieser Anstieg resultiert vor allem aus den Flüchtlingsströmen der Jahre 2015 und 2016. Bislang haben wir es noch nicht geschafft, diese Kriegs- und Armutsflüchtlinge sowie Asylbewerber behördlich exakt zu erfassen. Die Terrorakte der jüngsten Zeit haben mehr als deutlich gemacht, dass sich deutsche Ämter außerordentlich schwer tun, die Flüchtlinge zu überprüfen, die Personendaten samt Fingerabdruck festzuhalten und für alle Behörden verfügbar zu machen, was zur Verfolgung von Straftätern und IS-Terroristen dringend notwendig wäre. Denn wer vor Krieg, Terror und Verfolgung zu uns flüchtet, muss unsere Gesetze befolgen, darf nicht als Terrorist aktiv werden und menschenmordend durch Deutschland ziehen. Das Versagen der staatlichen Sicherheitsbehörden war wahrlich bei einigen Fällen mehr als eklatant. Das führt dann dazu, dass die Flüchtlinge in Generalverdacht geraten und fremdenfeindlichen Scharfmachern Auftrieb gegeben wird. Die Migranten, die hier bleiben dürfen, müssen jedoch in die deutsche Gesellschaft und Wirtschaft eingegliedert werden, um nicht dauerhaft Kostgänger des Sozialstaates zu sein. Ihr Bildungsstand ist allerdings vielfach außerordentlich niedrig: Rund ein Viertel der Migranten zwischen 25 und 35 Jahren hat keinen Schul-, rund ein Drittel keinen Berufsabschluss. Das Hauptproblem ist jedoch, dass nur ganz wenige über Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen.
Migranten-Chancen für Deutschland
Die Eingliederung von Migranten hat seit langem nicht optimal funktioniert. Sie wurde bereits vernachlässigt, als in den 60er Jahren Türken der ersten Gastarbeitergeneration angeworben und nach Deutschland gelockt wurden. Damals ging man davon aus, dass sie hier ein paar Jahre Arbeiten machen würden, für die Deutsche nicht zu finden waren. Investitionen für deren Integration, für Bildung und Qualifizierung, für gesellschaftliche Anerkennung und Aufnahme wurden eher nur halbherzig oder gar nicht gemacht. Inzwischen leben und arbeiten Millionen Türken in der zweiten und dritten Generation bei uns. Ohne sie sähe es in manchen Betrieben schlecht aus – in der Industrie, im Handwerk, Handel und Gewerbe. In diesen Tagen melden gerade viele Krankenhäuser und Pflegeheime einen Personalnotstand. Es fehlen viele tausend Arbeitskräfte. Im Handwerk können Tausende von Lehrstellen nicht besetzt werden. In vielen Bereichen der Wirtschaft sieht es nicht anders aus. „Wir schaffen das“, so hat die Bundeskanzlerin im Herbst 2015 verkündet, als sie die Grenzen für Flüchtlinge öffnete. Das könnte sich noch als erfüllbar erweisen, wenn wir die Chancen erkennen und realisieren, die Deutschland mit den vielen Migranten in Zukunft haben könnte.
Die überwiegende Mehrzahl der Flüchtlinge will arbeiten und Geld verdienen. Mangels einer fachlichen Qualifikation und der Sprachkenntnisse kommen sie zunächst nur als Hilfsarbeiter in den Firmen an. Vielfach werden die Flüchtlinge über Zeitarbeitsunternehmen angeboten und vermittelt. Das Bundesarbeitsministerium beurteilt dies als positiven ersten Schritt, damit Geflüchtete auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen. Denn sie lernen im Job oft genug mehr Deutsch als in Sprachkursen, finden Kontakte zu Arbeitskollegen, erhalten wichtige Informationen und sammeln Erfahrungen mit den Abläufen in den Unternehmen. Nach einer solchen ersten praktischen Tätigkeit ergeben sich Chancen zur berufsbegleitenden Weiterqualifizierung, um nicht auf Dauer Helfer oder Hilfsarbeiter zu bleiben.
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