Die Bundeskanzlerin predigte auf dem jüngsten G 20-Gipfel in Hamburg den Freihandel in der Welt. Angela Merkel machte vehement Front gegen den Protektionismus, also gegen alle Beschränkungen des freien Austausches von Waren, Dienstleistungen und Kapital. In vielen Staaten – vor allem in den USA mit dem Präsidenten Trump – wird mit der Errichtung protektionistischer Hindernisse und Mauern mehr und mehr gedroht und geliebäugelt. So sollen ausländische Konkurrenten abgewehrt, eigene Industriebranchen geschützt und Arbeitsplätze gesichert werden.
Trade is better than aid!
Seit langem ist jedoch bewiesen, dass der ungehinderte Austausch von Gütern, Dienstleistungen, know how und Kapital weltweit zu höherem Wohlstand beiträgt. Selbst für eine bessere Entwicklungspolitik gilt die Einsicht: Trade is better than aid, Handel ist besser als Hilfe! Mit Blick auf Afrika und andere Regionen der dritten Welt sollte vor allem die EU ihre protektionistischen Instrumente vollends einpacken. Denn die Förderung der Landwirtschaft in Äthiopien oder Kenia mit finanziellen Mitteln aus europäischen Kassen bringt den Ländern zu wenig, wenn sie nicht zugleich die Chancen haben, ihre Produkte auch auf Märkten der EU zu verkaufen.
Vollends irritierend wirken nun insbesondere die von der Bundesregierung angestrebten Maßnahmen gegen ausländische Investoren. Vor mehr als einem halben Jahrhundert gab es bereits in deutschen Landen die übertriebene Angst vor dem „Ausverkauf in Germany“, also vor allem vor Investoren aus den USA. Dass sich der Einstieg amerikanischer Firmen in deutsche Unternehmen durchweg segensreich für Wohlstand, Arbeitsplätze und Innovationen ausgewirkt hat, scheinen Politiker vergessen und verdrängt zu haben. Denn während die Bundeskanzlerin noch ganz engagiert für so viel Freiheit wie möglich und so wenig Regulierung wie nötig in der Weltwirtschaft wirbt, legt das Bundeswirtschaftsministerium Vorschläge für Änderungen im deutschen Außenwirtschaftsrecht vor, die auf mehr Protektionismus abheben.
Diese angestrebten Schutzmaßnahmen zielen zuvorderst auf eine Abwehr chinesischer Investoren ab.
Großes China-Engagement in Deutschland
In der Tat haben sich Unternehmen aus der Volksrepublik China in den letzten Jahren mit vielen Milliarden in der deutschen Wirtschaft engagiert. Besonderes Aufsehen erregte dabei die Übernahme des deutschen Roboter-Produzenten KUKA durch die Midea-Gruppe aus Foshan. Während KUKA selbst dadurch große Chancen für die Zukunft gerade auf den expansiven asiatischen Märkten sah, meldeten der damalige Bundeswirtschaftsminister Gabriel und der EU-Kommissar Oettinger Bedenken gegen diese Transaktion an. Der Einstieg einer chinesischen Firma bei der deutschen Aixtron, einem Chip-Hersteller, wurde sogleich politisch verhindert. Insgesamt haben sich chinesische Unternehmen im 1. Halbjahr 2017 bei etwa 15 Firmen in Deutschland beteiligt oder sie übernommen und dafür mehr als 3,5 Mrd. € investiert. 2016 war ein Rekordjahr, als fast 11 Mrd. € an chinesischem Kapital in die deutsche Wirtschaft floss. Dagegen lagen die Investitionen aus dem Reich der Mitte in 2015 bei ca. 500 Mio. €, in den Jahren zuvor im Schnitt bei 2 bis 3 Mrd. €. Angesichts von etwa 50 Mrd. €, die im Schnitt des letzten Jahrzehnts an ausländischen Direktinvestitionen pro Jahr in deutsche Unternehmen flossen, sind die Beteiligungen aus China gewiss nicht dominant. Deutsche Firmen haben im Übrigen 2015 über 100, 2016 fast 70 Mrd. € im Ausland direkt investiert – viele Milliarden davon auch im Reich der Mitte.
Keine Welle bedrohlicher Firmen-Übernahmen
Die Firma Jungheinrich, weltweit eines der führenden Unternehmen für Gabelstapler und Sortieranlagen, hat in China auch schon viel Geld investiert. Der Chef, Hans-Georg Frey, bekundete jüngst, dass „Firmenkäufe zu einer offenen Welt und zu einem freien Handel dazugehören.“ In China betreibt Jungheinrich ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Marktführer Heli; gemeinsam werden Stapler vermietet. „Tatsächlich ist es für Chinesen einfacher, in Deutschland bei Firmen einzusteigen als umgekehrt“, so schildert der Jungheinrich-Chef seine Erfahrungen: „Aber wir wurden von den chinesischen Behörden gut behandelt und gut unterstützt. Beim Blick auf die vergangenen 30 Jahre muss man den Chinesen zugutehalten, dass sich der Markt zunehmend geöffnet hat.“ Sein Unternehmen produziert Maschinen für Asien in einem eigenen Werk in China, was sehr vorteilhaft ist, denn diese Geräte „made in China“ werden mit Erfolg in andere Länder und auch nach Deutschland verkauft.
Auch Michael Fuchs, Wirtschaftspolitiker der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, warnt vor einem Schnellschuss der Bundesregierung, der als Signal des Protektionismus verstanden werden könnte. Er sieht nicht, dass eine „Welle bedrohlicher Firmenübernahmen auf unsere Wirtschaft zurollt“. Eher könnte jeder Schwenk in Richtung Protektionismus Wachstum und Beschäftigung in Deutschland gefährden. Immerhin, das sollten auch die Experten im Bundeswirtschaftsministerium längst wissen, ist Deutschland mehr als jede andere Volkswirtschaft auf offene Märkte weltweit angewiesen.
Neue Hürden der Bundesregierung
Die Bundesregierung will mit den Änderungen im Außenwirtschaftsrecht insbesondere den „Ausverkauf der deutschen Schlüsselindustrien“ verhindern. Dazu würden etwa Software-Produzenten ebenso zählen wie andere Schlüsseltechnologien, kritische Infrastrukturen und Branchen im Rüstungssektor. Wenn die Politik nach einer intensiven Überprüfung zu dem Schluss kommen würde, dass durch die Übernahme von Firmen in diesen Bereichen die öffentliche Ordnung, die Sicherheit oder wesentliche Sicherheitsinteressen gefährdet werden, könnte eine solche Transaktion verboten werden. In sensiblen Sektoren drohen damit Untersagungen durch die Bundesregierung. Berlin steht damit nicht allein, denn auch die EU-Kommission ist dabei, nach Instrumenten zu suchen, um in Zukunft unerwünschte Firmen-Übernahmen durch EU-Ausländer, wohl vor allem durch chinesische Investoren, zu unterbinden. Der gemeinsame europäische Weg ist allemal besser als ein deutscher Alleingang. Gewiss gibt es in keinem anderen Land so viele „hidden champions“ im Mittelstand wie in Deutschland, die natürlich für Direktinvestoren aus dem Ausland besonders attraktiv sind. Dennoch fordert Michael Theurer, Mitglied des Europäischen Parlaments für die Liberalen, „ein Gesetz auf europäischer und nicht auf nationaler Ebene, sonst droht ein protektionistisches Wettrüsten.“
Tritt Peking auf die Bremse?
Allerdings gibt es inzwischen deutliche Signale aus Peking an chinesische Firmen, die Investitionen im Ausland weniger stark auszuweiten als in der jüngsten Vergangenheit. So sollen insbesondere die Banken Chinas, die die Expansion der Unternehmen großzügig finanziert haben, auf Risiken durch Auslandsschulden hin überprüft werden. Der Finanzsektor wird beim KP-Parteikongress im Oktober ein wichtiges Thema sein. Bislang war das Engagement in ausländischen Firmen von der politischen Führung Chinas durchaus unterstützt worden. Da dieser Expansionskurs bislang jedoch mit einer hohen Verschuldung finanziert wurde, will die KP-Führung in Zukunft zwar nicht vollends auf die Bremse treten, doch eine nachhaltigere Finanzierung der globalen Firmenengagements fordern. Die Vizechefin von Fosun, eines der größten privaten Konglomerate Chinas, Kong Lau, meint, dass es Peking „nicht darum geht, Auslandsinvestitionen generell zu unterbinden, sondern nur darum Übertreibungen zu verhindern. Der Staat unterstützt dabei, dass das Kapital in die richtigen Projekte fließt.“
Fosun ist nach wie vor auf der Suche nach guten Investitionsmöglichkeiten – in Europa und in Deutschland. Bisher hat Fosun schon das deutsche Bankhaus Hauck & Aufhäuser, die Arag-Lebensversicherungs-AG und das Modehaus Tom Tailor übernommen sowie in die Hamburger Fintech-Firma Naga Group investiert. Aber auch in anderen europäischen Ländern ist Fosun aktiv – im Pharma-, Stahl-, Banken-, Versicherungs- und Immobilienbereich, sogar im Freizeitsektor mit der Übernahme des französischen Club Mediterranée und Cirque du Soleil. Ähnlich wie Fosun sind vor allem andere Konzerne aus China – wie etwa HNA, Anbang und Wanda – bisher bei Investitionen im Ausland aktiv gewesen – stets mit politischem Rückenwind der Pekinger Regierung. HNA hat sich sogar an der Deutschen Bank beteiligt, was durchaus auch Beifall seitens der deutschen Politik und Bankenaufsicht fand.
Gute Perspektiven für die Seidenstraße
Ob indessen die China Communications Construction Company Ltd. gemeinsam mit ZPMC, dem Weltmarktführer für Containerbrücken aus Shanghai, den fünften Container-Terminal im Hamburger Hafen bauen wird, ist noch offen; im Ideenwettbewerb haben sie zwar bereits ganz vorne gelegen, bei der offiziellen Ausschreibung der Hamburger Wirtschaftsbehörde müssen sie sich jedoch noch behaupten. Der Hafen Shanghai hat für die Finanzierung des Projektes seinen Einstieg signalisiert, was jedenfalls die Chancen für die Chinesen deutlich erhöht. Ein Erfolg in Hamburg würde in die globale Hafenstrategie Chinas passen. Denn schon seit langem baut die Volksrepublik global ein dichtes Netz an Beteiligungen auf, um ihre Waren günstig zu verschiffen. So ist China in Hafenanlagen in der Türkei, in Ägypten und Israel präsent; in Rotterdam soll die chinesische Reederei Cosco mit mehr als einem Drittel am Euromax-Terminal beteiligt sein. Fast überall in den internationalen Häfen wird das Engagement der Chinesen positiv gesehen, denn sie bringen viel Kapital für den Neubau und die Modernisierung der Anlagen sowie für den Aufbau neuer Kapazitäten mit. Zudem finanzieren sie zumeist die Infrastruktur wie die Kaimauern und Zufahrten.
Neue Chancen der Zusammenarbeit zwischen China und Europa, vor allem Deutschland, tun sich mit der „Seidenstraßen-Initiative“ auf, die Ende 2014 begründet und mit einem ersten Beitrag Chinas in Höhe von 40 Mrd. US-$ ausgestattet wurde. Sie zielt darauf ab, die Infrastruktur zu fördern und das Business entlang der Jahrhunderte alten Seidenstraßen-Handelsroute zu fördern. Mit dieser „Belt and Road-Kooperation“ werden neue Impulse und Investitionen für die Infrastruktur, industrielle Kapazitäten und den Handel ausgelöst. Chinas Staatspräsident Xi Jinping macht sich für den globalen Freihandel stark, setzt dabei vor allem auf Europa und nicht so auf die USA.
Die Bundesregierung und andere EU-Partner sollten Chinas Führung noch stärker als bisher auf Reziprozität bei den Investitionsbedingungen drängen, denn zu einem fairen Miteinander zählen gleiche Bedingungen für den Kauf von Unternehmen, für Beteiligungen und Investitionen sowie für den Kapital- bzw. Gewinntransfer. Mit neuen deutschen und europäischen Restriktionen würde gerade jetzt, da die Gefahren des Protektionismus weltweit wieder größer zu werden drohen, ein verheerendes Signal gesetzt.
IT-Messe in Foshan
Außerordentlich positiv entwickelt sich die Chinesisch-Deutsche Industriestädteallianz (ISA), zu der inzwischen 16 chinesische Städte aus 9 Provinzen und 11 deutsche Städte zählen. Insbesondere für mittlere und kleine Unternehmen bietet die ISA ein Portal für den Handel, Investitionen und Kooperationen sowie den know how-Transfer.
Die nächste ISA-Konferenz wird vom 11. bis zum 14. Oktober 2017 in Foshan und Taihzou stattfinden. Zugleich wird eine große IT-Messe in Foshan deutschen Firmen die Chance bieten, sich als Aussteller zu beteiligen sowie dort chinesische Kunden und Partner zu finden. Interessierte Firmen aus Deutschland erhalten detaillierte Informationen zu dieser IT-Messe und zur ISA-Konferenz von der Gesellschaft für Politik-, Kommunikations- und Strategieberatung mbH in Berlin (e-Mail: office@pks-gmbh.net, Telefon 030 25797223).
Bildquelle: Wikipedia, J Bar, CC BY-SA 3.0