Der BVB ist Pokalsieger, zum vierten Mal in seiner langen und erfolgsverwöhnten Geschichte. Eine Stadt im Freudentaumel. Mit dem Schlusspfiff des spannenden, aber nicht unbedingt schönen Spiels gegen die Eintracht aus Frankfurt lagen sich nicht nur die Dortmunder Spieler, Manager, Trainer, Geschäftsführer in den Armen, die schwarz-gelben Fans im weiten Rund des Berlinern Olympiastadions bejubelten ihre Kicker und sangen ihr: Heia, heia, heia BVB. Und in Dortmund floss das Bier in Strömen, bis in die Morgenstunden wurde der Pokalsieg gefeiert. Endlich mal wieder ein Sieg, ein Pokal zum Vorzeigen. Schon im Halbfinale hatte man ja den Rivalen aus München, die Bayern, in deren Arena in einem hochdramatischen Spiel aus dem Wettbewerb geworfen.
Der BVB war klarer Favorit. Bei uns zu Hause saßen wir mit sechs Freunden vor dem Fernseher, hatten uns mit einem türkischen Essen, deutschem Bier und französischem Wein eingestimmt auf das Spiel. Wir gaben Frankfurt keine Chance, glaubten, die Sache werde der BVB schon zur Halbzeit klar für sich entscheiden haben. Dann kam es anders. Zunächst war der Favorit vom Borsigplatz die bessere Mannschaft, erspielte sich ein paar schöne Chancen, doch die Pässe kamen nicht präzise genug, die Verteidiger der Frankfurter Eintracht konnten abwehren. Aber dann passierte es doch wie erwartet, Dortmunds Jungstar aus Frankreich, Dembélé, der schon die Bayern im Halbfinale fast im Alleingang in die Knie gezwungen hatte, dreht einen Kreisel, umspielte den Gegenspieler und hob ins lange Ecke. Klasse gemacht. Und schon fühlten wir uns in unserer Prognose bestätigt. Aber dann riss der Faden bei Dortmund, die Pässe kamen nicht an, Frankfurt konnte immer wieder dazwischenfahren, wurde überlegen, erspielte sich Möglichkeiten und dann erzielten sie den Ausgleich. Hoch verdient. Frankfurt war nicht nur ebenbürtig, sie hatten mehr vom Spiel. Was war nur mit Dortmund los? Warum hat ihr Trainer Tuchel die Hände in den Hosentaschen seines Trainingsanzugs? Warum greift er nicht ein? Andererseits: Was kann er schon machen? Er könnte die Spieler anschreien, ihnen Zeichen geben. Der Fernsehzuschauer ist der beste Trainer der Welt, das weiß jeder Fan.
Wenn der Pfostenschuss ein Tor gewesen wäre..
Doch dann kam die Halbzeit, man ging in die Kabinen. Schweißüberströmt. Die Temperaturen auf dem Rasen im Stadion dürften irgendwo zwischen 30 und 35 Grad gewesen sein. Wird Tuchel auswechseln? Was wird aus Marco Reus, dem ewigen Pechvogel, der mit den Stollen im Rasen hängengeblieben war und humpelte, dann verbunden wurde. Er blieb draußen. Schon wieder, dachte man, Reus, einer der besten deutschen Spieler, aber auch ein Spieler ohne Titel, der 2014 auf die WM in Brasilien verzichten musste, weil er verletzt war. Und jetzt saß er auf der Bank, musste tatenlos zuschauen, was passierte. Aber mit der zweiten Halbzeit kam der BVB wieder und beherrschte das Spiel. Mit wenigen Ausnahmen. Wie wäre das Spiel wohl ausgegangen, wenn die Frankfurter beim Stande von 1:1 den Ball nicht an den Pfosten, sondern ins Tor geschossen hätten? Ich weiß, die Frage ist müßig wie die Antwort. Hätte, hätte, Fahrradkette. Der Ball prallte vom Pfosten zurück ins Feld und irgendwann gab es den berechtigten Elfmeter, den Aubameyang kaltschnäuzig verwandelte, indem er den Ball einfach halbhoch ins Tor schoß, der Torwart der Frankfurter war in die Ecke gehechtet. Auch hier die Frage: Wäre der Keeper einfach stehengeblieben, er hätte den Schuß des Dortmunder Torjägers mit einer Hand halten können. Hat er aber nicht. Punkt.
Verdient war der Sieg des BVB, gab Frankfurts Trainer Kovac zu. Eine sportliche Haltung des Trainers, denn seine Eintracht hatte sehr gut mitgehalten und hätte das Spiel-siehe oben- auch für sich entscheiden können. Das muss man dem Frankfurter Trainer lassen: Er hatte die Eintracht klasse auf die Elf aus Dortmund eingestellt und mit seiner Mannschaft der Namenlosen dem Starensemble aus Dortmund eine ganze Weile sein eher körperbetontes, aber faires Spiel aufgezwungen.
Watzke, BVB-Fan und Geschäftsmann
Man weiß nicht, was aus der Sieger-Mannschaft aus Dortmund wird? Es kann sein, dass Aubameyang den Verein verlässt, weil Millionen winken, irgendwo auf der Welt, ob in Paris oder Peking, der Fußball-Fan wundert sich schon nicht mehr darüber. Es sind Söldner, hochbezahlt, die heute hier und morgen dort ihr Geld verdienen. Sie werden gemanagt von Spielervermittlern, die an jedem Transfer Millionen verdienen. Dass Dortmunds Geschäftsführer Achim Watzke weiche Knie bekommt, wenn Beträge zwischen 50 und 70 Millionen Euro Ablöse genannt werden, darf man vermuten. Watzke ist Fußfall-Fan, sein Herz schlägt für den BVB, aber er ist auch Geschäftsmann, unter dessen Leitung die Dortmunder Borussia wieder auf Erfolgskurs gebracht wurde.
Das sollte man im Jubel nicht vergessen. 2005, der BVB-Präsident hieß Gerd Niebaum, zuvor war ein gewisser Meier Geschäftsführer des Vereins. Und damals, das sind gerade mal 12 Jahre her, trat Niebaum zurück, Meiers Tätigkeit für den BVB wurde ebenfalls beendet, steckte der Verein in einer tiefen Krise. Man hatte viel Geld, zu viel Geld für teure Spieler aus dem Ausland bezahlt und plötzlich war die Krise da. Die Rede war – man kann das im Internet nachlesen – von vielen Millionen Euro Schulden. Reinhard Rauball wurde zurückgerufen als Präsident des ruhmreichen Klubs, Achim Watzke wurde Geschäftsführer. Die erfolgreiche Sanierung des Vereins war ihr Werk, vor allem trug sie Watzkes Handschrift, das macht auch seine heutige mächtige Stellung deutlich. Im November 2014 konnte Watzke verkünden: Der BVB ist schuldenfrei, wir sind so stark wie nie zuvor. Heute ist der BVB der einzige an der Börse notierte Fußballklub in Deutschland und einer der erfolgreichsten Vereine in Europa. Hut ab! kann man da nur sagen und hoffen, dass sie auf dem Boden bleiben und nicht abheben wie damals, als sie nach den Sternen griffen und wie Sternschnuppen abstürzten.
Aufstiege und Abstürze in der Region
Ja, der BVB ist eine Erfolgsgeschichte in einer Region, die Aufstiege und Abstürze kennt wie keine andere. Dortmund ist heute mit rund 600.000 Einwohnern die größte Stadt im Ruhrgebiet, die drittgrößte in NRW nach Köln und Düsseldorf, die achtgrößte in Deutschland. Dortmund, das war mal die Stadt, die für Kohle, Stahl und Bier stand, heute ist die westfälische Metropole als Dienstleistungs-, Technologie- und Wissenschaftsstandort(Logistik, Informations- und Mikrosystemtechnik) bekannt. Der Strukturwandel hat die Region zu einem Zentrum der Versicherungswirtschaft und des Einzelhandels gemacht. In Dortmund studieren an sechs Hochschulen-darunter ist die Technische Universität und sind 19 wissenschaftliche Einrichtungen- 51.000 Studenten. Damit zählt die einstige Arbeiterstadt zu den zehn größten Unistädten in Deutschland.
Dortmund, das ist der Signal-Iduna-Park, also das ehemalige Westfalenstadion, das ist das deutsche Fußballmuseum, das ist der Westenhellweg, eine der am meisten besuchten Einkaufsstraßen der Republik, das ist die Westfalenhalle, das Dortmunder U, die Reinoldikirche, der Phönix-See. Dortmund, das soll nicht verschwiegen werden, hat aber auch wie andere Städte des Reviers seine Probleme im Norden der Stadt. In manchen sozialen Brennpunkten leben über 30 Prozent der Kinder in Familien ohne oder ohne ausreichendes Erwerbseinkommen, beziehen über 16 Prozent Arbeitslosengeld oder andere soziale Hilfen. Rechtsradikale Gruppen machen immer wieder auf negative Art auf sich aufmerksam.
BVB hat Schalke klar abgehängt
Aber kommen wir zurück zum deutschen Pokalsieger 2017. Achtmal ist der BVB inzwischen Deutscher Meister geworden, viermal hat er den Pokal geholt, einmal- 1997- gewann der Klub die Champions-League und Jahrzehnte vorher hatte man den Europapokal der Pokalsieger gewonnen. Der Rivale aus dem Revier, Schalke 04, kann da nur neidisch werden. Der BVB ist in jeder Beziehung an den Blauweißen aus Gelsenkirchen vorbeigezogen. Das macht sich auch in den Mitgliederzahlen deutlich. Dem BVB gehören 145.712 Mitglieder an – Stichtag Ende 2016 -, die gleiche Statistik weist für Schalke 144.761 Mitglieder aus. Damit ist Dortmund nach den Bayern – 284.041 Mitglieder – der zweitgrößte Verein und in Europa liegen lediglich noch Lissabon und der FC Barcelona vor den Borussen. Diese Entwicklung des Vereins ist rasant. Noch im Jahr 2010 gehörten ganze 40.000 Mitglieder dem BVB an, 2012 waren es schon 70.000, zwei Jahre danach wurde die 100.000-Marke geknackt. An diesem Aufstieg hat Gerd Niebaum nachhaltig mitgewirkt mit seiner „Aktion 40.000“, diese Mitgliederzahl wollte er mit dem BVB erreichen. Es wurden viel mehr.
Heute zählt der BVB wirtschaftlich zu den erfolgreichsten Vereinen in Europa. Und die Fans, die das größte deutsche Stadtion bei jedem Heimspiel mit 82.000 Menschen füllen, sind natürlich die Besten der Welt- wenn man sie fragt. Aber wer es nicht glaubt, gehe mal ins Stadion und beobachte die schwarz-gelbe Wand, das ist die Stehtribüne. Wenn dort 25.000 Fans auf-und niederspringen, bebt das ganze Stadion und den Sitzplatz-Besucher hebt es fast von seinem teuren Sitz.
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