Der Schock nach dem Attentat in Manchester sitzt tief. 22 Tote, zumeist Jugendliche und Kinder, die ein Konzert besucht hatten und dann Opfer eines feigen Mordanschlags wurden, bei dem auch 64 Menschen teils schwer verletzt wurden. Der Täter, ein Brite mit libyschen Wurzeln, hat sich mit der Bombe in die Luft gesprengt. Salman Abedi heißt der Selbstmordattentäter, der nicht allein gehandelt haben soll, sondern offensichtlich Teil eines terroristischen Netzwerks war. Drei weitere verdächtige Personen wurden in Gewahrsam genommen. Warum hat er die Bombe gezündet, warum wollte er Menschen töten, von denen angenommen werden kann, dass er niemanden kannte? Warum, warum? Woher rührt der Hass eines 22jährigen, der 1994 in Manchester als Kind von Flüchtlings-Eltern geboren wurde? Er soll bei einer Reise nach Libyen und vielleicht auch nach Syrien radikalisiert worden sein, wollen Sicherheitskreise wissen.
Manchester, Stockholm, Nizza, Berlin, Paris, Brüssel, London, die Reihenfolge ist wild gewählt. Man kann sie durch andere Städtenamen, die auch von Terroranschlägen in der Vergangenheit heimgesucht worden waren, ergänzen. Immer wieder Tote und Verletzte. Und niemand auf der Welt kann sich erklären, wie jemand zum Mörder und Selbstmörder wird, es wird hin und her spekuliert über die Ursachen, warum Islamisten andere Menschen, seien sie Christen oder Juden oder was auch immer, umbringen. Auch ein Moslem wird nicht als Mörder geboren. Und hüten wir uns vor einem Generalverdacht nach dem Motto: Der sieht schon so aus wie ein Moslem, dem kann man nicht trauen.
Was machen wir falsch?
Was machen wir falsch im Umgang mit Flüchtlingen, mit Menschen, die aus anderen Kulturkreisen zu uns kommen? Was wurde falsch gemacht im Fall von Salman Abedi? War er ein Verlierer, einer der Abgehängten, den die übrige Gesellschaft spüren ließ, dass er nicht zu ihr gehörte? Schlug er deshalb zu, weil er sich Anerkennung verschaffen wollte, die er sonst nicht fand? Hören wir zu wenig zu, sind wir überheblich im Umgang mit Fremden? Salman Abedi war ein Brite, vor 22 Jahren hier geboren.
In London wurde die höchste Terrorwarnstufe verhängt, Soldaten sichern nunmehr öffentliche Gebäude, sie stehen auch vor dem Parlament. Das muss alles sicher sein, auch zusätzliche Polizisten und Kontrollen sollen den Bürgern ein bisschen mehr Sicherheit geben, die sie nach dem furchtbaren Anschlag verloren haben. Es ist ganz natürlich, dass sich Angst breit macht, dass man sich mehr umschaut, andere mehr anschaut, der eine oder andere wird jetzt oder in naher Zukunft Massenveranstaltungen meiden, weil er sich nicht mehr sicher fühlt. Und eine Sicherheits-Garantie gibt es ohnehin nicht, nirgendwo, nicht in Manchester, nicht in London, sie gibt es weder in Demokratien noch in Diktaturen. Selbstmordattentätern ist ihr eigenes Leben egal, sie wollen töten, möglichst viele. Die Gründe?
Terrorisiert in Gefängnissen
Mehr als 3000 Sympathisanten des sogenannten „Islamischen Staates“ und anderen islamistischen Terrorgruppen gibt es auf der Insel, mindestens 400 gelten als harte Kämpfer aus dem Terrorkrieg in Syrien. Seit 1998 wurden in Großbritannien mehr als 264 Terroristen verurteilt. Die meisten Täter kamen nicht von außen ins Land, sondern sind in London, Manchester, Liverpool oder wo auch immer geboren. Sie wurden terrorisiert in Gefängnissen, über das Internet, über Hintermänner wurden sie systematisch zu Terroristen ausgebildet. In ihre Netzwerke zu gelangen, wird das große Kunststück bleiben, um den Sumpf trocken zu legen.
Am Ende werden wir die Terroristen besiegen, wird Liebe stärker sein als Hass, wird sich Toleranz gegenüber Fundamentalismus durchsetzen. Diese Überzeugungen sind nach solchen Anschlägen immer und immer wieder zu hören und zu lesen. Und ich bin ja auch optimistisch, dass sich dieser Terror nicht durchsetzen wird, nirgendwo auf der Welt. Aber es wird immer wieder Anschläge geben mit tödlichen Folgen, weil wir gar nicht so viele Polizisten und Soldaten aufstellen können, wir können nicht alles und jeden kontrollieren, wir können nicht überall Zäune ziehen oder Mauern bauen. Dann wäre unser freies Leben, das Terroristen nicht passt, dahin, ja, dann hätten die gewonnen, die nicht gewinnen dürfen. Aber machen wir uns nichts vor: Bis dahin wird es ein weiter Weg sein und es wird nicht ohne Opfer gehen.
Trauer und Anteilnahme
Die Trauer und Anteilnahme in aller Welt ist groß, das jüngste Opfer ist ein achtjähriges Mädchen. Was sind das für Menschen, die so etwas tun, die eine Bombe in einem Saal hochgehen lassen, in dem vor allem Jugendliche und Kinder sind? Einige Eltern haben ihre Kinder verloren und werden diesen Schock so schnell nicht verarbeiten. Wenn das überhaupt möglich ist! Andere werden ihre schwer verletzten Kinder in den Krankenhäusern besuchen und bitten, beten, hoffen und bangen, dass sie überleben. Menschen haben als Zeichen der Anteilnahme Blumen am Tatort abgelegt. Mein Gott, ist das alles schlimm. Und man ist machtlos gewesen.
Schock, Trauer, Anteilnahme, das ist die eine Seite. Mehr Polizei, wenn das wirklich nötig ist, schon bei der Video-Überwachung wachsen Zweifel. Wo beginnt sie und wo endet sie? An Gesetzen ist kein Mangel. Der Fall Anis Amir belegt das. Hier haben ganz offensichtlich Behörden versagt, mag sein der Staat. Der Mann hätte mehrfach festgenommen werden können. Die Instrumente dazu sind da. Es lag nicht an Gesetzeslücken, durch die der Attentäter schlupfen konnte, um seine Mordfahrt auf einen Berliner Weihnachtsmarkt fortzusetzen, wo er wildfremde Menschen einfach über den Haufen fuhr. Ein Mörder, auch er, der später in Mailand von dortigen Sicherheitskräften erschossen wurde. Wir sollten überhaupt das Gerede von schärferen Gesetzen lassen, wir müssen auch nicht die Freiheitsrechte der Bürger mehr einschränken, als es heute schon möglich ist. Die geltenden Gesetze müssen nur angewendet werden. Im übrigen sollten wir uns trotz allen Ärgers und aller Wut über die feigen Mörder freuen, dass wir in einem Rechtsstaat leben.
Trump sprach von bösartigen Verlierern
Die Frankfurter Rundschau zitierte in ihrem Leitartikel ausgerechnet ein Wort des US-Präsidenten Trump, der im Zusammenhang mit Terroristen von „bösartigen Verlierern “ gesprochen hatte. Das könnte ein Teil einer Erklärung sein. Die erfolgreiche Gesellschaft, mag sein, dass sie auch eine Ellenbogengesellschaft ist, die vor allem aus Egoisten besteht, aus Menschen, die nur sich und ihren eigenen Erfolg kennt und auf die Verlierer herunterschaut, diese Gesellschaft produziert dann eben Verlierer, die sich auf ihre Art rächen und es dieser Gesellschaft zeigen wollen. Mehr Chancen, mehr Bildung, mehr Anerkennung fordert der FR-Autor des Kommentars. Auch das gehört zum Kampf gegen den Terror. Innere und soziale Sicherheit gehören zusammen.
Am Wochenende ist die deutsche Hauptstadt voll mit Menschen, die den evangelischen Kirchentag besuchen oder mit großer Spannung ins Olympia-Stadion gehen, um sich das Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt anzuschauen. 6000 Polizisten sollen für mehr Sicherheit sorgen. Ich weiß nicht, wie es auf einem Kirchentag ist, ich war noch nie dort. Aber wer je ein Pokal-Endspiel erlebt hat in Berlin- ich war vor Jahren mal mit Schalke dabei- weiß, was das für ein wunderbaren Schauspiel ist, was für eine Stimmung herrscht mit Gesängen, Rufen und Pfeifen. Es wird zusätzliche Kontrollen geben, in der U-Bahn, auf den Bahnhöfen, im Vorfeld des Stadions und in der Arena. Mehr Gesetze und/oder mehr Leitkultur braucht es dabei nicht.
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