Ich habe als Sozialdemokrat seit sieben Jahren ein wichtiges Ministeramt inne. Nur drei der vierzehn bisherigen NRW-Finanzminister waren länger im Amt – Heinz Schleußer, Diether Posser und Hans Wertz. Über 30 Jahre habe ich in anderer Funktion bedeutende Politiker der SPD begleitet, allen voran Johannes Rau. Ich selber habe kein Parteiamt. Gedanken über die Neuaufstellung meiner Partei in der gegenwärtigen Situation mache ich mir vor diesem persönlichen Hintergrund aber allemal.
Besondere Lagen erfordern auch besondere Lösungen. Deshalb sind jetzt zwei alte Weisheiten außer Kraft:
1. Opposition ist (diesmal) nicht Mist
Die Wählerinnen und Wähler haben diese Landesregierung abgewählt und eine Regierungsmehrheit der konservativ-liberalen Opposition ermöglicht.
Die, die die Entscheidung der SPD, die Oppositionsrolle anzunehmen, jetzt als verantwortungslos bezeichnen, wären die Ersten gewesen, die die Bereitschaft zur erneuten Regierungsbeteiligung als Kleben an den Posten gebrandmarkt hätten. Diese Kritik ist ein sehr durchsichtiges Manöver.
CDU und FDP müssen jetzt Farbe bekennen. Warum das Lamentieren der Bürgerlichen? Wenn das Land mit all seinen Stärken und Schwächen künftig wieder so dargestellt wird, wie es wirklich ist, müssten sich doch ganz schnell Erfolge zeigen lassen.
NRW braucht jetzt aber auch eine starke Opposition. Das muss die SPD leisten.
2. Partei- und Fraktionsvorsitz gehören (diesmal) nicht in eine Hand
Auf die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten warten jetzt zwei Mammutaufgaben.
Die Fraktion muss sich in dezimierter Stärke auf ihre neue Rolle einstellen und die neue Regierung jeden Tag an ihren Ankündigungen und Lagebeschreibungen messen. Das ist mehr als die Anforderung an eine „VAK“, zumal es auch um einen geordneten Übergang an der Spitze ohne unnötige Hektik geht.
Die Landespartei braucht erst recht mehr als eine Vollzeitarbeitskraft an ihrer Spitze, die vor allem eine intensive Kommunikation nach innen und außen sicherstellt. Die NRWSPD braucht jetzt jemanden mit Stallgeruch, der auf in die Zukunft gerichtete Inhalte mit klarer nordrhein-westfälisch-sozialdemokratischer Handschrift setzt, der enttäuschte Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer und eine ernüchterte Mitgliedschaft insgesamt wieder aufbaut und aufmuntert, wo nötig aber auch antreibt. (Flapsig gesagt: Aufbauen hat etwas mit Bauen und Antreiben hat etwas mit Verkehr zu tun – und ein bisschen General wäre jetzt auch nicht schlecht…)
Mich macht zuversichtlich, dass die Landespartei das Personal mit diesen Eigenschaften hat.
Bildquelle: Nick Youngson, CC BY-SA 3.0