Mike Groschek (60) Ex-Bau-und Verkehrsminister wird neuer SPD-Vorsitzender in NRW. Als erfahrener und gut vernetzter ehemaliger Generalsekretär soll die Partei auf Vordermann bringen. Eine schnelle Entscheidung zwar, aber Erfolge werden mühsam sein.
Aber: Die Verluste der SPD sind nicht die Erfolge der CDU. Denn: Regierungen werden in der Regel abgewählt. Der Wechsel liegt also vor allem in den Misserfolgen auf der einen Seite und der dann passgenauen Kritik der Opposition mit entsprechenden eingängigen Lösungsformeln. Aus dem Vertrauensverlust wächst bei den Wählern mit zunehmender mangelhafter Krisenbewältigung und Ratlosigkeit der Regierenden die Hoffnung, dem immer größer werdenden medialen Elend durch den Wahlzettel ein Ende zu bereiten. Gerade Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben deutlich gemacht, wie sehr die zwei rot-grünen Regierungen vor allem auch in den Schlussphasen der Wahlkämpfe den Vertrauensverlust bei den Wählern geradezu provoziert haben. Thorsten Albig in Kiel mit präsidial-abgehobenen Regierungsstil und peinlichem Bunte-Interview zum Privatleben, Hannelore Kraft mit unerträglich langem Festhalten am gescheiterten Innenminister Ralf Jäger und dann noch mit dem Heraushalten von Martin Schulz aus ihrem themenarmen Wohlfühlwahlkampf.
Bei einer Wahlbeteiligung von rund 65 Prozent sind die Nichtwähler immer noch die größte potentielle Wählergruppe. In Kiel hat sich zudem gezeigt, dass das junge Alter des CDU-Herausforderers auch eine besondere Zugkraft als politisches Frischezeugnis entwickelte.
Nordrhein-Westfalens Genossen haben jetzt die Chance, lange versäumtes und verdrängtes anzupacken. Programmatisch war die Partei zwischen Rhein und Weser fast immer die konservativ-brave Nachhut des politischen Mainstreams. Sie hat sich immer auf das Gewicht ihren gut 20 Prozent Delegierten bei Bundesparteitagen ausgeruht und Masse mit Bedeutung verwechselt. Die lange Regierungsdauer von rund 50 Jahren mit kurzer Unterbrechung durch die CDU-Regierung unter Jürgen Rüttgers hat sie müde gemacht und zuletzt nur noch im Schlafwagentempo durchs Land bewegt. Ein Beispiel: In Bochum fragte ein Genosse nach dem Umzug in einen anderen Stadtteil beim Unterbezirksvorsitzenden nach, warum er hier keinen SPD-Flyer im Briefkasten habe. Die Antwort: „ Weil wir hier immer eine sichere satte Mehrheit haben.“
Das hat sich spürbar geändert und dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen. Unten an der Basis in der Funktionärsschicht ist die SPD oft träge und oben in der Spitze meist einfaltslos. Wenn der Ortsverein tagt, kommen durchschnittlich 12 bis 15 Mitglieder zusammen, meist ist das nur der Vorstand, der gerne im eigenen Saft schmort, an Veränderungen oft kein Interesse hat und Neumitgliedern nicht selten als Störenfriede ausmacht.
Ob der neue sozialliberale Präsident Macron in Frankreich mit seinem Pro-Europa Kurs und seiner parteiübergreifenden Sammlungsbewegung , der österreichische Außenminister Kurz mit der Neuetikettierung seiner konservativen ÖVP oder die populistischen Strömungen in Europa, alle Entwicklungen machen deutlich, das Gefüge der traditionellen Parteienlandschaft droht auseinander zu brechen.
Die SPD hatte ihre besten Köpfe und gesellschaftlich herausragenden Themen in den Zeiten als sie sich als Programmpartei verstand und in alle gesellschaftliche Schichten hineinhorchte. Das sorgte für wahrnehmbar Kontroversen, schärfte die Persönlichkeitsprofile und hatte vor allem auch bei den kulturaffinen Wechselwählern, den geistig beweglichen Multiplikatoren, den politischen Vorhoforganisationen von Gewerkschaften oder Kirchen für das entsprechende positive Echo.
Die Niederlagen sind auch eine Chance für einen Neuanfang. Nach der Ostpolitik und der Bildungsreform bieten sich gerade in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung gerade für eine internationalistische Partei mit einem ausgewiesenen Europapolitiker als Kanzlerkandidaten auch Chancen wieder auf den Erfolgsweg zu kommen.
Nicht vergessen sollte man auch, dass die Arroganz der Macht fünf Jahre lang spürbar war, vom Zurückdrehen aller Reformen der CDU/FDP-Regierung bis zum Durchdrücken parteipolitischer Interessen. Arbeit zum Wohl des Landes hätte anders ausgesehen, das hat der Wähler gemerkt.