Was für ein Wahltag in NRW, dem Stammland der SPD! Welcher Triumph für Armin Laschet und seine CDU! Die Grünen beinahe halbiert, die FDP zweistellig! Erdbeben! Paukenschlag. Erdrutsch! Welche sprachlichen Bilder soll man noch bemühen. Die Sensation war da und es wurde nach Worten gesucht, um sie zu beschreiben.Jubelstürme-Armin-Armin-Rufe in der CDU-Parteizentrale in Düsseldorf, Schockstarre bei der SPD, Trauerstimmung bei den Grünen und Partystimmung um Christian Lindner bei den Liberalen. Rot-Grün ist abgewählt, ganz klar, Hannelore Kraft tritt mit sofortiger Wirkung als SPD-Landesvorsitzende zurück und gibt auch ihren Stellvertreterposten in der Bundes SPD auf, Martin Schulz, der Kanzlerkandidat der SPD liegt nunmehr im Duell mit Angela Merkel, der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden, mit 0:3 zurück: Erst das Saarland, dann Schleswig-Holstein und jetzt NRW, das mit über 18 Millionen Menschen bevölkerungsreichste Land. Merkel kann beruhigt in den Sommer blicken, die nächste Wahl findet im September statt. Dann geht es um sie.
Armin-Armin-Rufe
Für Armin Laschet(56)ist das natürlich ein guter Tag, Genugtuung zumal, da ihm viele in der eigenen Partei das nicht zugetraut hatten, diese Angriffslust, die er im Finale des Wahlkampfes gegen die im Land sehr beliebte Ministerpräsidentin entfaltete. Er attackierte, legte immer wieder Finger in die Wunde vermeintlich verfehlter rot-grün Landespolitik. Und er erreichte, dass sich viele aufregten über die Schul- und Bildungspolitik, über die Infrastruktur-Politik, die innere Sicherheit mit der Bekämpfung der Kriminalität, der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Plötzlich zogen seine Vorwürfe, die zunächst nur als das übliche Schlecht-Reden des Landes eingestuft wurden, dann aber die Menschen an Rhein, Ruhr und Lippe offensichtlich davon überzeugten, dass es Zeit sei für einen Wechsel. „Wir wollen nicht mehr Schlusslicht sein“, rief er seinen begeisterten Anhängern zu. „Wir wollen in die Spitze der deutschen Länder. “ Und zählte alle gerade erwähnten Problemfelder auf.
Ende der Karriere von Frau Kraft
2010 wurde Hannelore Kraft von jungen Sozialdemokraten noch umjubelt und im Stakkato-Stil empfangen: Hannelore, Hannelore, Kraft, Kraft, Kraft. Plötzlich war sie die Heilsbringerin, sollte die SPD auch im Bund an die Spitze führen, was sie nicht tat. „Ich werde nie, nie als Kanzlerkandidatin der SPD antreten.“ Und jetzt das Ende ihrer politischen Karriere! Sie hatte alles auf ihre eigene Karte gesetzt, hatte die Bundes-SPD gebeten, sich aus NRW herauszuhalten, weil sie glaubte, mit einem reinen Landes-Wahlkampf werde sie ihre Gegner bezwingen können. „Ich habe mein Bestes gegeben“, rief sie, sichtlich geschockt, ihren traurigen Parteifreunden nach dem Debakel zu. Sie war bis zum Ende davon überzeugt, „das Land Schritt für Schritt nach vorn gebracht zu haben“, was aber viele andere nicht so sahen. Mit „Glückauf“, dem alten Ruhrgebiets-Wort, verabschiedete sie sich.
Union aktiver im Wahlkampf
Wie war das möglich! Erste Analysen des Fernsehens machten klar, dass die Arbeit von Kraft und Löhrmann und den anderen Im Kabinett sehr mäßig bewertet wurde. Und dass man mit Rot-Grün nicht zufrieden war. Es gab also doch eine Wechselstimmung, weil die Mehrheit der Menschen zwar gern in NRW lebt, aber ein zunehmender Teil das Gefühl hat, dass es ihm schlechter geht. Die Wahlkampf-Kampagne der CDU, die ohnehin aktiver war als die der SPD, zog. Dazu der Unions-Auftritt im Internet, modern, dagegen unterirdisch das Angebot der SPD. Auch die Bilder waren eher langweilig. Hannelore Krafts größter Fehler war, den Innenminister Ralf Jäger nach dem Skandal der Silvesternacht in Köln im Amt belassen zu haben. Das Thema wurden sie beide nicht mehr los, verbunden mit einer Debatte über die Einbruchs-
Rekorde in NRW, um die sich Jäger nicht genug kümmere, der Fall Amir tat ein Weiteres. Und einige Untersuchungsausschüsse sorgten dafür, dass das Thema Jäger und sein Versagen täglich in den Medien stand. Ein Wort zum übrigen Kabinett, aus dem Finanzminister Norbert Walter-Borjans und Bau- und Verkehrsminister Michael Groschek herausragten. Aber dann? Wer ist eigentlich Arbeitsminister? Was hat die Wissenschaftsministerin- auch deren Name ist weithin unbekannt- die Jahre über geleistet.
Medien als Gegner der SPD in NRW
Die Medien sind ein weiteres Problemfeld, Medien, die ihr nicht wohl gesonnen waren. Sie waren es schon in ihrer Mehrheit zu Rüttgers Zeiten und waren überrascht, als dieser plötzlich abgewählt worden war. Dass sie die Arbeit der rot-grünen Landesregierung kritisch begleiteten, ist Aufgabe von Medien, Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen, aber sie sollten es nicht unfair tun. Man wird sehen, wie der neue Ministerpräsident Laschet medial begleitet wird. Der Jurist ist ja ein gelernter Journalist, war Chefredakteur u.a. der Kirchenzeitung Aachen
Es war ein bitterer Tag für Hannelore Kraft, die nach allen Umfragen vor einigen Wochen noch klar in Führung lag. Damals attestierte man ihr noch die stärkere Führungsfigur, die Kümmerin sei eng bei den Menschen, dazu ihr Amtsbonus. Und auch das Zweierduell mit Laschet konnte sie noch für sich entscheiden, spürte aber schon an diesem Abend, dass der CDU-Opposiitonschef nicht bereit war, klein beizugeben. Er machte an einigen Stellen seiner Empörung über die Darstellung der SPD-Politik durch Kraft Luft und überzeugte mehr und mehr seine Anhänger, von denen einige ihm im Fußballjargon geraten hatten: Grätscht doch mal rein!
Der 12. Ministerpräsident in NRW
Knapp sieben Jahre hat die SPD-Frau aus Mülheim an der Ruhr regiert, zunächst mit den Grünen als Minderheitsregierung, dann gewann sie die angesetzten Neuwahlen 2012 mit über 39 Prozent und verwies den unglücklichen CDU-Herausforderer Norbert Röttgen mit 26 Prozent auf den zweiten Platz. Röttgen verlor seinen Ministerstuhl im Kabinett Merkel. Laschet wurde später CDU-Chef von NRW, ein Amt, für das er lange kämpfen musste, weil man ihm das- er galt als eine Art Bruder Lustig-nicht zutraute. Aber das ist jetzt- nach diesem Wahlsieg- kalter Kaffee. Armin Laschet wird der neue Regierungschef in NRW-der 12. insgesamt nach dem 2.Weltkrieg, nach Amelunxen, der noch von den Alliierten benannt worden war, sein Nachfolger wurde Karl Arnold(CDU), dann kam Fritz Steinhoff(SPD), abgelöst von Franz Meyers(CDU), dem Heinz Kühn und Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück folgten.Jürgen Rüttgers beendete die fast 40jährige SPD-Regierungszeit, aber er verlor die nächste Wahl schon im Jahre 2010 gegen Hannelore Kraft.
SPD vor unruhigen Zeiten
Die SPD steht vor unruhigen Wochen. Die älteste Partei der Republik wird sich neu aufstellen müssen nach den schweren Schlappen an der Saar, der Kieler Förde und jetzt in NRW. Nirgendwo konnte Martin Schulz die Stimmung zugunsten der SPD drehen. Man muss sogar befürchten, dass die Partei bei der nächsten Umfrage bei Werten landet, die nicht weit weg sind von denen, die man mit dem Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel hatte. Vorbei ist es mit dem Hype, dem Effekt oder dem Zug, der ohnehin schon in Kiel entgleist war. Sicher, es war eine Landtagswahl, so hört man aus den Reihen der Verlierer, weil sie das immer betonen. Wenn sie aber die Wahl in NRW gewonnen hätten, wäre es eine Vorentscheidung zugunsten von Schulz gewesen. Angela Merkel hat ihre alte Stärke zurückgewonnen. Gerade in diesen unruhigen Zeiten, wo sich überall Populisten laut machen, in Zeiten der Trumps und Putins und Erdogans vertraut offensichtlich eine Mehrheit der Deutschen ihrer Politik der ruhigen Hand.
Bildquelle: Wikipedia, National Maritime Museum, gemeinfrei