Viel Feind, viel Ehr – damit könnte man den Vorgang um den Einsatz eines oder mehrerer Spitzel im Auftrag des Schweizer Geheimdienstes NDB abtun. Aber so einfach ist das nicht, denn das, was wir da erleben, hat eine neue Qualität. Bislang waren die Gegenspieler der Steuerfahndungs-Profis aus NRW nicht DIE Schweiz oder gar DIE Schweizer, sondern schwarze Schafe aus der Finanzszene – in der Schweiz, aber auch anderswo, auch in Deutschland.
Um zig Milliarden Euro geprellt
Dass unsere Fahnder jenen, die die Allgemeinheit in Deutschland Jahr für Jahr um zig Milliarden prellen, ein Dorn im Auge sind, ist kein Wunder. Hat doch erst deren konsequente Aufklärungsarbeit mithilfe von Informationen aus der Finanzberater-Szene Licht in das jahrzehntelang ungestörte Treiben von selbstgerechten Steuerverweigerern und ihren Helfershelfern gebracht. Die Bilanz ist beeindruckend: Mit 11 Datenträgern, die unseren Steuerfahndern überwiegend aus der Schweiz angeboten wurden und die für rund 18 Millionen Euro den Besitzer wechselten, ist so viel Unruhe ausgelöst worden, dass bislang deutschlandweit rund sechseinhalb Milliarden Euro an Steuernachzahlungen und Bußgeldern von Banken zurückgeflossen sind. Darin enthalten sind die Zahlungen von bundesweit rund 130.000 reuigen Steuerhinterziehern, die von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, eine strafbefreiende Selbstanzeige zu erstatten.
Vor 2010, als Nordrhein-Westfalen offensiv und in großem Stil auch käuflich angebotene Informationen nutzte, gab es so gut wie keine Selbstanzeige und keine Aufklärungschance. Die einschlägigen Kreise konnten sich in Sicherheit wähnen und machten sich mit immer größeren Summen aus dem Staub. Kein Wunder also, dass Steuerbetrüger und beratende Finanzakrobaten, die mit hinterzogenen Steuern als Hehlerware lange Zeit gute Geschäfte gemacht haben, sich gern als Opfer darstellten und nach Wegen trachteten, endlich wieder in Ruhe weiter betrügen zu können.
Täter- deutsche Staatsbürger
Um es ganz klar zu sagen: Die eigentlichen Täter sind keine Schweizer, Luxemburger oder Panamaer – die Täter, die sich vor der angemessenen Beteiligung an der Finanzierung ihres Gemeinwesens drücken wollen, sind deutsche Steuerbürger. Aber die ausgewerteten Datenträger förderten mehr und mehr die gezielte und gut organisierte Mittäterschaft des Finanzsektors zutage. So fanden sich nicht nur Namen von Kontoinhabern und Kontostände, sondern auch Protokolle und Schulungsmaterialien von Bankangestellten auf den „CDs“, die Anlass für Hausdurchsuchungen bei Banken mit der Sicherstellung zuweilen erschütternden Belastungsmaterials waren. Neben der Steuerhinterziehung selbst rückte die Beihilfe dazu immer stärker in den Fokus der Ermittler. Daran waren Schweizer Institute nun einmal erkennbar beteiligt.
Mit dem Versuch, ein Steuerabkommen zwischen der damaligen schwarz-gelb regierten Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz abzuschließen, trat auch der Schweizer Staat auf den Plan. Vor sechs Jahren ging es aber offiziell noch darum, Licht in das Dunkel des Steuerbetrugs zu bringen. Es war Nordrhein-Westfalen, das den Etikettenschwindel entlarvt hat. Das Abkommen hätte kein Licht gemacht, sondern mit kleinen Zugeständnissen dafür gesorgt, das gemeinschaftsschädigende Geschäfte auch weiterhin in gesicherter Dunkelheit möglich geblieben wären. Und es war Nordrhein-Westfalen, das im Bundesrat eine Mehrheit gegen das schon unterzeichnete Abkommen zustande brachte und es scheitern ließ. Erst das trat die Lawine von Selbstanzeigen richtig los.
Unanständiges darf sich nicht lohnen
In der Folgezeit waren einige der großen Schweizer Banken flexibler als ihre Regierung. Sie mussten weniger Rücksicht auf die emotionale Lage in der Bevölkerung nehmen, die ihr Land von den großen Wirtschaftsmächten, allen voran den USA, aber auch von Deutschland drangsaliert sah. Die Banken agierten nüchtern: Wenn sich ein bisher gewinnträchtiges unanständiges Geschäft nicht mehr lohnte, dann gab man es auf. Die Banken waren es, die ihrer Regierung signalisierten, dass die Schweiz ein Imageproblem hatte, das ökonomischen Schaden anrichtete und dass man sich gesprächsbereit geben sollte. So jedenfalls stellen es führende Bankmanager hinter vorgehaltener Hand dar.
Es gab keine moralische Umkehr, sondern einfach nur eine ökonomische Schlussfolgerung. Die ließ aber auch erkennen, wo die Politik in Deutschland den Hebel ansetzen muss: Die Politik muss dafür sorgen, dass sich das Unanständige nicht lohnt. Das ist in diesen Kreisen der einzig wirksame Hebel. Man darf sich allerdings nicht der Illusion hingeben, die Finanzwelt würde dann nur nach anständigen Alternativen Ausschau halten – sie sucht nach renditeträchtigen. Das Hase-und-Igel-Spiel geht also immer weiter. Dass versierte Mitspieler wie Nordrhein-Westfalen dabei lästig sind, verwundert nicht – 2011 und 2012 nicht und auch 2017 nicht.
Skrupellose Geschäftemacher
Mir persönlich war dabei immer sehr wichtig, auch gegenüber Vertreterinnen und Vertretern der Eidgenossenschaft und gegenüber Schweizer Medien immer auf den eingangs beschriebenen Unterschied hinzuweisen: Ich selber und die von mir verantwortete Steuerfahndung hegen keinen Groll gegen die Schweiz, sondern gegen skrupellose Geschäftemacher. Im Gegenteil: Ich habe in einer Schweizer Talkshow einmal gesagt, dass es mich schmerzt zu sehen, wie windige Finanzjongleure dabei sind, den weltweit guten Ruf der Schweiz zu beschädigen, den die Schweizer Uhrmacher und viele andere aufgebaut haben.
Da liegt der Grund für die Enttäuschung und auch Empörung über die aktuellen Vorgänge. Wenn die Schweizer Regierung nach der lautstark propagierten Abkehr vom Geschäftsmodell der Beihilfe zum Steuerbetrug durch Schweizer Banken, nach der Ausrufung einer „Weißgeldstrategie“ und nach dem Beitritt zum automatischen Informationsaustausch ihren staatlichen Nachrichtendienst zur Bespitzelung der Aufklärer einsetzt, dann ist es eben doch DIE Schweiz, die sich in den Kreis der Täter und ihrer Helfershelfer einreiht.
Ran an die Steuerbetrüger
Damit wird Steuerbetrug tatsächlich zu einem zwischenstaatlichen Problem, das wir schleunigst lösen sollten. Andernfalls würden nicht nur der deutsche Staat und seine Bürgerinnen und Bürger zu den Verlierern zählen – auch die Schweiz würde Schaden nehmen. Die Hände reiben würden sich diejenigen, denen ein mangelnder Schulterschluss der Staaten wirklich nutzt: die Steuerbetrüger und Ihre Dienstleister. Die hätten ganz sicher auch ein großes Interesse an einem politischen Wechsel in Nordrhein-Westfalen, nach dem dann vielleicht noch genau so laut geredet, aber nicht mehr halb so effektiv gehandelt würde.
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