Hannelore Kraft, SPD, die Ministerpräsidentin seit 2010, contra Armin Laschet, CDU, ihren Herausforderer. 60 Minuten standen beide vor der Kamera des WDR in Köln-Bocklemünd. Sichtlich nervös starteten beide in diese als TV-Duell hochstilisierte Debatte, die ein richtiger Schlagabtausch wurde. Mal wurde heftig attackiert und genauso heftig zurückgewiesen. Aber die beiden Politiker gingen ordentlich miteinander um- wie sich das gehört und wie man das erwartet von Persönlichkeiten, die beide die Ambition haben, nach dem 14. Mai das bevölkerungsreichste Land NRW zu regieren. Um das vorwegzunehmen: Anders als Stephan Lauscher, der auf WDR 2 Laschet knapp vorn sah, habe ich Hannelore Kraft und zwar eindeutig besser gesehen. Mir kam es vor wie beim anschließenden Fußball-Spiel Real Madrid gegen Athletico Madrid, bei dem Athletico keine Chance hatte und mit 0:3 verlor.
Sie glauben doch nicht im Ernst…
Die Ministerpräsidentin war präsent, sachlich gut vorbereitet, zog Bilanz und kündigte an, was eine von ihr geführte Regierung denn in den nächsten fünf Jahren alles machen werde. Dagegen konnte der Oppositionsführer nicht mithalten, zugegeben, er war durchaus angriffslustig, sah in Innenminister Ralf Jäger wie erwartet das Sicherheitsrisiko für NRW, aber inhaltlich war kaum etwas von ihm zu hören. Er blieb verbindlich, was er oft lächelnd untermalte. Und manchen Satz begann er mit: „Sie glauben doch nicht im Ernst…“
Es war klar, dass sie sich über die innere Sicherheit streiten würden. Der Angriff von Laschet in Richtung Jäger wegen der Silvesterkrawalle in Köln und wegen des Terroristen Anis Amri war zu erwarten. Und natürlich zielte der CDU-Mann damit auf Hannelore Kraft, weil die ihren umstrittenen Innenminister nicht gefeuert hatte. Die SPD-Chefin wies die Attacken genauso forsch zurück und stellte sich vor oder hinter, wie man will, ihren wichtigen Minister im Kabinett, der ja auch SPD-Chef von Duisburg ist. Weiter kamen die beiden mit dem Thema nicht. Es ist eigentlich alles gesagt, auch von Kraft und Laschet. Aber es ist Wahlkampf und das Fernsehen überträgt und möglicherweise schauen Millionen Zuschauer dem Duell zu. Diese mit Argumenten und der Körpersprache zu beeinflussen, damit sie am 14. Mai ihr Kreuz an der richtigen Stelle machen, dazu dient eine solche Debatte. Die Innere Sicherheit, heißt es, sei eines der wichtigsten Themen, die Angst mancher Bürger vor Einbrüchen, soll die Wahl mitentscheiden. Dabei geht die Zahl der Einbrüche auch in NRW zurück. Und Frau Kraft konnte Laschet vorhalten, dass die alte Regierung Rüttgers damals viele Polizeistellen gekürzt, sie aber neue geschaffen habe und weitere schaffen werde. Motto: Mehr Polizei sichtbar auf den Straßen des Landes zur Beruhigung der Menschen.
Strukturwandel im Revier
Sie glauben doch nicht im Ernst… Das ist die Frage, wer hier wem glaubt. Wir können über die Probleme der Schule reden, über das Stauland NRW, was Laschet tat, über die Schulden im Land, die Kita-Gebühren, die Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit im Revier und anderes mehr. Es gibt in NRW gewiss einige Probleme, die die Ministerpräsidentin auch einräumte, aber dieses Land liegt nicht am Boden, es hat immer auch mit Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt und diese auch gelöst oder zumindest angepackt. Ärmel hoch und ran, ein solches Motto kennt, wer im Ruhrgebiet zu Hause war oder ist. Hier wurde immer malocht, man machte sich die Hände schmutzig, reich wurden die wenigsten. Der Strukturwandel im Revier prägt diese Region seit Jahrzehnten. Im nächsten Jahr wird die letzte Kohlenzeche im Ruhrgebiet dicht gemacht, dann endet eine Epoche, die der Bundesrepublik einst zum Aufstieg verhalf und zwar zu einer Zeit, als alles am Boden lag. Gerade hörte ich im Radio von streikenden Stahlarbeitern in Duisburg, die befürchten, dass Tausende von Arbeitsplätzen gestrichen werden. Noch arbeiten über 20000 Menschen in der Stahlindustrie, das war mal das zweite, ebenso starke Bein des Ruhrgebiets. Der Wandel ist nicht aufzuhalten, ihn so zu gestalten, dass die Menschen im Revier damit und davon leben können, dass die Region nicht absäuft, gehört zu den wichtigen Aufgaben der Politik in Düsseldorf und Berlin. Gleich wer regiert.
Das Thema klang beim TV-Duell an. Hannelore Kraft, die Mülheimer Sozialdemokratin, kämpft hier wie ihre Amtsvorgänger einen harten Kampf, bei dem sie offensichtlich unterstützt wird von ihrem Herausforderer, der der Ministerpräsidentin Recht gab mit ihrer Forderung, die Hilfsmittel, die nach der Wende den Osten der Republik erblühen ließen, müssten nunmehr in den Westen fließen, Hilfe müsse es geben nach dem Bedarf und nicht nach Himmelsrichtungen. Dass da ein Anfang gemacht worden ist, wurde deutlich beim Thema Verkehr. Der Bund wird mit vielen Milliarden Euro, soviel wie noch nie, Straßen und Brücken im Revier erneuern helfen. Es wird gebaut, man sieht das an jeder Ecke, der Autofahrer spürt das auf den Autobahnen und mag sich über Staus ärgern. Aber am Ende der Staus, wenn die Arbeit erledigt sein wird in Jahren, wird der Verkehr fließ�en.
Einig bei der Integration
Einig waren sich die Kontrahenten in der Integration, in der Feststellung von Frau Kraft, dass NRW immer ein Land der Zuwanderer war, erst der Polen im 19. Jahrhundert, später der Türken, Italiener, Jugoslawen, Griechen und seit einigen Jahren der Flüchtlinge aus Afrika, Menschen in Not, die in ihrer Mehrheit nach NRW kommen, um hier zunächst Schutz zu suchen, dann die Sprache zu lernen, einen Job zu finden, um sich an Rhein und Ruhr niederzulassen. Dazu brauchen wir keine Leitkultur, das Grundgesetz reicht und die üblichen menschlichen Regeln für ein friedliches Zusammenleben. Von Johannes Rau, dem früheren Ministerpräsidenten und Bundespräsidenten, stammt der Satz, der dazu passt: Aufeinander achten und einander achten.
TV-Duelle sind immer voll gestopft mit Fakten, Details, mit Behauptungen, mit Kritik. Jeder will es besser wissen als sein Gegenüber, jeder will sich entsprechend darstellen. Wer will das in der Eile und Hektik überprüfen? Die Leitung der Fernsehrunde lag in den feinen Händen von Sonia Mikisch und Gabi Ludwig, die leicht, gekonnt und kompetent beide Politiker zu Wort kommen ließen. Eine Frage hätte sich Sonia Mikisch besser erspart, die nach der Koalition. Dass Hannelore Kraft betonte, ihr Ziel sei, die SPD so stark zu machen wie möglich, reichte ihr nicht. Sie wollte partout wissen, mit wem denn die SPD-Politikerin regieren wolle, da es Umfragen zufolge mit den Grünen nicht reichen werde. Frau Kraft ließ sich darauf nicht ein, zumal sie Umfragen nicht traue. Mit der AfD ginge gar nichts, die Linke hielt sie wie immer für nicht regierungsfähig und den Rest ließ sie offen. Man werde nach dem Vorliegen der Wahl-Ergebnisse Gespräche führen. Ja, was denn sonst?! Sonia Mimisch fand es „unfair“ gegenüber den Wählern, dass Hannelore Kraft sich hier nicht festlegte. Ich fand es journalistisch nicht in Ordnung, dass die Moderatorin das Verhalten der Ministerpräsidentin kommentierte. Ihre Aufgabe war, die Sendung zu leiten und Fragen zu stellen. Den Kommentar hätte sie in einem Extra-Beitrag liefern müssen, damit für den Zuschauer die Trennung von Bericht, Nachricht und Kommentar deutlich wurde.
Erinnerung an 2010
Im übrigen gilt die alte Reihenfolge auch für diese Wahl: Erst wird gewählt, dann gezählt und erst dann über mögliche Koalitionen geredet. Da gibt es manche Möglichkeit: Die SPD, von der man annimmt, dass sie die Wahl gewinnt, folgt man den Umfragen, könnte sogar mit der FDP eine sozialliberale Koalition bilden. Das gab es schon mal und das waren nicht die schlechtesten Zeiten. Frau Kraft könnte auch- immer vorausgesetzt, die Grünen schwächeln weiter und es reicht nicht für Rot-Grün- eine große Koalition mit Armin Laschet CDU bilden. Hört man sich in der Union um, bekommt man keinen Widerspruch. Im übrigen: 2010 bildete Hannelore Kraft mit den Grünen eine Minderheit-Regierung, die im dritten Wahlgang zustande kam, weil die Linke sich der Stimme enthielt. Es reichte die einfache Mehrheit. Ein Fakt, den Laschet im TV-Duell aufs Korn nahm und Kraft vorwarf, sie wäre ohne die Linke „nie“ gewählt worden. Da merkte man, wie tief der Stachel von 2010 immer noch sitzt. Zur Erinnerung: Jürgen Rüttgers war nach einem grandiosen Wahlsieg 2005 in die Staatskanzlei in Düsseldorf eingezogen, an seinem Kabinettstisch saß auch Armin Laschet als Minister. Fünf Jahre später wurde Rüttgers´ Koalition abgewählt. Sein Nachfolger gegen Kraft wurde dann in der vorgezogenen Neuwahl 2012 der viergepriesene Norbert Röttgen, der aber krachend gegen Kraft verlor. Und dann erst setzte sich Armin Laschet als CDU-Chef in NRW durch.