Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Das ist die politische Börse, wo abgerechnet und die Zukunft meist mit Versprechungen vergoldet wird. Der Kurs der Parteien schwankt je nach Meinungsforschungsinstitut und die Dividende hat eh der Wähler zu zahlen. Hausse und Baisse wechseln von Tag zu Tag und sicher lässt sich nur sagen „ Noch nie war ein Wahlkampf so langweilig wie dieser.“ Die politischen Auguren, die sich aus der journalistischen Zunft ein professionelles Urteil erlauben, bescheinigen der rot-grünen Landesregierung fast durchweg schlechte Noten. Im Printbereich ist durch das Zeitungssterben ohnehin eine konservative Schlagseite auszumachen. Was für die einen eine Leistungsbilanz ist für die Anderen eine Leidensbilanz. Alles plätschert so wie in der vergangenen Legislaturperiode im gewohnten Politsparring vor sich hin. Im landespolitischen Treibsand aus oppositioneller Kritik und regierungsamtlichem Selbstlob ist nichts Herausragendes zu entdecken, kein Entwurf für das Modell eines neuen Nordrhein-Westfalens für das immer noch junge Jahrtausend. Wo sind die gebündelten und zündenden Antworten auf Globalisierung, Digitalisierung, Energiewende oder Bildungsnotstände? Es riecht immer noch zu sehr nach Kohle und Stahl, wir hören immer noch die Rückblicke auf die Nachkriegsverdienste der Kumpel, es klingen immer noch die alten Kampflieder von Grünen und Gewerkschaftern zur Ökologie und Ökonomie, alles so gehabt wie die Plakate an den Straßenrändern: muffige Motive und vergilbte Sprüche. Wo erklingt die Zukunftstmelodie? Wenn die Baden-Württemberger nun schon sehr lange mit dem pfiffigen Spruch „ Wir können alles außer Hochdeutsch „ für sich werben, dann stellt sich gerade in Wahlkampfzeiten auch die Frage: „ Was kann Nordrhein-Westfalen, wohin will es ?“ Darüber muss gerade in Wahlzeiten geredet und gerichtet werden.
Wie sehen die Leistungsbilanzen von Hochschulen, Forschungsinstituten oder Technologieparks aus, wie hat sich die Industrie gewandelt, wie entwickeln sich Produktion, Innovationsförderung und Dienstleistung, wo sehen wir vergleichende Bildungsbilanzen oder wie spezifisch kämpfen wir gegen die Armut im Lande?
Nordrhein-Westfalen, unsere Heimat. Wie sieht sie aus, wie unterscheidet sie sich von anderen? Was können wir besser, wo müssen wir nachlegen ? Wo sind die Kreativen, die Künstler und Wissenschaftler, die Denker für dieses Zuhause, die abseits des politischen Mainstreams dieses Land auch nach Vorne bringen können; diejenigen, die sich von der Politik verabschiedet haben, die früher an politischen Prozessen teil nahmen und denen in diesen hochpolitischen Wahlkampfzeiten nur lauer Wind ins Gesicht bläst. Mit welchem Thema überzeuge ich die große Gruppe der Nichtwähler?
Wenn der CDU-Herausforderer Armin Laschet ein Heimatministerium auch für den ländlichen Raum einrichten will, dann ist das eigentlich ein Armutszeugnis, auch weil sich Heimat sicherlich nicht in ministeriellen Amtstuben wiederfindet. Dieses bevölkerungsreichste Bundesland befindet sich in einem Wahlkampf der von tagespolitischen Motzereien und einer trügerischen Wohlfühlatmosphäre überlagert ist aber wenig von einer Vision oder gar spezifischen politischen Utopien ahnen lässt. NRW, ein Land auf der politischen Kaffeefahrt bei der rot-grüne Heizdecken und schwarz-gelbe Gefriertüten verschenkt werden. Die Leidenschaft bei der Bildungspolitik, noch eines der letzten originären landespolitischen Politikfelder, schwappt aus den vergangenen Legislaturperioden herüber und ist angesichts der grundlegenden Fehler fast aller Konkurrenten wenig glaubwürdig.
Graumäusig wandern die Wahlkämpfer durchs Land, Marktplätze als Selfiestudios, das, was während der Legislaturperiode versäumt wurde, soll jetzt auch nachgeholt werden: die Überzeugungsarbeit bei den Bürgern im schnellen Nachgalopp.
Sicher, Hannelore Kraft kommt bei den Menschen an und macht wie Johannes Rau den Wahlkampf bei den Menschen vor Ort. Aber ihre Botschaft „kein Kind zurück lassen „ ist ehrbar aber emotionslos, ihr Kabinett, überwiegend kein Wahlkampfschlager. Kraft hat viel zu lange am schwachen politischen Spitzenpersonal fest gehalten. Ihre Bilanz ist durchwachsen, so wie die vergangenen Jahre eben waren, eine mitreißende politische Botschaft ist aus alle dem nicht auszumachen. Noch reichen möglicherweise ihre Popularitätswerte um die SPD zur stärksten Partei zu machen.
Doch die Wahlfühlzeiten sind vorbei.