Der europafreundliche Emmanuel Macron hatte in Berlin bereits vor seinem erfolgreichen Etappensieg bei der französischen Präsidentschaftswahl eine stattliche parteiübergreifende Unterstützerszene. Und es ist auch politisch höchst verständlich, wenn neben der Union und SPD auch Grüne und FDP darüber erleichtert waren, dass nicht, wie befürchtet, die EU- feindliche Marine Le Pen im ersten Wahlgang an der Spitze lag.
Berliner Fanmeile
Etwas grotesk wirkte der undifferenzierte Jubel auf Macrons überparteilicher Berliner Fanmeile jedoch mit Blick auf Union und SPD, wenn man bedenkt, dass deren französische Schwesterparteien, also weder die konservativen Republikaner noch die Sozialisten (PS), zum ersten Mal in der Geschichte der Fünften Republik in einer Stichwahl um die Präsidentschaft überhaupt nicht mehr vertreten sind. Und was von diesen befreundeten Schwesterparteien anschließend bei den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni angesichts eines möglichen Durchmarschs von Macrons Bewegung „En Marche!“ noch übrig bleibt, ist völlig ungewiss. Das emsige Hofieren Macrons durch Union und SPD bereits vor dem ersten Wahlgang war daher für deren französischen „Parteifreunde“ wohl eine bittere Erfahrung. Es summt einem dabei unweigerlich der schöne ABBA- Hit „The Winner takes it all“ im Ohr. So geht Politik.
Autosuggestive Kraft der SPD
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, wie die SPD seit Jahren mit großer autosuggestiver Kraft „erfolgreich“ übersieht, wie das sozialdemokratische Fundament in der EU ständig weiter erodiert: Die griechischen Sozialdemokraten ( Pasok) sind neben der linken Syriza fast völlig verschwunden, die spanischen Sozialisten schrumpften schmerzlich in Konkurrenz zu der linken Sammlungsbewegung Podemos, die holländischen Sozialdemokraten wurden kürzlich bei der Parlamentswahl zu einer Splitterpartei. Und jetzt ist auch noch mit der PS die französische Sozialdemokratie demoliert: Der offizielle PS- Kandidat Benoît Hamon kam im ersten Präsidentschaftswahlgang gerade noch auf 6,4 Prozent, während der EU-kritische Linkssozialist Jean-Luc Mélenchon immerhin mit 19,6 Prozent praktisch gleichauf mit dem Republikaner Francois Fillon (20,0 Prozent) lag.
Konfliktpotenzial
Völlig ungewiss ist heute, wie sich die absehbaren Umbrüche im französischen Parteiensystem auf die deutsch-französische Partnerschaft konkret auswirken, wenn erst mal ein neuer charismatischer Präsident Macron mit einer eigenen politischen Sammlungsbewegung im Amt agiert. Man kann nicht unbedingt annehmen, dass Macron eine auch parlamentarisch starke Bewegung „En Marche!“ dadurch enttäuscht, dass er sich in EU-Fragen von Angela Merkel ähnlich leicht domestizieren lässt wie seine einst furios selbstbewusst gestarteten Vorgänger Nicolas Sarkozy und Francois Hollande: Immerhin propagiert Macron als unverzichtbares Stabilisierungselement für die Eurozone seit Jahren die Einführung von Eurobonds und gibt der EU nur als Transferunion eine Zukunft. Aber auch ein künftiger Kanzler Martin Schulz könnte nach einem großen Gerechtigkeitswahlkampf politisch fundamental mit Emmanuel Macron kollidieren, der ja als neoliberaler früherer Investmentbanker aus einer etwas anderen ökonomischen Denkschule kommt. Da ist durchaus brisantes Konfliktpotenzial in Sicht.
Kooperation zwischen Paris und Berlin unabdingbar
Fazit: Auch wenn der EU bei der Stichwahl am 7. Mai hochwahrscheinlich der „Worst- Case- Fall“ einer französischen Präsidentin Marine Le Pen erspart bleibt und Emmanuel Macron mit großer Mehrheit gewählt wird, ist doch die weitere politische Entwicklung in Frankreich mit Blick auf die deutsch-französische Partnerschaft mit einigen Fragezeichen und Unsicherheiten verbunden. Die unabdingbare Funktionsfähigkeit der Kooperation zwischen Paris und Berlin für eine dringend notwendige Festigung einer wankenden und zerbrechlichen EU bleibt daher bis auf weiteres ungewiss.
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