„Gerne sogar“ nahm der frisch gewählte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier(61) die Wahl zum künftigen deutschen Staatsoberhaupt an. Der Jurist, langjährige Bundesaußenminister, frühere Kanzleramtsminister des Kanzlers Gerhard Schröder ist damit der 12. Präsident nach Theodor Heuss, Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, Walter Scheel, Karl Carstens, Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Johannes Rau, Horst Köhler, Christian Wulff und Joachim Gauck und erst der dritte Sozialdemokrat im Amt des deutschen Staatsoberhauptes. Seine Wahl im Berliner Reichstag war keine Überraschung mehr, seit CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Suche nach einem geeigneten Kandidaten aus dem Umfeld der Union eingestellt und den SPD-Außenminister zum gemeinsamend Kandidaten der großen Koalition erklärt hatte. Dabei stellte die Union die weitaus größte Gruppe der Wahlfrauen und Wahlmänner in der Bundesversammlung, die nur einmal und nur zum Zweck der Wahl eines Bundespräsidenten zusammentritt.
Der eine oder andere CDU-Politiker wird sich sicher seine Gedanken gemacht haben, als Bundestagspräsident Norbert Lammert als Chef des Hauses und Leiter der Bundesversammlung seine Rede hielt. Denn Lammert sprach im Stile eines Bundespräsidenten: mal staatstragend, mal witzig, klug und launig, dann wieder politisch, historisch und der Bochumer CDU-Politiker vergaß bei allem nicht, ein paar Spitzen in alle Richtungen zu verteilen. Da konnte sich mancher angesprochen fühlen, so der CSU-Chef Horst Seehofer, als der geschichtlich bewanderte Lammert daran erinnerte, wann vor Jahrhunderten der letzten Bayer auf einem deutschen Thron saß. Dann zielte er Richtung Trump und Amerika und warnte vor den Folgen von „Amerika zuerst“, vor Abschottung und Mauern. Um daraus den Schluss zu ziehen, wie wichtig gerade jetzt eine geschlossene und mächtige Europäische Union sei.
Ein Tag der historischen Verweise
Es war ein Tag der historischen Vergleiche. Lammert wies auf den 12. Februar 1867 hin, als der gewählte Reichstag das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht beschlossen hatte. Dann erinnerte er an den Eintritt der USA in den ersten Weltkrieg vor rund 100 Jahren, eben 1917, wenn man so will die Geburtsstunde des Westens, dieser weltumspannenden Wertegemeinschaft. Man hätte noch einen anderen Termin gerade wegen der Wahl eines Sozialdemokraten zum Präsidenten nennen können, an den SPD-Kreise an diesem Tag erinnerten: am 11. Februar 1919 wurde Friedrich Ebert, der SPD-Mann, zum ersten deutschen Reichspräsidenten gewählt, der gelernte Sattler und Vorsitzende des Sattlerverbandes.
Würdevoll, dem Anlass gemäß, in keiner Silbe langweilig- der Auftritt des CDU-Parlamentspräsidenten passte, weil jedes Wort saß. Auch die Würdigung des bald ausscheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck durch Lammert hätte nicht besser ausfallen können. Als er die Verdienste Gaucks würdigte, erntete er und Gauck stehende Ovationen. Gauck musste mit den Tränen kämpfen, er atmete schwer durch. Der Mann hat den Beifall sehr wohl verdient. Dass vor allem die AfD schwieg, gereicht sowohl Lammert wie dem Wirken Gaucks zur Ehre. Den Beifall von der falschen Seite braucht es nicht.
Von Iris Berben bis Peter Maffay
Man sah viel Prominenz auf den Plätzen im Reichstag, wie immer, wenn der Bundespräsident gewählt wird. Neben den Politikerinnen und Politikern aus Bund und Ländern hatten die Parteien Freunde und Sympathisanten zur Wahl geladen, damit sie ihre Stimme abgeben, darunter die Schauspielerinnen Iris Berben und Veronica Ferres, den Schauspieler Armin Müller-Stahl, den Fußball-Bundestrainer Joachim Löw, den Präsidenten von Borussia Dortmund, Reinhard Rauball, den Sänger Peter Maffay und den Schauspieler, Schriftsteller und Komiker Hape Kerkeling und viele andere.
Der neue Bundespräsident, dessen Amtszeit am 19. März beginnt und fünf Jahre dauert, ging in seiner kurzen Rede die Arbeit sofort an, die man von ihm erwartet. Der langjährige Bundesaußenminister war im Kabinett Merkel der Mann für die Krisen in der Welt, denen er sich auf vielen Reisen mit aller Kraft gewidmet hatte. In stürmischen Zeiten, in denen die Welt aus den Fugen zu geraten scheine, komme es auf den Kitt der Gesellschaft an, betonte Steinmeier. Deutschland sei in solchen stürmischen Zeiten für viele Menschen in der Welt zu einem „Anker der Hoffnung“ geworden. Da war das große Thema dieser Jahre wieder auf der Agenda, die Willkommenskultur der Kanzlerin, die für Hunderttausende in Not die Grenzen hatte öffnen lassen, ein Problem, das nicht gelöst ist und dass andere zu ihren unfeinen Gunsten ausnutzen.
Die Wahl des Bundespräsidenten war ein Tag der deutschen Demokratie. Und sehr gelungen.
Bildquelle: Wikipedia, Sven Teschke, CC BY-SA 3.0 DE