Jahrelang kämpfte die SPD um den Wiederaufstieg, in Umfragen und bei Bundestagswahlen landete sie irgendwo im 20-Prozent-Turm, weit abgeschlagen hinter der politischen Konkurrenz der Union. Nun, mit dem Wechsel von Sigmar Gabriel zu Martin Schulz scheint die Stimmung zu kippen. Plötzlich erreicht die SPD wieder Werte, die sie in die Nähe der Regierungsfähigkeit bringt, selbst das Forsa-Institut hat für die Sozialdemokraten Zustimmungswerte von über 30 Prozent ermittelt. Damit rangiert sie zwar immer noch hinter der Merkel-Seehofer-Partei, aber sie rückt den Christdemokraten ziemlich nahe auf den Pelz.
Über die Gründe des Stimmungswechsels in den Meinungsumfragen, die ja noch lange keine Stimmen sind, sondern nur Tests über die momentane Stimmung, darf gerätselt werden. Es ist davor zu warnen, die Schuld allein in der Person von Sigmar Gabriel zu suchen, zum Beispiel in seiner Sprunghaftigkeit, in seiner hin und wieder etwas ruppigen Art, die so genannten Freunde in der eigenen Partei anzusprechen oder besser gesagt, ihnen die Meinung zu geigen. Natürlich ist Gabriel nicht unumstritten, selbstverständlich hat er Fehler gemacht wie andere auch, aber der Niedersachse hat auch eine Menge für die SPD-Klientel erreicht.
Gabriels Opposition in der SPD
Ohne Gabriel und die SPD hätte es weder den Mindestlohn gegeben, noch die Ministererlaubnis, mit der der Vizekanzler den geplanten Deal zwischen Kaisers/Tengelmann und Edeka gegen massive Kritik aus konservativen Reihen stoppte und dafür sorgte, dass Rewe mit ins Handel-Boot gelangte. Und damit Tausende von Arbeitsplätzen auf viele Jahre für kleine Angestellt und ebenso kleine Arbeiter rettete. Genutzt hat es Gabriel persönlich nichts, sein Image war im Keller und ist es bis heute geblieben. Sogar die eigene Partei folgte ihm oft nur widerwillig. Gegen so viel Opposition seiner SPD konnte er nicht gewinnen und gab den Stab an Martin Schulz weiter.
Und seitdem läuft der Wagen der SPD, als hätte er einen neuen Motor bekommen. Dabei hat Martin Schulz eigentlich noch nichts geleistet- eigentlich. Es ist dem einstigen Präsidenten des Europa-Parlaments gelungen, der SPD neuen Mut einzupflanzen. SPD-Mitglieder glauben wieder an sich und ihre Idee einer gerechteren Welt, für die zu kämpfen es sich lohnt. Und dass gegengehalten werden muss gegen den sich ausbreitendend Nationalismus, gegen Rassismus und Rechtsradikalismus in Deutschland und Europa, spielt Martin Schulz in die Karten. Er ist ein überzeugter Europäer.
Mit Schulz kämpfen die Genossen wieder
In kurzer Zeit hat Schulz das nicht zu unterschätzende Kunststück fertig gebracht, dass Sozialdemokraten wieder hoch erhobenen Hauptes durch die Fußgängerzonen der Städte gehen und für ihre Sache werben. Optimismus macht sich breit bei den Genossen, aus dem Gegenwind, für den sie selber über Jahre gesorgt haben, ist ein Rückenwind geworden. Für Schulz spricht, dass er als bundespolitisch agierender Politiker unverbraucht ist, man kann ihm nichts in die Schuhe schieben, nicht mal die Agenda 2010 des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, die viele Sozialdemokraten als Beleidigung empfanden und deshalb die Partei verließen. Dabei war und ist sie ein Regierungsprogramm, um das uns die Nachbarn beneiden oder das sie sogar kopieren, weil es wirtschaftspolitischen Erfolg mit sich brachte. Die Gegner der Agenda halten seit Jahren dagegen, dass es sich um eine sozialpolitische Kürzungsarie handele, die die Klassenunterschiede zwischen den wenigen da oben und den Millionen da unten nur noch verschärft habe.
Wie gesagt, Martin Schulz ist davon unberührt. Und mehr noch: Er wirkt glaubwürdig in seinen Reden und Auftritten. Die Kritik von konservativen Journalisten, Schulz rede viel und sage nichts, wird er wegstecken und sich nicht weiter darum scheren, wenn er gut beraten ist. Seine Aufgabe ist es weiterhin, die Seele der Partei und der Hunderttausenden von Mitgliedern zu streicheln und Sympathisanten und Freunde von früher der Partei wieder zuzuführen. Damit hat er viel zu tun. Der Weg ist noch lang. Schulz muss weiter über die Dörfer ziehen, muss in den anstehenden Wahlkämpfen verloren gegangenes Terrain für die SPD zurückzuholen.
Vergleiche mit Adenauer und Kohl
Schon wird der Vergleich mit 1998 gezogen, als der junge Gerhard Schröder zusammen mit dem damaligen SPD-Parteichef Oskar Lafontaine den Dauer-Kanzler Helmut Kohl besiegte- nach 16 Dienstjahren des langjährigen CDU-Chefs. Das war lange nicht für möglich gehalten worden. Auch Kohl schien unbesiegbar, aber dann hatte er doch den richtigen Zeitpunkt für ein Ausscheiden aus dem Amt in Würde verpasst. Er wurde abgewählt, eine Parteispendenaffäre des Pfälzers schmälerte dann noch seinen Ruhm, seine Nachfolgerin in der CDU, die heutige Kanzlerin Angela Merkel, erklärte in einem Aufmacher der FAZ die Ära Kohl für beendet. Aufsehen erregend war das, wie das einstige Mädchen Merkel, wie der Altkanzler sie einst gönnerhaft bezeichnet hatte, ihren früheren Chef vom Sockel holte.
Vergleiche hinken, das stimmt. Aber Merkel ist lange im Amt, sehr lange. Selbst Parteifreunde sind ins Grübeln gekommen, ob die erneute Kandidatur von Angela Merkel gut gehen könnte, will sagen, noch einmal erfolgreich sein werde. Die vierte Legislaturperiode der Amtszeit sei sowohl für Konrad Adenauer wie für Helmut Kohl zum Verhängnis geworden, Adenauer wurde von Ludwig Erhard abgelöst, Helmut Kohl verlor gegen Schröder. Und für Merkel wird es im September die vierte Wahl, die sie aber noch gewinnen muss.
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