Deutschland ist unsicherer geworden, toben die einen, die Rechten. Sie benutzen jede Untat, jeden Angriff eines Flüchtlings auf einen Deutschen als Munition für ihre Angriffe gegen die Fremden. Ruhig und besonnen möge man reagieren, wenn etwas passiert, wenn jemandem etwas Schlimmes zustößt, so argumentierten andere. Es sind nicht d i e Flüchtlinge, nicht d i e Afghanen, d i e Tunesier, d i e Nordafrikaner. Leichter gesagt als getan. Der LKW, der in den Weihnachtsmarkt in Berlin in der Nähe der Gedächtniskirche reinrast und Menschen über den Haufen fährt, sie tötet, das Bild sagt mehr als viele ruhige Gedanken oder besonnene Worte. Bilder können einen erschlagen. Und die Fremdenfeinde nutzen sie für ihre üble Kampagne gegen die Fremden.
Ich hatte vor Jahren mal einen Chefredakteur, der ließ es nicht zu, wenn man einen Kriminellen einen Farbigen nannte, auch wenn dieser ein Afrikaner war, ein Schwarzer. Begründung: Wenn ein Weißer als Taschendieb gefasst wird, schreiben wir ja auch nicht von einem weißen Täter. Wir schreiben nicht mal von einem deutschen Täter, aber von einem Ausländer, der geklaut oder einen anderen überfallen hat. Damals gab ich dem Chefredakteur Recht, nicht weil er mein Chef war, aber seine Erklärungen leuchteten mir ein. Ist das heute anders, weil es so viele sind, weil allein im letzten Jahr fast 900000 Flüchtlinge nach Deutschland kamen?
Stimmung wird gegen Fremde geschürt
Es ist nicht bewiesen, ob die Zuwanderung unser Land unsicher macht. Es gibt mehr Taten, weil es eben auch mehr Menschen sind. Trotz der vielen Flüchtlinge aus vielen Ländern der Welt ist Deutschland, statistisch gesehen, sicherer geworden. Schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrem Leitartikel. Was aber nicht heißen will, dass wir uns auch sicherer fühlen. Wenn Stimmung gemacht wird von bestimmten Gruppen und Parteien, kann diese Stimmung auch kippen. Man liest, dass die AfD, die von der Flüchtlingskrise profitiert hat und weiter profitiert, weil sie die Unsicherheit, die Ängste vor Fremden schürt, dass diese AfD viele Sympathisanten hat, wohl auch Mitglieder, die von der CDU, aber auch der SPD kommen.
Die Volksparteien haben noch kein Mittel gefunden gegen diese rechtspopulistische Partei und deren einfache Parolen. Man hört, dass in bestimmten Kreisen der CDU die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel ziemlich unten durch sei. In diesen Kreisen, so heißt es, dürfe der Name Merkel schon nicht mehr genannt werden, ohne ihn mit der nötigen Häme zu versehen. Weil sie damals die Grenzen geöffnet hat und Zehntausende über die Grenze nach Deutschland ließ. Ein Akt der Humanität, getreu dem Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Aber was machen ihre Gegner, ihre Kritiker daraus? Merkel habe das Land unsicher gemacht. Die Flüchtlinge seien nicht registriert worden, monierte die CSU. Wir müssten wissen, wer ins Land gekommen sei und hier lebe. Stimmt. Ist auch längst vollzogen- mit etwas Verspätung. Die SPD muss mit ähnlichen Vorwürfen leben. Ein ehemaliges Mitglied aus Essen wird immer im Fernsehen gezeigt und mit den Vorwürfen zitiert: Flüchtlinge kriegten alles zum Nulltarif, der einheimische Bedürftige dagegen gehe leer aus. Dass das in der Realität nicht so ist, hat Kanzleramtsminister Peter Altmaier in einer Fernsehsendung betont und seine Richtigstellung mit Fakten unterlegt. Geholfen hat es wenig.
Es wachsen die Vorurteile
Auf einem solchen Boden wachsen die Vorurteile gegen die Fremden. Es sind dann eben alles kriminelle Ausländer, betonen die wenigen, aber sich aber bemerkbar machen. Hier zu differenzieren, in aller Ruhe und Besonnenheit, fällt schwer. Weil die Mehrheit eher schweigt. Einige tun es, vor kurzem der Trainer des Fußball-Bundesligisten SC Freiburg, Streich. Und jetzt der Grünen-OB von Stuttgart, Fritz Kuhn. Am Tag nach dem verheerenden Terroranschlag in Berlin besuchte Kuhn das städtische Dienstleistungszentrum für Flüchtlinge. Und Kuhn tat das, was nicht alle hören wollten. Er diktierte den Journalisten in ihre Aufnahmegeräte: der Weihnachtsmarkt in der schwäbischen Metropole bleibe geöffnet, für die Sicherheit in der Stadt werde alles getan. Und um keine Missverständnisse über seine Haltung aufkommen zu lassen, ergänzte der Grünen-Politiker: Die Bürger Stuttgarts würden auch in Zukunft nicht hinter jedem Flüchtling einen „potentiellen Terroristen“ sehen. So schrieb es die SZ.
Rommel hielte dagegen
Das ist es, was nötig ist. Gegenhalten gegen die dumpfen Parolen. Kuhn fühlte sich dabei offensichtlich in guter Gesellschaft. Schon einer seiner Amtsvorgänger, Manfred Rommel, habe für ein weltoffenes Stuttgart geworben. Und später dann erzählte Kuhn jene Geschichte Rommels aus frühen Tagen, nach dem Mord auf der Gaisburger Brücke, wo ein Asylbewerber aus Kamerun am 8. Oktober 1989 zwei Polizisten mit einem Bajonett getötet hatte. Rommels Kommentar dazu: „Es hätte auch ein Schwabe sein können.“ (Zitiert aus der SZ, 29. 12., 2016) Viele in der Stadt waren damals empört, wie sie empört waren, als Rommel anlässlich der Beerdigung der einstigen RAF-Terroristen Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspel 1977 auf dem Stuttgarter Dornhaldefriedhof gesagt hatte: „Mit dem Tod muss jede Feindschaft enden.“
Die Medien sind hier gefordert, ruhig zu argumentieren, besonnen, nicht dem Hass einiger weniger den Platz einzuräumen, den diese Hetzer für ihre feindliche Stimmung brauchen. Die Medien müssen mehr den Alltag der Flüchtlinge schildern, die Arbeit der vielen Helferinnen und Helfer beschreiben, das Zusammenleben, auch wenn es nicht immer einfach ist. Ob man dabei die Namen der Herkunftsländer nennt oder nicht, ob man dazu schreibt, ob sie farbig sind oder weiß, lass ich mal dahingestellt. Egal, wie wir es machen, wir dürfen nichts verschweigen, sonst helfen wir denen, denen wir nicht helfen wollen. Transparenz ist nötig, sachliche Information, damit die Nachrichten informieren. Es gilt das Motto, dass einer der ganz Großen unserer Branche, Hanns Joachim „Hajo“ Friedrichs, einst geprägt hat: Sich nicht gemein machen mit einer Sache, nicht mal mit einer vermeintlich guten. Dann sind wir glaubwürdig.