Der Breitscheidplatz rund um die Gedächtniskirche ist voller Menschen. Es ist ein wunderschöner Tag. Die Sonne scheint. Keine Wolke am Himmel. Eigentlich sollte hier Weihnachtsmarkt sein. Der fällt auch an diesem Mittwoch aus. Die Buden, Verkaufsstände, die Imbisse sind geschlossen. Um die Kirche herum, an Bäumen, an den Straßenrändern, vor dem Ort des Anschlags liegen Blumen, stehen Kerzen, hängen Kondolenzkarten an den Zäunen. Es hängt eine eigenartige Stille über dem Platz zwischen dem Berliner Wahrzeichen und dem Europacenter. Schwer bewaffnete Polizisten patrouillieren am Bahnhof Zoo, auf dem Tauentzien, dem Kurfürstendamm und in der Budapester Straße, die noch immer für den Verkehr gesperrt ist. Der Ort des schrecklichen Geschehens ist nach wie vor abgesperrt, mit weißen hohen Planen abgehängt, von Beamten abgesichert. Die Stadt wirkt, als wenn sie sich angehalten hätte.
Zwei ältere Männer, leicht gebeugt, stehen in der langen Warteschlange, um sich in das in der Kirche ausgelegte Kondolenzbuch einzutragen. Sie schweigen, starren vor sich hin, kaum jemand der Wartenden spricht. Zwei junge Frauen am Eingang weinen. „Es ist so etwas wie ein stiller, trauriger Protest gegen diesen gewaltigen Anschlag im Herzen des alten West Berlin, ich hätte niemals gedacht, dass ich so etwas einmal erleben werde,“ sagt der Anfang 50jährige aus dem im Norden Berlins gelegenen Tegel. Mit der U – Bahn sei er hierher gekommen, erzählt er: „Ich musste das einfach tun,“ meint er noch. Seine Begleiterin schaut ihn an, nickt: „Ich hab` das nur kurz im Fernsehen schauen können und es dann einfach nicht mehr ausgehalten. Ich konnte es einfach nicht glauben.“
Fassungslos ringt man um Worte
Ihr geht es am zweiten Tag nach diesem furchtbaren Ereignis wie den meisten Menschen auf dem Platz. Sie glauben es nicht, sind fassungslos und ringen um Worte, um dieses Attentat, ihre eigenen Gefühle zu beschreiben. „Was für Menschen sind das, die so etwas anrichten.“ Das junge englische Ehepaar aus Manchester hat im nahe gelegenen Hotel davon erfahren, dass etwas Schreckliches passiert sein müsse und war am Dienstag schon mal hier. Die Beiden sind nicht zum ersten Mal in Berlin, sprechen recht gut Deutsch und wollen noch bis zum Jahresanfang bleiben: „Ich kann nicht begreifen, wie man so etwas tun kann,“ schüttelt er den Kopf.
Auf dem Breitscheidplatz, der vor allem im Sommer ein Treffpunkt für überwiegend junge Leute aus aller Welt ist, hat sich eine völlig unorganisierte internationale Trauergemeinde eingefunden. Niemand drängelt, keiner schubst. „Das ist eben auch Europa. Ohne rechtsradikale, nationalistische Parolen, ohne Hass. Zivil und friedlich selbst in dieser Erschütterung,“ gibt ein schlanker, etwa 30 Jahre alter Mann zu bedenken, der mit seiner Frau einen Strauß Tulpen an der Gedächtniskirche abgelegt hat. Die häufig so ruppigen, so schwer aus der Fassung zu bringenden Berliner sind erschüttert. Die vielen Gäste aus allen Teilen Europas und der Welt sind es auch. „Heute ist hier der Trauertag der Bevölkerung,“ zeigt eine ältere Dame auf die vielen Menschen,“ gestern war der Trauertag der Politik, der Kirchen und der Medien.“ Sie hält den Kopf ein wenig schief, lächelt und meint noch: „Das hier sollten alle sehen und mitkriegen.“
Bildquelle: pixabay, user blickpixel, CC0 Public Domain