Seitdem er von Hannover zu Werder kam, ist Per Mertesacker mein Lieblingsbremer gewesen: Stark und verlässlich, beherzt und mutig bei Pässen nach vorn, fair und sportlich, wenn es darum geht, einen Stürmer am Pass oder Torschuss zu hindern. Der Ex-Bremer ist der Mann mit der geringsten Quote an gelben Karten, weil er intelligent ist und das Spiel der listigen Schwalbenmacher, Foulkicker und Strafraum-Zampanos vorher durchschaut. Man hat ihn selten jammern sehen oder in der Pose eines Jublers, der eine Leistung nur für sich allein reklamiert. Er ist keine Diva und trägt auch kein Tattoo , seine Frisur ist kreuzbrav und solide, affige Ohrstecker eines Özil, Ronaldo oder Götze würde sich dieser kühle Norddeutsche energisch verbitten ; er kutschiert seine Familie eher im Passat , anstatt wie Özil im teuren Ferrari vorzufahren.
Der Bremer wirkt bodenständig und pragmatisch; er ist ein Abwehrrecke, der selten die Nerven verliert und ein höchst effektiver Mannschaftsspieler, von denen es in der Fußballbranche immer weniger gibt. Alle Kameras sind meist auf die großen Stars der Branche, also auf Messi, Neymar, Benzema, Müller, oder Klose gerichtet. Aber ohne Per Mertesacker , den einst Jürgen Klinsmann für die Nationalelf entdeckte, wäre die deutsche Elf gegen Algerien wohl verloren gewesen, weil nur er die dringend nötige Sicherheit in die Vierer- Abwehrkette brachte . Es waren seine Spielerfahrung und unerschütterliche Souveränität, die den deutschen Laden mit einem überaus beherzten Manuel Neuer zusammen hielten und mit der Unterstützung von Boateng, Höwedes und Lahm dafür sorgten, dass die Deutschen doch ins Viertelfinale kamen.
Ein gutes Fußballspiel wird auch von hinten gewonnen. Dafür sind Neuer und Mertesacker, flankiert von den gut aufgelegten Höwedes und Boateng, aber auch Kroos und Schweinsteiger am letzten Montag ein gutes Beispiel gewesen. Manuel Neuers riskante Ausflüge lassen abgebrühte Torwartexperten wie Olli Kahn zu Recht fragen, wie lange solcher Löwenmut noch gutgehen kann. Aber ohne den langen Bremer geht gar nix. Beim Vier-Tore-Sieg gegen Portugal mischte er mit, der Sieg gegen die USA war nur möglich, weil sein Direktschuss im Abprall dem lauernden Thomas Müller vor die Füsse kam; gegen Algerien war der Fast-Zwei-Meter-Mann auch bei gefährlichen Standards oft vorne zu finden. Er ist das, was man einen Wutspieler nennt, ein Mann, der mit Herz und Leidenschaft fightet und alle Mitspieler antreiben will , bis die letzte Entscheidung gefallen ist.
Natürlich gehört er unbedingt in eine Reihe neben Lahm, Schweinsteiger und Müller, die beileibe keine Schönspieler sind. Aber die Jungen sollten sich an seiner fußballerischen Leidenschaft ein Beispiel nehmen. Per Mertesacker ist natürlich kein Schönspieler, aber auch kein Schönredner. Als ihn ein ZDF-Reporter nach dem Spiel gegen Algerien fragte, wie er sich die Schwäche der deutschen Mannschaft in der ersten Halbzeit, ihr zerfahrenes Passspiel, die Nervosität und ihre Ungenauigkeit erklären könne, da fuhr der abgekämpfte , schweißnasse und total ausgelaugte Bremer dem Frager über den Mund : „ Was soll dieses überflüssige Gerede. Die Hauptsache ist, wir haben gewonnen. „
Ein sympathischer Bremer, der spielt und Klartext redet, ein Fels der Gewissheit in tosender Brandung – mein Lieblingsspieler, der hoffentlich auch dafür sorgt, dass wir diese Weltmeisterschaft gewinnen.
Der Autor ist freier Journalist und Fan von Werder Bremen.