Alexander Van der Bellen hat es nach einem turbulenten Marathon-Wahlkampf geschafft. Der frühere Grünen-Chef und heute Parteilose zieht als neuer Präsident in die Wiener Hofburg ein. Er hat den äußerst rechten Kandidaten Norbert Hofer so deutlich geschlagen, dass die Stimmen der Briefwähler nicht mehr ins Gewicht fallen. Die Erleichterung ist groß. Ein neuerlicher Schock nach Brexit und Trump blieb aus.
Problem mit Populismus nicht gelöst
Das Aufatmen, das weit über Österreich hinaus auch in Berlin und Brüssel hörbar ist, gilt der Niederlage des nationalistischen und fremdenfeindlichen Demagogen Hofer mehr als den Erwartungen an den linksliberalen Professor. Die Wählerinnen und Wähler haben gegen die Fortsetzung der Serie rechtsextremistischer Triumphe entschieden. Eine grundsätzliche Abkehr von dem plumpen Populismus der „Freiheitlichen“ bedeutet diese Wahl nicht. Die FPÖ sitzt auf den verschiedenen Ebenen recht fest im Sattel, und weder die konservative ÖVP, noch die sozialdemokratische SPÖ scheinen die erforderliche Kraft zur eigenen Erneuerung aufzubringen.
Niedergang der Volksparteien
Die Präsidentenstichwahl, die nach Wahlanfechtung, Annullierung, Wiederholung und Verschiebung ein ziemlich schlechtes Licht auf die Leistungsfähigkeit des Landes warf, illustriert zugleich den Niedergang der einstigen Volksparteien. Sie beide sind über die Jahrzehnte derart in den Sumpfgebieten von Skandalen, Günstlingswirtschaft und Korruption versunken, dass sie im Wettbewerb um das höchste, wenngleich vorwiegend repräsentative Staatsamt keine Rolle mehr spielten.
Hassideologie quer durch Europa
Als Zaungäste verfolgten sie die Auseinandersetzung zwischen dem besonnenen Van der Bellen und dem Scharfmacher Hofer, die das Land spaltete, das nun zuallererst wieder zu befrieden ist. Das setzt voraus, dass nun nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen wird, weder in Österreich, noch in Europa. Die verharmlosend als Rechtspopulismus bezeichnete Hassideologie zieht ihre Kreise durch Europa, von Dänemark, Finnland und den Niederlanden, über Ungarn, Polen und Frankreich bis nach Deutschland, das lange als besonders immun gegen rechtsextreme Umtriebe galt.
Demoskopen lagen wieder daneben
Nein, das Scheitern Hofers, der auch die Wähler im Ausland zuletzt mit Briefen und Mails regelrecht bombardierte, ist kein Grund für Entwarnung; letztlich war wohl Donald Trump ein wichtiger Wahlkampfhelfer von Van der Bellen. Das politische Beben der Präsidentenwahl in den USA hat in Österreich die Abwehrkräfte gegen den rechten Spuk mobilisiert. Wie in den USA lagen übrigens auch in Österreich die Demoskopen wieder völlig daneben.
Mehr der Lebenswirklichkeit zuwenden
Die Liste der meinungsforscherlichen Irrungen und Wirrungen ist um ein Vorhersageversagen länger geworden. Erstaunlich, wieviel Bedeutung den Meinungsumfragen auch von den politischen Akteuren selbst immer noch geschenkt wird. Kluge Propheten warten die Ereignisse ab, möchte man ihnen raten, und sich doch besser der Lebenswirklichkeit der Menschen zuzuwenden.
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