Fidel Castro wurde zu Lebzeiten schon zu einem Mythos, ein atmendes Denkmal, wie die SZ schrieb. Ein Mann, auf den seine Gegner -oder soll man besser Feinde sagen?- immer wieder Anschläge verübten, oft gesteuert vom amerikanischen CIA. Er überlebte sie alle und konnte sich am Ende darüber sogar lustig machen. „Wenn ich wirklich tot bin, werden sie es nicht glauben.“ Jetzt starb er im Alter von 90 Jahren, die Macht hatte er schon länger aus Krankheitsgründen seinem Bruder Raul übertragen.
Sozialisten pilgerten früher reihenweise nach Havanna, um zu erleben, wie sich der Sozialismus anfühlte, um zu sehen, was denn der Revoluzzer und Genussmensch Fidel Castro aus der Zuckerinsel gemacht hatte. Ich erinnere mich an ein Gespräch, das die beiden Sozialdemokraten Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine in den 90er Jahren führten, nachdem einer von ihnen von einem Besuch des Karibik-Staates zurückgekehrt war: „DDR auf karibisch“, lautere das kurze Urteil.
150 Kilometer trennen Kuba und die USA
90 Miles to Kuba, liest der Reisende, der Key West besucht, jenen Platz, wo einst Hemingway seinen Whiskey soff. Nur 150 Kilometer liegen zwischen der kleinen Insel und dem mächtigen Amerika. Die USA und Kuba, sie wurden Erzfeinde, Castros Kuba der Stachel im Fleisch der Weltmacht mit Sitz in Washington, die Freundschaft Havannas mit der Sowjetunion, die Stationierung von Raketen ein Affront, was zum Glück nicht zum Krieg führte. Die Wieder-Annäherung geschah erst vor einigen Monaten, als USA-Präsident Obama die Insel besuchte, nachdem Monate vorher die Rolling Stones dort aufgetreten waren. Diese Annäherung, betrieben und gewollt von seinem Bruder Raul, gefiel dem Comandante gar nicht. Obama versicherte nach dem Tod Fidels den Kubanern, „dass sie in den Vereinigten Staaten einen Freund und Partner haben“, zugleich sprach er der Familie sein Beileid aus. „Wir wissen, dass dieser Augenblick bei Kubanern große Emotionen auslöst“.
Anders, völlig anders ging der künftige US-Präsident Donald Trump in seiner bekannt ruppigen Art mit dem Tod des einstigen Revolutionsführers um: er nannte ihn einen „brutalen Diktator“, sein „Vermächtnis ist eines von Schießkommandos, Diebstahl, unvorstellbarem Leid, Armut und der Verweigerung fundamentaler Menschenrechte“.
Batista, der Schlächter, von Amerika unterstützt
Wenngleich es stimmt, dass Castro ein Diktator war, der Oppositionelle hinrichten ließ, hätte Trump bedenken müssen, welcher „blutrünstige Schlächter, Tyrann und Despot“ vor Castro auf der Insel das Sagen hatte: Batista, der von 1952 bis 1958 Kuba beherrschte und mit massiver Waffenhilfe der USA, gesteuert vom CIA, Land und Leute tyrannisierte. Zwischen 2000 und 20000 Menschen wurden Opfer seiner brutalen Foltermethoden. Er ließ politische Gegner kastrieren, ihnen die Fingernägel rausreißen, deren Füße in Säure baden, die Leichen aus den Autos auf die Straße werfen oder sie zwecks Abschreckung an Laternenmasten aufknüpfen, Schilderungen, die damals in der New York Times zu lesen waren. Und der Westen schaute zu, Amerikaner genossen den Casino-Kapitalismus, Mafiosi konnten ihr Geld auf der Insel gut anlegen, während das Volk ausgebeutet wurde.
Bonn verlieh dem Tyrannen einen Orden
Auch die Bundesrepublik fand offensichtlich nichts Anrüchiges an diesem Diktator, verlieh sie ihm doch 1957 die Sonderstufe des Großkreuzes des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Und die USA stellten die Waffenlieferungen erst 1958 ein.
Am 1. Januar musste Batista fliehen, er entkam in die Dominikanische Republik, im Gepäck 40 Millionen Dollar, der Staatskasse Kubas entnommen, später übersiedelte der Tyrann mit den blutüberströmten Weste nach Spanien, in Marbella fand er ein Refugium.
Dass Exilkubaner in Amerika die Nachricht vom Tod Castros bejubelten, mag man verstehen. Castro, der alles andere als ein Heiliger war, hatte oft genug mit Oppositionellen kurzen Prozess gemacht. Aber dass Trump gnadenlos urteilte? Er hätte wissen müssen, wenn er mit einem Finger auf den Schuldigen Castro zeigt, dass drei Finger derselben Hand auf ihn zurückweisen. Auch die traurige Bilanz, die Kanzleramtsminister Peter Altmeier aus dem Leben Castros zog, passt nicht so ganz zur Geschichte des Verhältnisses von Kuba und der Bundesrepublik, zu der eben auch der Verdienstorden an den Henker Batista gehört.
Castro war längst Vergangenheit
Am kommenden Sonntag wird Castro nach neuntägiger Staatstrauer beigesetzt. Sein Mythos hat viele Länder Afrikas, Lateinamerikas und die sozialistischen Brüder im Ostblock-den es gar nicht mehr gibt- bewegt. Castro war aus der Zeit gefallen, der Mann, der Maximo Lider, in Uniform oder im Trainingsanzug. Er war längst Vergangenheit. Die Geschichte, so befand der bald aus dem Amt scheidende Präsident Obama, werde über ihn urteilen.
Bildquelle: Youtube, socialistagenda, CC BY 3.0