Claus Kleber, der ZDF-Fernsehstar und langjährige Amerika-Korrespondent, war einer der ganz wenigen Journalisten, die vor der US-Wahl dem Braten nicht trauten, den die Meinungsinstitute für die Welt-Öffentlichkeit angerichtet hatten: Hillary Clinton vorn, keine Frage. Der erfahrene Kleber, der viele Wahlkämpfte in den Staaten erlebt hat, nicht nur am Fernsehschirm im warmen Studio und nicht nur in der Hauptstadt Washington, sondern hautnah bei den Bürgern, schien zu ahnen, wie es im Mittleren Westen brodelte, welcher Zorn über das Establishment sich angesammelt hatte und welche Empörung sich bei der Stimmabgabe zu Ungunsten von Hillary Clinton entladen könnte, weil die Frau des früheren USA-Präsidenten Bill Clinton, der auch keine saubere Weste vorweisen kann, selber mehr als umstritten war.
Angesichts des ruppigen und teils beleidigenden Wahlkampfstils des Milliardärs Donald Trump und bestärkt durch die Umfrageinstitute schrieben viele Journalisten aber lieber das auf, was ihnen mehr gefiel und nicht das, was war. Übrigens kam auch ein guter Freund im Frühjahr von einer Reise in den Mittleren Westen zurück, wo er viele Freunde und deren Angehörigen getroffen hatte. Er berichtete: Machen wir uns nichts vor: Die wählen alle Trump.
Die Stimmung unterschätzt
Viele haben den Mann und die Stimmung unterschätzt. „Brandstifter an der Macht“, so der Titel des Spiegel-Kommentars zwei Tage danach . Wenn man das alles nochmal liest, fragt man sich erst Recht: Wie konnte der Milliardär von Millionen Amerikanern ins Weiße Haus gewählt werden? Wer Trump erlebt hat, wir in Deutschland eher im Fernsehen, andere vielleicht life bei Wahlkampfauftritten, der schüttelte sich ob dieses polternden Stils dieses Mannes. Ich zitiere den Spiegel-Kommentator Hasnain Kazim: „ Wie kann jemand, der keine Ahnung von Politik hat, der Mexikaner pauschal als Vergewaltiger beleidigt, der sich lustig macht über Menschen mit Behinderungen, der Muslime nicht mehr ins Land lassen will, der sich rühmt, Frauen in den Schritt zu fassen und jede zu kriegen, weil er so reich und berühmt ist, der Steuern hinterzogen hat und als Milliardär so tut, den „kleinen Mann“ zu vertreten, der Folter für ein legitimes Mittel hält, der für die Waffenlobby steht, der vom Ku-Klux-Klan unterstützt wird, der Journalisten „Lügner“ nennt, der seine politischen Gegner ins Gefängnis werfen lassen will, der Mauern und Zäune bauen will, der das Wahlergebnis anzweifeln wollte, hätte er verloren, der durch und durch rassistisch, fremdenfeindlich, sexistisch und menschenverachtend ist, wie kann so einer US-Präsident werden?“
Weil man das alles nicht für bare Münze nahm? Aber selbst wenn man das nicht so ernst nahm: Warum hat man ganz offensichtlich diesem Trump all diese Ruppigkeiten und Beleidigungen verziehen, ja ihn sogar dafür belohnt, indem man ihm seine Stimme gab? Immerhin ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika der mächtigste Mann der Erde?
Polarisierer-Präsident aller Amerikaner
Und dann die Wandlung. Kaum sind die Wahllokale geschlossen, kommt der Mann, der so viele andere Mitmenschen attackiert hat, menschlich daher, erklärt, er wolle nun Präsident aller Amerikaner sein. War also alles nur Show? Nicht so gemeint? Nunmehr solle man doch endlich zur Tagesordnung übergehen? Ich kann das nicht begreifen oder einfach in den Papierkorb werfen. Wie wird das sein in den nächsten Monaten? Werden die Trump-Fans nicht die von ihrem Vorbild geschaffene Stimmung gegen Ausländer, Mexikaner, Homosexuelle ausleben, diese verbal und körperlich angreifen?
Und auch wenn der erste Besuch beim noch amtierenden Präsidenten Barack Obama so friedlich-schiedlich verlief, wenn Obama, der selber von Trump beleidigt worden war, aber Größe zeigte und sich mehr Zeit nahm als geplant und seinen Nachfolger über 90 Minuten über das Amt und die Arbeit informierte, und auch wenn Trump am Ende beinahe feierlich gestand: „Es war mir eine Ehre“. Die Frage ist doch, was meint er denn nun wirklich, dieser Trump, der das Klima in Amerika nicht nur angeheizt, sondern richtig vergiftet hat? Rassistische und sexistische Äußerungen sind ja nicht Bestandteil eines Kindergeburtstages, sie können ja Nachahmer finden. Und was ist dann, war es dann nicht so gemeint?
Nato-Mitglieder sollen den Schutz bezahlen
Seine Bemerkungen über die Kanzlerin Angela Merkel und deren Flüchtlingspolitik, seine abschätzigen Äußerungen über die Schutzmacht Nato, dass er die Länder, die den Schutz der Nato in Anspruch nähmen, zur Kasse bitten werde- alles nicht so gemeint und nur so dahingesagt, weil man für sich Stimmung im Wahlkampf machen wollte?
Trump hat China als Währungsmanipulierer hingestellt, er werde sie dafür durch die Manege schleifen. Die Krankenversicherung, von Obama mühsam eingeführt, diese Obamacare will er schnellstens wieder abschaffen, den Zaun an der Grenze zu Mexiko, der heute 1000 Kilometer lang ist, soll in eine 3000-Km-lange Mauer aus Stahl und Beton umgewandelt werden, die Mexiko bezahlen werde: Kosten 25 Milliarden Euro. Die Religionszugehörigkeit eines jeden Fremden will er überprüfen lassen. Seine politischen Äußerungen riechen nach Abschottung und Protektionismus, was teuer würde für alle Seiten. Es lebe die Vergangenheit.
Selbst die Leute aus den eigenen Republikaner-Reihen waren während der Ausfälle dieses Mannes entsetzt. Paul Ryan, dem Sprecher des Repräsentantenhauses, wurde es „übel“, wenn er Trump zuhörte, ein anderer, Mitch McConnell, der Chef der Mehrheitsfraktion im Senat, riet Trump, er möge sich für die sexistischen Äußerungen über Frauen entschuldigen. Frauen haben ihn sexistischer Übergriffe bezichtigt, so Jessica Leeds, die beklagte, während eines Flugs von ihm begrabscht worden zu sein.
Das Land ist gespalten wie nie zuvor
Er ist gewählt, Tausende von Amerikanern haben mit Transparenten dagegen protestiert: „Not my President“. Es wurden Puppen, die Trumps Gesicht zeigten, in Brand gesetzt, Autobahnen blockiert. Das Land wirkt gespalten wie nie zuvor.
Populisten in aller Welt jubeln ihm zu, sie sehen durch seine Art des Wahlkampfs nunmehr für sich eine größere Chance. Le Pen in Frankreich, Wilders in den Niederlanden, Orban in Ungarn, die AfD, sie alle sehen sich bestätigt und haben Oberwasser. Populismus, das ist die Politik der einfachen Antworten. Dabei ist die Welt kompliziert. Wenn dieser Wahlkampfstil hier bei uns Schule machte….
Es ist ja wahr, schon früher gab es US-Präsidenten, deren Politik verheerende Folgen hatte. Man nehme nur George W.Bush, der zwei schlimme Kriege anzettelte, der in den Irak einmarschierte, weil er fälschlicherweise behauptete, dort würden chemische Waffen produziert. Der Krieg verwüstete das Land, kostete vielen Menschen das Leben. Auch der Einsatz in Afghanistan hat nichts gebracht, das Land am Hindukusch und die fremden Besatzer kommen nicht zur Ruhe, wie gerade wieder Deutschland schmerzlich feststellen musste. Bei einem Anschlag auf das deutsche Generalkonsulat in Masar-i-Sharif, verübt von einem Selbstmordattentäter, der sich in die Luft sprengte, wurden mehrere Menschen getötet und viele verletzt.
Ruf nach einem einigen Europa
Europa müsse sich auf seine eigene Stärke, auf seine Werte besinnen, es müsse endlich erwachsen und selbständig werden, selbstbewusster, aber eben auch geschlossener auftreten. Diese Forderungen hören wir seit der Wahl. Und sie sind ja auch richtig, weil ein Land allein es nicht schafft in der globalisierten Welt, eine Entwicklung, die nicht zurückzudrehen ist, weder Deutschland noch Frankreich, und Polen oder Ungarn schon gar nicht. Die EU müsste sich endlich als eine Einheit sehen, die die Vielfalt respektiert. Wenn das so käme, hätten wir die richtigen Konsequenzen aus der Wahl Trumps gezogen.