Der Schock sitzt tief, das Land ist nicht wiederzuerkennen, weder für Freunde noch für viele US-Amerikaner, die im Ausland leben. Donald Trump wird der 45. US-Präsident. Ein Mann ohne jede politische Erfahrung, offensichtlich auch ohne einen Funken Anstand im Leib, voller Missachtung für Minderheiten und Andersdenkende wurde mit deutlicher Mehrheit der Einzelstaaten in das wohl mächtigste politische Amt gewählt, das weltweit zu vergeben ist. Er wird der Nachfolger von Barack Obama, mit dessen Wahl im Jahr 2008 Amerika zu neuen Ufern aufgebrochen war. Ein Präsident, der seinem Land wieder zu Ansehen in der Welt verhelfen wollte. Nun ist die Angst vor der „rogue superpower“ zurück, vor der ruppigen Weltmacht USA, die die von ihr einst selbst geschaffene liberale Weltordnung, gegründet auf den Werten der Aufklärung in den USA und in Europa, mit dieser Entscheidung in Frage stellt. Ein Nationalist und Rechtpopulist hat die Wahl in der ältesten Demokratie der Welt gewonnen, von dem man sich nicht vorstellen kann, dass er einen Eid leisten kann, schon gar nicht den Eid auf die amerikanische Verfassung.
Gewonnen gegen alle Prognosen: Trump der Triumphator
Wer kurz vor der Wahl die Prognosen der bekannten Wahlexperten im Internet konsultierte, durfte beruhigt sein. Trotz aller von ihr selbst erzeugten Zweifel wurden Hillary Clinton die weitaus besseren Chancen vorausgesagt, zur nächsten Präsidentin gewählt zu werden. Gekoppelt mit einer hauchdünnen Mehrheit im Senat, wenngleich mit weiter republikanischer Mehrheit im Repräsentantenhaus, würde sie die Nachfolge Obamas antreten können. Er hatte sie vor acht Jahren daran gehindert, erste Frau in diesem Amt zu werden, nun aber trat er gemeinsam mit seiner Frau Michelle beherzt für sie ein, vermutlich gegen innere Skrupel, aber in der Hoffnung, dass sie seine Arbeit fortsetzen würde. Das hatte sie versprochen, auch wenn sie manches, wie seine Gesundheitsreform, reformieren wollte. Und den Eindruck erweckte, energischer in der Welt auftreten zu wollen, wenn nötig auch mit Hilfe der überwältigenden amerikanischen Militärmacht, was verständlicherweise Ängste auslöste, auch bei den engsten Verbündeten der USA.
Nun wird ein Mann Präsident, der im Wahlkampf nicht den Eindruck erweckte, den Anforderungen des Präsidentenamtes kognitiv gewachsen zu sein. Von dem man beim besten Willen nicht sagen kann, ob er sich je darüber Gedanken gemacht hat, wie er einige seiner wichtigsten Versprechen, wie den Bau einer Mauer entlang der amerikanisch-mexikanischen Grenze, realisieren wird. Oder wie er die versprochenen Jobs schaffen wird, bei gleichzeitiger Schließung der Grenzen der USA. Möglich wäre das nur bei einer radikalen Abkehr vom bisher praktizierten Modell des Kapitalismus in den USA, der dem Staat fast nichts, dem Markt dagegen alles zutraut. Also die Hinwendung zu einem Modell des Staatskapitalismus mit korporativen Strukturen. Und mit Unternehmen, die freie Hand bekommen, ohne Rücksicht auf die Umwelt Arbeitsplätze zu schaffen und Gewinne zu erwirtschaften, für die sie dann im Gegenzug fast keine Steuern mehr zahlen müssen. Noch größer ist die Unsicherheit, wenn man über die Außenpolitik einer Trump-Administration nachdenkt. Über alles Mögliche wird spekuliert, angefangen vom Dritten Weltkrieg bis hin zu einem Schmusekurs mit Wladimir Putin. Mit dem könnte sich Trump in Jalta über eine Aufteilung der Welt einigen, ohne dass ein Europäer mit am Tisch säße: Die Krim an Russland, Syrien ebenfalls, Islamisten werden als Terroristen bekämpft, egal wo, und wir mischen uns nicht ein, was der andere in seinem Land und seinem Einflussbereich tut. Über all das kann man nur spekulieren. Das ist schlecht, sehr schlecht. Denn Die USA verfügen nach wie vor über sehr viel Macht, militärisch und diplomatisch. Eine Macht, die man als hegemoniale Weltordnungsmacht zur Förderung der eigenen Interessen und gleichzeitig von Werten wie Demokratie und Menschenrechten einsetzen kann. Doch diesem Rollenverständnis amerikanischer Macht wurde jetzt durch die amerikanischen Wähler eine Absage erteilt.
Die Ära Clinton ist nun endgültig beendet
Hillary Clinton trifft zweifellos die größte Verantwortung an der Wahl Donald Trumps. Ihre Handikaps waren bekannt, ihr selbst, ihren Beratern und der Öffentlichkeit, lange bevor sie sich zur Kandidatur entschloss. Doch ihr Ehrgeiz ließ sie blind werden für die Gefühle, die viele Mitbürgerinnen und Mitbürger ihr gegenüber hegten. Eine Kandidatin, der mehr als die Hälfte der Bürger bescheinigten, vor der Wahl, aber auch jetzt wieder in den Exit Polls nach der Wahl, dass sie nicht ehrlich und vertrauenswürdig sei. Der man eher zutraute, das Amt des Präsidenten kompetent ausüben zu können, von der die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler aber ein negatives Bild hatten. Selbstherrlich, abgehoben, wie ihre E-Mail-Affäre zu beweisen schien – eben eine Politikern, eine typische Repräsentantin des Establishments in Washington, das außer Streit meist nichts auf die Reihe kriegt. Hillary Clinton wollte es partout wissen, wollte erste Frau im Amt des Präsidenten sein. Damit ist sie gescheitert. Und damit hat sie das Ende der Ära Clinton besiegelt.
Anders als Trump führte Hillary Clinton einen professionellen Wahlkampf nach allen Regeln der Kunst. Es fehlte nicht an Geld, an Helfern und auch nicht an Kampfgeist. Doch trotzdem unterliefen ihr Fehler. Der Schwerwiegendste: In einer öffentlichen Rede vor Sponsoren bezeichnete sie die Hälfte der Unterstützer Trumps als „bedauernswert“. Sie seien rassistisch, sexistisch, homophob, xenophob, islamophob. Das sei zwar ganz „grob verallgemeinert“ fügte sie hinzu, doch der Schaden war angerichtet. Auch wenn viele Anhänger Trumps mit Begriffen wie „xenophob“ vermutlich nicht viel anfangen konnten. Ihr eigener Kandidat pflegte nämlich mit einfacheren Formulierungen um sich zu schlagen. Der Schaden war angerichtet, obwohl Hillary Clinton im weiteren Teil ihrer Rede für Empathie mit den Trump-Anhängern warb, die sich vom Staat und von der Gesellschaft mit ihren Problemen allein gelassen fühlen. Es nutzte auch wenig, dass sich Clinton bereits am nächsten Tag für ihre Bemerkung entschuldigte und hinzufügte, es sei wohl nicht die Hälfte der Trump-Anhänger in diese Schublade der bedauernswerten Gestalten zu packen.Es half nichts: Die Medien zitierten nur den ersten Teil ihrer Rede und die Republikaner nutzten ihre unbedachten Worte als Steilvorlage für einen Wahlkampfspot, in dem man zu Clintons Rede ehrliche, hart arbeitende Trump-Anhänger ins Visier der Kamera nahm. Die Äußerung signalisierte linke Arroganz und fehlenden Respekt, und das mögen diejenigen gar nicht, denen Progressive wie Hillary Clinton mit ihrer Politik helfen wollen.
Kein Ruhmesblatt für die Medien
Die Medien: Auch sie müssen bei einer Schuldzuweisung für Trumps Wahlsieg ihr Fett abbekommen. Es gibt nichts daran herumzudeuteln: Trump war äußerst geschickt im Umgang mit den Medien, nutzte sie für seine Zwecke und konnte auf diese Weise viel Geld sparen, weil die Medien ohnehin auf allen Kanälen über ihn berichteten. „Die Presse nahm Trump wörtlich, aber nicht ernst; seine Unterstützer nahmen ihn ernst, aber nicht wörtlich“, schrieb Salena Zito im September in der Zeitschrift „The Atlantic“. Das trifft den Nagel auf den Kopf: Auch hier haben wir es mir der Arroganz einer gebildeten Elite zu tun, die das Phänomen Trump nicht zu entzaubern vermochte, allen Factchecks zum Trotz. Wer sich mit der Biografie Trumps beschäftigte, wie die äußert sehenswerte Frontline-Dokumentation „The Choice“, die auch auf Arte ausgestrahlt wurde, konnte lernen, dass Trump mit dem Prinzip „Bad publicity is better than no publicity“ seine Marke „Trump“ aufgebaut hatte und damit sogar Bankern imponierte, die ihm eigentlich wegen seiner Schulden das Fell hätten über die Ohren ziehen müssen. Doch was seine Banker nicht schafften, gelang den Medien ebenfalls nicht. Mit Vorwürfen konfrontiert wie, er sei ein Rassist, wich Trump aus, betonte aber gleichzeitig seine Kernbotschaft – ich bin es, der Jobs schaffen und das Land verändern kann. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wiederholte er seine Kernaussagen zu Jobs, zu Einwanderung, zum Versagen der Politiker, so als hätte man ihm eingebläut, wie er einen guten Wahlkampf zu führen habe. Wer mit seiner Stimme für Veränderung im Lande Sorgen wollte, und das waren immerhin 39 Prozent der Wählerinnen und Wähler, stimmte für Trump – zu 83 Prozent, wie man in den Exit-Polls nachlesen kann.
Berechtigte Freude bei den Republikanern?
Wirklich bedauernswert – „deplorable“ – ist die Republikanische Partei oder was von ihr nach der feindlichen Übernahme durch Trump noch übrig ist. Sie hatte den Weg für seine Kandidatur mit ihrer kompromisslosen, von manchen Beobachtern als nihilistisch verurteilten Opposition gegen Obama vorbereitet. Das republikanische Parteiestablishment konnte keine Alternative zu ihm präsentieren, die beim Fußvolk auf Akzeptanz gestoßen wäre, ohne dabei die Regeln des politischen Anstands so massiv zu verletzen wie Trump. Die Parteivorderen schwankten zwischen Ablehnung und stillschweigender Duldung und duckten sich weg, wenn der Kandidat allzu ausfällig wurde. Nie war jemand, der in der republikanischen Partei das Sagen hat, bereit, den Kandidat zur Ordnung zu rufen, vermutlich aus Angst davor, selbst von den aufgebrachten Wut-Republikanern aus dem Amt gefegt zu werden. Aber wer wie ich an die Anständigkeit der Durchschnittsamerikaner glaubt, kann nicht akzeptieren, dass kein Republikaner von Rang dem Kandidaten ins Wort oder in den Arm fiel, als der die Unabhängigkeit eines Richters mit mexikanischen Wurzeln angriff, die Eltern eines im Krieg gefallenen muslimischen Soldaten verunglimpfte, einen behinderten Journalisten nachäffte oder über Frauen herzog. Nun jubeln die Republikaner, sehen sich mit einem Regierungsmandat ausgestattet, da sie über Mehrheiten im Kongress und demnächst wohl auch im Obersten Gericht verfügen. Doch sie wissen sehr wohl, dass Trump nicht ihnen seinen Erfolg verdankt, sondern ganz allein Trump selbst. Der Schwanz wird nicht mit dem Hund wedeln, es wird anders kommen. Trump wird als Präsident leichter durchregieren können, als die Experten für das amerikanische Regierungswesen das für möglich gehalten haben. Ein autokratisch-autoritärer Regierungsstil: das wird vielen seiner Anhänger gefallen. Hauptsache, es passiert endlich was in Washington.
Ach Europa!
Was das für die amerikanische Außenpolitik bedeutet, wissen wir derzeit noch nicht. Doch ist Europa, ist Deutschland für einen Präsidenten Trump gewappnet? Auch hier haben wir es mit „deplorables“ zu tun, mit bedauernswerten, kläglichen Gestalten, die sich krampfhaft bemühen, Europa zusammenzuhalten und vermutlich bei erster Gelegenheit von Trump auseinanderdividiert werden. Trump verdient eine klare Ansage der Europäer, was die NATO und die Europäische Union angeht, aber auch die Führungsrolle, die man in der westlichen Welt den USA bisher zugestanden hatte. Mit einem Präsidenten Trump kann es eine legitime Führung durch die USA nicht mehr geben, denn für Trump kommen künftig amerikanische Interessen an erster Stelle, eine Weltordnungsmacht will Trumps Amerika nicht mehr sein. Hier ist Deutschland gefordert, und es ist zu begrüßen, dass es die Bundeskanzlerin in ihrer kurzen Ansprache zur Wahl in den USA an Deutlichkeit nicht hat fehlen lassen: „Deutschland und Amerika sind durch Werte verbunden: Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. Auf der Basis dieser Werte biete ich dem künftigen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, eine enge Zusammenarbeit an.“
Danke für Ihre Hintergrundinfos!
Die US-Waffenindustrie brauchte anyway so eine Scharfmacher-Figur wie Trump, um per demokratischer Abstimmung ihre potentiellen militärischen Aktionen zu legitimieren. Waffen, Waffen, Waffen. Das dürfte das Kalkül und die Investition für diese Wahlshow gewesen sein. Das factum brutum ist also realisiert, die NRA feiert sich, die lockheed-Aktien rauschen in die Höhe. Und so kann es reibungslos weitergehen mit der Amortisation – in jeder Hinsicht.