Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Anfang Juni diesen Jahres ihren Zinssatz für die Refinanzierungsgeschäfte der Banken auf 0,15% gesenkt. Das ist ein Rekordtief! Für Gelder, die die Kreditinstitute bei der EZB einlegen, müssen diese sogar 0,1% als „Strafzins“ zahlen.
Diese geldpolitischen Maßnahmen zielen auf eine weitere Stimulierung der Konjunktur in der Euro-Zone ab. In keinem Land gibt es bislang einen Boom mit hohen Wachstumsraten.
In den meisten europäischen Staaten liegen die Arbeitslosenquoten, vor allem bei der Jugendarbeitslosigkeit, nach wie vor extrem hoch. Inflationsgefahren bestehen nicht; die Preissteigerung in Deutschland bewegt sich mit rund 1% auf einem soliden Stabilitätsniveau. Einige Gurus unter den Ökonomen in der Euro-Zone beschwören gar eine Deflation und deren Gefahren für Wirtschaft und Gesellschaft; das ist zweifellos maßlos übertrieben und eher realitätsfern. International erfreut sich unsere Währung, der Euro, hoher Stabilität: In den letzten Monaten mussten für 1 Euro etwa 1,35 bis 1,40 Dollar bezahlt werden.
Von einer Krise des Euro kann nicht mehr die Rede sein, obschon die Probleme der Staats- und Bankenschuldenkrise noch längst nicht endgültig gelöst sind. Doch einige Länder – wie etwa Irland, Portugal und Spanien –, denen von nicht wenigen Krisenaposteln vor kurzem die große Pleite angekündigt war, sind inzwischen an den Kapitalmarkt zurückgekehrt und befinden sich in der Reha-Phase. Das größte „Sorgen-Mitglied“ in der Euro-Zone ist derzeit Frankreich: Präsident Hollande und seine Regierung haben es bislang nicht geschafft, die Talfahrt der französischen Wirtschaft auch nur zu stoppen, geschweige denn Aufwind unter die Flügel ihrer Volkswirtschaft zu bewirken.
Die Niedrigzinspolitik der EZB bietet große Chancen für alle Euro-Staaten. Notwendige Reformen der einzelnen Volkswirtschaften müssen von der Politik, den Unternehmen und den Gewerkschaften mutig angegangen werden. Nur wer wettbewerbsfähig ist, kann in der „Champions League“ Erfolge beim Wachstum und bei der Beschäftigung erzielen. Mehr Innovationen, neue Produkte und Produktionsverfahren, attraktive Dienstleistungen, eine höhere Produktivität und geringere Lohnstückkosten, ein Abbau von teurer staatlicher Bürokratie, eine Reduzierung von Sozialkosten, mehr Anreize für Unternehmer und Arbeitnehmer sind dringend erforderlich, damit in vielen Staaten Europas wieder kräftig investiert wird und sich die unternehmerische Dynamik beschleunigt. Die außerordentlich günstigen Finanzierungsmöglichkeiten sollten für die Anschaffung neuer Maschinen, IT-Technologie, Fahrzeuge usw. ebenso wie für neue notwendige Investitionen in die Infrastruktur, vor allem auch in Bauten, genutzt werden.
Das Zinstief hilft allen Staaten im Euro-Raum nachhaltig, die neue Schulden aufnehmen und die die alten Anleihen umschulden müssen. Der Zinsaufwand in den öffentlichen Haushalten sinkt um viele Milliarden Euro – auch im deutschen Bundeshaushalt, in den Länderetats und bei den Kommunalfinanzen. Letztlich sind dadurch alle Bürger und Steuerzahler auf der Seite der Gewinner.
Eine hundertprozentige Zustimmung zu der jeweiligen Höhe der Zinsen wird es nie geben. Die Zentralbank muss stets die Geldwert- und Preisstabilität als das wichtigste Ziel verfolgen. Und das hat sie geschafft und weiter im Auge. Denn Inflation ist Betrug am Sparer, so hat es einst ein kluger Notenbankpräsident richtig festgestellt. Stabilität ist demnach Wohltat für Sparer und Verbraucher, denn gerade sozial Schwächere profitieren vom stabilen Euro und von niedrigen Preisen.
Vor allem profitieren von den historisch niedrigen Zinsen auch „Häuslebauer“ in den deutschen Ländern. Die Finanzierungskosten für Hypotheken liegen derzeit – je nach Laufzeit – zwischen 2,5 und 3,5% effektiv. Ebenso sind Konsumentenkredite sowie andere Kredite an private Haushalte günstig; die Verschuldung der privaten Haushalte beträgt derzeit rund 1.600 Mrd. €.
Der einen Freud ist indessen der anderen Leid. Für Sparer gibt es im derzeitigen Zinstief nicht viel: Einlagen mit einer Laufzeit bis zu 2 Jahren bringen im Schnitt weniger als 2%, Spargelder mit einer vereinbarten Laufzeit von über 2 Jahren werden von den meisten Banken mit 2 bis 2,3% verzinst. Auch mit Anleihen des Bundes ist gerade noch eine Rendite um 1,2% zu erzielen. Staatsanleihen Portugals rentieren sich zurzeit mit 3,5, Spanien mit 2,7 und Irlands mit 2,3%. Die Lebensversicherungen befinden sich in einer schwierigen Phase und müssen den Garantiezinssatz für neue Policen senken – durchweg auf 1,25%, auch die Überschussbeteiligung fällt niedriger aus, sodass die Gesamtrendite zusammenschmilzt. Die große Koalition bastelt gerade an einem Lebensversicherungs-Reformgesetz, um zum einen die Stabilität der Versicherungen zu sichern und zum anderen das Vertrauen der Versicherten in die Assekuranz zu erhalten. Immerhin summieren sich die aktuellen Ansprüche vieler Millionen Anleger gegenüber den Versicherungen auf rund 1.500 Mrd. €. Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung, bei Aktien und Aktienfonds schneiden Anleger durchweg besser ab. Allerdings müssen stets Chancen und Risiken auf dem volatilen Aktienmarkt sehr intensiv abgewogen werden. Solide Titel wie die von der BASF, Allianz, Linde, Conti, BMW usw. haben ihren Aktionären in den letzten Jahren jedenfalls eine überdurchschnittliche Rendite und Kursgewinne beschert. Doch gibt es dafür keine Garantie; bei den einstigen Energieriesen EON und RWE bewegen sich deren Aktionäre bereits seit längerem in einem Jammertal.
Das Zinstief wird gewiss noch einige Jahre anhalten. Vor allem viele Millionen Anleger, die angesichts der zukünftigen Probleme mit der gesetzlichen Rentenversicherung auf eine private Vorsorge für’s Alter setzen, müssen sich viel intensiver als in der Vergangenheit um ihr Geld kümmern. Sie sollten eine intensive Finanzberatung in Anspruch nehmen, die „Eier – also ihr Geld – nie alle in einen Korb“ legen und sich über die staatliche Förderung der Altersvorsorge von Experten informieren lassen. So wie man den Hausarzt konsultiert, wenn es um die Gesundheit geht, sollte jeder Einzelne einen kompetenten und vertrauenswürdigen Finanzexperten als permanenten Ansprechpartner haben, quasi als „Hausarzt für sein Geld und seine finanzielle Vorsorge“.
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