Selten genug, das Gefühl zu haben, einer Sternstunde beizuwohnen. Am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche war dies geboten. Geboten von dieser so scheu wirkenden Person, die Reporterin und Publizistin Carolin Emcke. Ihre Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels war es, die zugleich Herz und Kopf, Gefühl und Verstand ansprach. Es war eine Rede zur Lage der Nation.
Das Publikum, drinnen wie draußen, wurde in den Bann geschlagen von einer mit Demut und Klugheit gepaarten Erzählung, die denen Mut machen sollte, denen „Furcht und Terror und Repression unter die Haut gezogen ist“ und die zugleich „um den Wert stabiler Rechtsstaatlichkeit und einer offenen Demokratie wissen“.
Und mit Blick auf die Politik und die Medien macht sie ganz nebenbei deutlich, welche Verantwortung gerade auch die haben, die den Diskurs steuern und beschreiben.
Carolin Emcke hat sich immer eingemischt, wenn es darum ging, Haltung zu zeigen. Ich bin ihr mehrfach begegnet und war gern in ihrem „Streitraum“ in der “Schaubühne“ Berlin. Längst sind die Diskussionsforen über gesellschaftlichen Widersprüche und soziale Spaltungen von den Universitäten in die Theater und sonntäglichen Matinées ausgewandert.
In ihrer Rede in der Paulskirche, der demokratische Versammlungsort der gescheiterten Revolution von 1848, war sie auch die sprachlich zwingende Anwältin für Menschen, die Verständigung und Austausch wollen, damit Gewalt, Hass und Sprachlosigkeit sie nicht verändern.
Ihr mit viel Beifall bedachter Appell war, sich nicht von Fanatikern einschüchtern zu lassen, mit deren Hass und Gewalt gehe Orientierung und unsere Sprache verloren. Für Terror und Gewalt seien Justiz und die Ermittlungsbehörden zuständig, wir dagegen für alle alltäglichen Formen der Missachtung und der Demütigungen. Die Fanatiker beschädigten den öffentlichen Diskurs, mit Verschwörungstherorien und dem, was Carolin Emcke die „merkwürdige Kombination aus Selbstmitleid und Brutalität“ nennt. Wie recht sie hat.